Stickler rechnet mit ÖFB ab: "Das ist extrem kleinkariert"

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Der frühere ÖFB-Präsident Friedrich Stickler zieht Bilanz. Mit der „Presse am Sonntag“ spricht er über die kleinkarierte österreichische Fußballwelt, seine unbedankten Erfolge und über seinen Fehler, Hans Krankl nicht schon früher gefeuert zu haben.

Schmerzt es Sie, dass Ihre Idee, Karel Brückner, nicht mehr Teamchef ist?

Friedrich Stickler: Ich verstehe, dass der neue Präsident Leo Windtner in einer schwierigen Situation eine energische Handlung setzt. Ich will auch gar nicht mehr auf die Details des täglichen Sportlebens eingehen. Ich will mich bewusst herausnehmen. Nur eines: Dem Argument, dass Brückner nicht Deutsch kann, kann ich nicht folgen. Das ist für mich extrem kleinkariert. Ich glaub nicht, dass ein Otto Rehhagel inzwischen Griechisch gelernt hat. Oder dass Ivica Osim mit seinen Spielern japanisch gesprochen hat oder Guus Hiddink mit seinen Mannen russisch.


Aber es gab auch andere Kritikpunkte. Brückner hat etwa nie das Gespräch mit den Bundesliga-Trainern gesucht.

Natürlich gehört ein Teamchef auf den Platz und zu den Trainern. Das war auch von Anfang an mit ihm ausgemacht. In einem unserer ersten Gespräche hat er gesagt: Er brauche keine Wohnung in Österreich, denn seine Wohnung ist der Fußballplatz. Es waren bestimmt auch gesundheitliche Probleme, die ihn eingeschränkt haben. Und deshalb hat er dann seine Zusagen nicht umgesetzt und die Sache ein unglückliches Ende genommen.


Sie waren ein Befürworter eines hauptamtlichen ÖFB-Präsidenten. Es blieb beim Ehrenamt. Fällt dies für Sie auch unter typisch österreichische „Kleinkariertheit“?

Nein, das hat sich Leo Windtner bestimmt sehr gut überlegt. Ich akzeptiere diese Entscheidung. Ich kann nur aus meiner Erfahrung sagen, dass es sehr schwierig ist, dieses Ehrenamt und den Beruf unter einen Hut zu bringen.


Faktisch wurden die modernen Strukturen, die Sie gefordert haben, nicht umgesetzt. Alles bleibt beim Alten...

Ich werde meinem Nachfolger und meinen Kollegen im ÖFB bestimmt nicht ausrichten, was gut oder nicht gut ist. Ich habe selbst erlebt, dass jemand seinem Nachfolger Noten gibt (Sticklers Vorgänger war Beppo Mauhart, Anm.). Es ist immer leicht, wie ein Muppet von einer Loge heraus zu kommentieren. Ich finde das nicht in Ordnung.

Dann reden wir darüber, warum Sie das Ehrenamt im ÖFB skeptisch sehen.

Es gibt eine Reihe von europäischen Ländern mit hauptamtlichen Fußballpräsidenten. Der ÖFB ist ein Wirtschaftsunternehmen. Das ist ja nicht irgendeine kleine Quetschn. Ich habe damals meine Meinung gesagt. Meine Kollegen haben aus sportpolitischen Gründen das Ehrenamt beibehalten. Sie haben ihre Gründe.

Sie würden nie sagen, dass das ein Fehler ist.

Bitte interpretieren Sie das jetzt nicht als Feigheit vor dem Feind. Aber ich finde es furchtbar, wenn jemand aus einem Amt ausscheidet und dann immer noch hineinpeckt.


Damit brechen Sie aber eine alte Tradition des österreichischen Fußballs...

Ich bin halt eine Diskussionskultur gewöhnt. Eine, wie wir sie etwa hier bei den Lotterien pflegen. Da sind wir im Vorstand oft nicht einer Meinung. Aber da wird intern ausdiskutiert und dann mit einer Stimme nach außen gegangen.


Vergangenen Sommer sollte Dieter Constantini bereits Teamchef werden. Er ist es nicht geworden. Warum ist er denn jetzt plötzlich der richtige Mann?

Didi Constantini war sehr nah dran. Aber – ich sage das noch einmal mit Nachdruck – wenn man einen der besten europäischen Trainer bekommen kann...

Constantini wäre also Teamchef geworden, wenn Brückner abgesagt hätte?

Ich würde sagen, ja. Unmittelbar nach der Euro gab es ja direkt den Ruf nach einem großen internationalen Trainer. Der damalige Bundeskanzler hat mich sogar mehrfach angesprochen und gemeint: Jetzt brauchen wir einen Großen. Da darf jetzt nicht gespart werden.

Und jetzt wird es wohl lange keinen großen internationalen Trainer fürs Team geben.

Es kommt etwas dazu: Ich habe mich ja in der Trainerszene umgehört. Es ist unfassbar, was diese Leute verlangen. Das fängt bei Jahresgagen von 1,5 bis zwei Millionen Euro an. Und das sind nicht die ganz Großen. Darunter kommen die gar nicht nach Wien, um zu reden.


Offenbar passen ausländische Startrainer und Manager mit kultiviertem Umgangston ohnehin nicht zum österreichischen Fußball.

Diese Dinge haben mich in dieser österreichischen Diskussion sehr irritiert. Aussagen wie: Eigentlich passt der ja gar nicht zum Fußball. Das ist ja keiner, der mit aufgekrempelten Ärmeln, mit offenem Kragen oder im Leiberl herumrennt. Ich habe in der Uefa eine andere Ebene kennengelernt. Da sind ehemalige Politiker, Rechtsanwälte und Wirtschaftsleute drinnen. Da erfüllt keiner die Vorstellungen der österreichischen Fußballöffentlichkeit. Das war eine andere Welt. Die Vertreter von Chelsea oder Real Madrid, das sind gestandene Geschäftsleute. In vielen Ländern Europas ist Fußball kein Proletensport mehr.

Ist er es in Österreich?

Es hat sich sehr verbessert. Da hat auch die Euro viel zum Positiven beigetragen. Bei der Euro waren auch viele junge Leute und auch sehr viele Mädchen in den Stadien. Wir haben das leider nicht mitnehmen können. Und es ist so schade, dass die Fans in Österreich wieder so rasch abbiegen. Dass ihre Treue eine sehr enden wollende ist.


Die von Ihnen geplante Reform findet nicht statt, Ihr Teamchef ist Geschichte. Was bleibt also von Ihrer Ära?

Für mich sind zwei Dinge wesentlich. Ich bin mit dem Ziel angetreten, die Euro nach Österreich zu holen. Das war eine schwierige Übung. Das ist für mich einer der großen Erfolge meines Lebens. Das ist vergleichbar mit der Einführung von Lotto. Dass wir das auch noch so auf den Boden gebracht haben, ist ebenfalls ein Erfolg. Und ich habe auch mit dem Challenge-Projekt etwas in Bewegung gebracht. Da gab es sehr schöne Erfolge. Etwa den vierten Platz bei der U-20-Weltmeisterschaft.


Trotzdem wird Ihre Amtszeit nicht als glorreich in die Fußballgeschichte eingehen.

Ich habe mich damit abgefunden, dass der Erfolg eines ÖFB-Präsidenten ausschließlich am Erfolg der Nationalmannschaft gemessen wird. Alles andere zählt nicht.


Sie haben eine Großtat Ihrer Präsidentschaft ausgelassen. Sie haben es gewagt, Hans Krankl als Teamchef zu feuern.

Ich würde das nicht als große Tat sehen. Ich mache mir sogar selbst den Vorwurf, dass ich Krankls Vertrag ein Mal verlängert habe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2009)

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