Fußball Europacup-Duell: Im Whisky liegt die Wahrheit

Pacult
Pacult(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Mario Kneisl)
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Das Duell zwischen Celtic Glasgow und Rapid wirft längst seine Schatten voraus, die Vorberichterstattung der schottischen Medien ist von Hass geprägt. Bewegende und sehr emotionale Erinnerungen an das Jahr 1984.

Mit dem Tag der Auslosung der Europa-League-Gruppen lebte auf einmal wieder Fußballhistorie auf. Vergangenheit, an die sich Rapid eigentlich gar nicht erinnern will, aber von den schottischen Medien seit Ende August mit schöner Regelmäßigkeit in großen Lettern aufgerollt wird. Seither ist die Vorberichterstattung zum Spiel Celtic Glasgow gegen Rapid am Donnerstag von Hass geprägt. Die Schotten sind heute noch der Meinung, dass man ihnen die Chance auf den Europacup-Sieg genommen hätte. Mehr noch, die Wiener hätten sie ihnen gestohlen. Mit einem miesen Akt an Schauspielerei.

Den Mann, den sie heute wieder medial jagen, heißt Rudolf Weinhofer. Der Allrounder, der damals in der 61. Minute für Peter Pacult eingewechselt wurde, ging nach knapp 20 Einsatzminuten zu Boden. Ein Eklat, den die Schotten bis ins kleinste Detail in Erinnerung rufen. Weinhofer war von einer Whiskyflasche am Kopf getroffen worden und musste verletzt ausscheiden. Da Rapid zu diesem Zeitpunkt das Austauschkontingent bereits ausgeschöpft hatte, mussten die Hütteldorfer die Partie mit einem Mann weniger beenden.

Rapid hatte das Hinspiel im Hanappi-Stadion mit 3:1 gewonnen, im Rückspiel hieß es letztlich 0:3. Das vermeintliche Aus im Europacup der Cupsieger wurde von einem riesigen Skandal begleitet, die Hütteldorfer wollten abtreten. Das Match war minutenlang unterbrochen, weil der schwedische Heimschiedsrichter Johansson einen lächerlichen Elfmeter für Celtic gegeben hatte. Plötzlich waren Menschenmassen auf dem Rasen, es gab endlose Debatten, einen wild gestikulierenden Trainer Otto Baric. Dazu gesellten sich Sanitäter, Polizisten und Funktionäre.

Österreichs Rekordmeister bezog in Glasgow so richtig Prügel, legte aber binnen 24 Stunden nach Entrichtung einer Gebühr von 500 Schweizer Franken Protest ein. Die Hoffnungen der Funktionäre stützten sich auf einen Präzedenzfall. Beim Spiel Borussia Mönchengladbach gegen Inter Mailand war ein Spieler von einer Dose getroffen worden, das Match wurde erst nach 90 Minuten beendet – und später wiederholt.

In der zweiten Instanz erhielt Rapid recht, das Duell mit Celtic Glasgow sollte im Dezember in Manchester neu ausgetragen werden. Die Wiener triumphierten in Old Trafford mit 1:0, zu den gefeierten Helden avancierten Peter Pacult und Herbert Feurer. Auch diesmal ging es drunter und drüber. Ein Rowdy stürmte das Spielfeld und insultierte Tormann Feurer. Fünf Polizisten überwältigten schließlich den Attentäter, der für drei Monate ins Gefängnis ging. Beim Abgang in die Kabinen wurde Pacult Opfer der Gewalt, der Torschütze wurde brutal niedergeschlagen. Mit einem Faustschlag in den Magen.

Rapid kämpfte sich in der gleichen Saison bis ins Europacup-Finale durch, in Schottland haben sie das offenbar bis heute nicht verkraftet. Seit Wochen klingelt in der „Presse“-Sportredaktion das Telefon. Schottische Kollegen wollten vor allem eines wissen: die Telefonnummer von Rudolf Weinhofer. Weitergegeben haben wir sie nicht, geheim blieb sie dennoch nicht.

Der 47-jährige Weinhofer selbst kann das Wort Celtic schon nicht mehr hören. „Ich kann mich nicht mehr erinnern“, meint er. „Schon zu lange her.“ Und obendrein solle man doch die Geschichte ruhen lassen. Ein einziges Mal habe er mit einem schottischen Medium gesprochen, alle anderen Interviewwünsche hat er abgelehnt. Dabei hätte er damit gutes Geld verdienen können. Auch Rapid ist dankbar dafür, die ganze Sache ist aufgeheizt genug. Niemand dürfe jetzt noch Öl ins Feuer gießen, sonst könnte die Lage explodieren.

Bis zum Anpfiff werden mehrere Sicherheitsgespräche stattfinden. Als Provokation empfinden die Schotten die Tatsache, dass Rapid im Celtic-Park in roten Trikots spielen wollte. Die Celtic-Fans fühlen sich damit an das Wiederholungsspiel in Manchester erinnert. Damals liefen die Grünen in den Farben des Hausherrn Manchester United auf. „Damit sticht Rapid in ein Hornissennest“, wird Frank McGarvey zitiert. Der Stürmer war 1984 in allen drei Duellen mit Rapid im Einsatz und zündelt seit Tagen in der Boulevardzeitung „Daily Record“. Nun lenkte Rapid ein. Ganz in Rot gewandet man sich allerdings nicht, Hosen und Stutzen sind blau.

McGarvey erwartet jedenfalls von Peter Pacult am Donnerstag eine offizielle Entschuldigung. „Und wenn er sich entschuldigt, dann ist das ein Schuldeingeständnis. Dann wissen wir alle, dass die Rapidler Lügner sind.“ Die Celtic-Familie ist nach wie vor der Meinung, dass Rudolf Weinhofer die Verletzung erst in der Kabine zugefügt worden ist. „Nicht nur ein Spieler hat ein falsches Spiel betrieben, sondern alle. Der Präsident, der Manager, die Ärzte. Ich habe genau gesehen, dass mit Weinhofer alles okay war. Und dann kommt er mit einem riesigen Turban aus der Kabine.“

Die damaligen Celtic-Spieler haben das Uefa-Urteil nie verstanden. „Wir haben gehofft, nie wieder gegen Rapid spielen zu müssen“, so Frank McGarvey. „This makes me pretty angry!“

Im Fußball heilen manche Wunden auch in 25 Jahren nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2009)

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