Raphael Holzhauser: Ein Hochbegabter darf sich beweisen

Raphael Holzhauser
Raphael Holzhauser(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Witters)
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Stuttgart-Legionär Raphael Holzhauser wurde schon als 16-jähriges Talent in den Himmel gelobt. Drei Jahre später will der Teenager den Vorschusslorbeeren gerecht werden.

Wien. Als der fünfjährige Raphael Holzhauser im Garten seiner Großmutter im niederösterreichischen Teesdorf gegen den Fußball trat, war es bereits um ihn geschehen. Der Blondschopf ließ sich vom runden Leder fortan nur schwer respektive gar nicht mehr trennen. „Ich bin mit dem Ball schlafen gegangen“, schmunzelt der heute 19-Jährige, als er im Gespräch mit der „Presse“ über alte Zeiten sinniert.

Schon in Kindertagen träumt Holzhauser davon, später einmal für Rapid ins Hanappi-Stadion einzulaufen, „weil alle in meiner Familie Rapidler sind“. In der Jugend kickt er tatsächlich für Grün-Weiß, Wien wird ihm jedoch bald zu klein. Er sucht eine neue, noch größere Herausforderung, wird im Ausland fündig. Twente Enschede, Hertha BSC Berlin und sogar der große FC Bayern München sind an den Diensten des talentierten Linksfußes interessiert. Die Wahl fällt allerdings zugunsten des VfB Stuttgart aus. Die Schwaben stellen die größten Bemühungen an, überzeugen Holzhauser mit ihrem Nachwuchskonzept.

Märchenhafter Ein- und Aufstieg

In Stuttgart sind die Blicke bald auf den Neuankömmling gerichtet. In seiner Premierensaison darf der 16-Jährige im Mittelfeld der U19-Auswahl mitwirken, erzielt in 20 Spielen neun Tore und leistet vier Assists. Der Hochbegabte ist seiner Zeit voraus, wird von allen Seiten mit Lob bedacht. Im Sommer 2010 folgt die Beförderung. Als jüngster Spieler der VfB-Geschichte wird er in die zweite Mannschaft integriert, kommt auch dort auf zahlreiche Einsätze. Der nächste Karrieresprung scheint bereits vorprogrammiert, Holzhauser ist regelmäßiger Gast beim Training der Bundesligamannschaft. Im Dezember 2010 übernimmt Bruno Labbadia das Traineramt des VfB. Mit ihm wendet sich das Blatt.

Labbadia schenkt in den nächsten 15 Monaten anderen, routinierteren Spielern das Vertrauen. Von regionalen Medien wird der ehemalige Stürmer dafür gerügt, sie fordern mitunter den Einsatz des jungen Österreichers. Am 21. Januar 2012 schlägt schließlich Holzhausers Stunde. Bei der 1:3-Niederlage auf Schalke wird der ÖFB-U21-Teamspieler für die letzten sechs Spielminuten eingewechselt. Eine Woche darauf darf er gegen Mönchengladbach weitere zwölf Minuten Bundesligaluft schnuppern. An den fünf folgenden Spieltagen steht Holzhauser zwar im Kader, wird aber ignoriert und bleibt ohne Einsatz.

Er beschließt die Saison mit der Amateurmannschaft in Liga drei. Die Situation ist unbefriedigend, im Sommer scheint auch ein Wechsel nicht ausgeschlossen.

Doch der Teenager bleibt geduldig, drängt sich der Vorbereitung abermals auf und überzeugt Labbadia, der nach schwachem Saisonstart zum Teil wohl auch dem Druck der Medien erliegt.

„Habe mir Chance verdient“

In den vergangenen fünf Runden war Holzhauser gesetzt, bekam durchwegs gute Kritiken. „Ich bin froh, dass ich meine Chance bekommen habe. Ich denke, ich habe sie verdient“, sagt Holzhauser, der vor einigen Wochen eine richtungsweisende Aussprache mit Labbadia führte. „Er hat mir die Augen geöffnet, mir gesagt, dass ich noch härter arbeiten muss.“ Die letzten Prozentpunkte kitzelt der Youngster seitdem täglich bei Extraschichten in der Kraftkammer und auf dem Platz aus sich heraus. Er sagt: „Ich weiß, dass noch viel mehr in mir steckt.“

Holzhauser spürt erstmals das Vertrauen von Bruno Labbadia. Dieser hat ihn sogar mit der Ausführung von Standardsituationen beauftragt. „Das gehört zu meinen Stärken. Insofern ist es keine große Überraschung für mich, dass ich Freistöße und Ecken treten darf“, spricht aus Holzhauser ein selbstbewusster junger Mann, der keine Konkurrenz fürchtet. Im System mit einem Sechser und zwei Achtern hat er im offensiven Mittelfeld vor dem Dänen William Kvist und neben dem Deutschen Christian Gentner seinen Platz gefunden.

Seinen Hauptkonkurrenten, den ungarischen Internationalen Tamás Hajnal, hat er vorerst auf die Ersatzbank verdrängt – wohl auch beim heutigen Auswärtsspiel in Dortmund. Sofern Holzhauser auch in den kommenden Wochen seinen Mann in der Bundesliga steht, dürfte in absehbarer Zeit auch Teamchef Marcel Koller einen Anruf tätigen. Holzhauser bleibt beim Thema Nationalteam gelassen, will sich dabei nicht selbst unter Druck setzen – und hat insgeheim wohl schon das nächste Ziel vor Augen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2012)

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