Gladbach soll mit Marcel Koller verhandeln – der Abschied des Teamchefs vor der Euro 2016 ist ausgeschlossen.
Man nennt sie zwar gern Geheimtreffen, diese Meetings von Trainern, Beratern und Managern potenzieller Arbeitgeber. Es ist das erste Kennenlernen, in diesem Punkt stehen breite Arbeitswelt und Profifußball allerdings auf einer Stufe. Egal, ob Airport, Zug, Hotelsuite oder Büro des Chefs – keine dieser Zusammenkünfte bleibt meist geheim . . .
Der deutsche Erstligist Mönchengladbach ist nach dem Abschied von Lucien Favre auf Trainersuche. Ein Schweizer könnte nun, schenkt man dem Eidgenossen-Boulevard „Blick“ Glauben, dem anderen folgen: Gladbach verhandelt mit Marcel Koller.
Der Aufschrei in Österreich ist enorm. Das Nationalteam hat sich erstmals sportlich für eine EM qualifiziert, steckt mitten im Finale dieser Qualifikation, träumt vom ungeschlagenen Durchmarsch zur Endrunde 2016 in Frankreich und hofft als Nummer elf der Welt auf eine finale Torgala am Montag gegen Liechtenstein – und dann platzt diese Nachricht herein. Aber was ist wirklich dran? Heiße Luft, Poker – oder doch nur ein bösartig gestreutes Gerücht?
Gladbachs Sportchef, Max Eberl, soll sich mit Koller getroffen, über eine Zusammenarbeit gesprochen haben. Na, und? Koller leistet gute Arbeit, der Erfolg des Teams wird auch über die Grenzen hinaus wahrgenommen. Würden nicht Klubs oder der Schweizer Verband um seine Dienste buhlen, liefe selbst auf dieser Ebene im Weltfußball tatsächlich einiges falsch.
Dass Koller Österreich sofort oder noch vor der EM-Endrunde verlassen wird – für Gladbach wohlgemerkt –, ist ausgeschlossen. Die Euro 2016 ist auch sein größter Erfolg. Für einen erstmals und chancenlos in der Champions League mitspielenden Klub, zugegebenermaßen aus der Liga des Weltmeisters, oder auch für viel Geld lässt sich kein vernünftig denkender Profi so eine Chance entgehen. Was Koller jedoch nach dem EM-Turnier macht, ist eine ganz andere Frage. Dann läuft sein ÖFB-Vertrag aus. Ein für Verhandlungen optimaler Zeitpunkt; vorwiegend aus seiner Sicht.
Spielt das Team erfolgreich, steigt Kollers Marktwert. Dann wird eine erneute Vertragsverlängerung für den ÖFB noch teurer, als sie es ob des Mitbietens anderer ohnehin geworden wäre. Im Fall des Misserfolges bleibt alles bloß Verhandlungssache. Erreicht das Team aber das nächste EM-Level, ist es keineswegs vermessen, auch von der WM 2018 in Russland zu sprechen. Eine verlockende, realistische Vision – selbst für den Schweizer.
Koller hat sich zudem Höheres verdient als Gladbach. Erst die EM, dann die WM – oder einen Topklub.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2015)