Fußball: Der größte Betrugsskandal aller Zeiten

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Elf Spiele der österreichischen Bundes- und Erste Liga sind seit Beginn dieses Jahres möglicherweise manipuliert worden. Europaweit soll es um 200 Matches sowie 200 Verdächtige in neun Ländern gehen.

WIEN. „Das ist zweifellos der größte Betrugsskandal, den es im europäischen Fußball jemals gegeben hat“, sagte Peter Limacher, Leiter der Disziplinarabteilung der Europäischen Fußball-Union (Uefa). Auf einer Pressekonferenz machte Limacher zusammen mit der Staatsanwaltschaft und der Polizei Bochum Fußballmanipulationen ungeahnten Ausmaßes öffentlich.

200 Fußballspiele sollen laut Staatsanwaltschaft Bochum seit Beginn 2009 in neun Ländern manipuliert worden sein. Neben Deutschland sind auch Belgien, die Schweiz, Kroatien, Slowenien, die Türkei, Ungarn, Bosnien-Herzegowina und Österreich betroffen. Hinzu kommen mindestens drei Champions-League- und zwölf Europa-League-Spiele sowie ein Qualifikationsspiel zur U21-EM. In allen Fällen bestehe ein konkreter Verdacht oder sei Betrug nachgewiesen worden. Aus „ermittlungstaktischen Gründen“ wollten die Ermittler aber weder Namen von Verdächtigen noch die betroffenen Spiele und beteiligten Vereine nennen.

In einer länderübergreifenden Aktion gingen die Behörden am Donnerstag gegen die international agierende Bande vor, erläuterte Ralf Ziegler von der Polizei Bochum. In Deutschland und der Schweiz wurden demnach 17 Personen festgenommen. Darunter sollen sich auch die Brüder Milan und Ante S. befinden, die schon 2005 im Wettskandal rund um den deutschen Schiedsrichter Robert Hoyzer verurteilt worden waren.

Über 200 Tatverdächtige

„Es gibt bisher über 200 Tatverdächtige“, so Zeiler. Seit Beginn des Jahres sollen sie Sportler, Trainer, Schiedsrichter und Offizielle bestochen und Wettgewinne in Höhe von mehreren Millionen Euro bei europäischen und asiatischen Wettanbietern erzielt haben. Der Hauptvorwurf lautet auf gewerbsmäßigen Bandenbetrug, der Schaden soll mindestens zehn Millionen Euro betragen. „Das ist aber sicher nur die Spitze des Eisbergs. Es ist davon auszugehen, dass die tatsächlichen Volumina erheblich höher liegen“, sagte der Bochumer Polizeidirektor Friedhelm Althans. Allerdings soll etwa die Hälfte aller Manipulationsversuche fehlgeschlagen sein, da die Spiele nicht so endeten wie abgesprochen.

Hausdurchsuchungen in Graz

50 Hausdurchsuchungen hat es in Deutschland, der Schweiz, Großbritannien und Österreich gegeben. „Ja, das kann ich bestätigen“, sagte Oberstleutnant Erwin Strametz vom Landeskriminalamt Graz gegenüber der „Presse“, Namen wollte er keine nennen. Aufgrund eines Rechtshilfeansuchens aus Deutschland sei es am Donnerstag in Graz zu mehreren Durchsuchungen gekommen. Beweismaterial sei sichergestellt worden, Festnahmen habe es aber keine gegeben.

In Österreich soll sowohl die tipp3-Bundesliga wie auch die Adeg Erste Liga betroffen sein. Bei elf Spielen bestehe Manipulationsverdacht. Auf Anfrage der „Presse“ dementierten die Präsidenten der vier steirischen Oberhaus-Vereine Sturm Graz, Kapfenberg, Gratkorn und Hartberg eine Verwicklung ihrer Klubs in den Fall. „Ich höre davon zum ersten Mal“, sagte Sturm-Präsident Hans Rinner. „Bei uns hat es keine Durchsuchung gegeben.“

ÖFB wurde vorgewarnt

Erst 2006 waren gegen den Ex-Sturm-Trainer Mihaelo Petrovic und die Spieler Bojan Filipovic sowie Dragan Sarac Manipulationsvorwürfe laut geworden. Sie standen unter Verdacht, 2006 Spielergebnisse zweier Bundesligapartien von Sturm „geplant“ zu haben. Im April 2009 wurde das Verfahren eingestellt. „Der Verdacht konnte nicht erhärtet werden“, bestätigte Manfred Kammerer von der Staatsanwaltschaft Graz damals.

Nichts von Manipulationen bzw. Ermittlungen gewusst hat vor der Pressekonferenz am Freitagnachmittag Bundesliga-Vorstand Georg Pangl. „Es hat keine Anfragen, weder von Behörden noch von der Uefa, gegeben“, sagte er zur „Presse“.

Anders seine Kollegen vom Österreichischen Fußballbund. „Wir sind ungefähr eine Stunde vor der Pressekonferenz von der Uefa vorgewarnt worden“, sagte ÖFB-Pressesprecher Peter Klinglmüller.

Nachdem das gesamte Ausmaß des Wettskandals bekannt wurde, wollen der ÖFB und die Bundesliga um „Akteneinsicht bei der ermittelnden Staatsanwaltschaft beziehungsweise bei der Uefa ansuchen“. Zudem wolle man sich an der Aufklärung des Skandals beteiligen.

Weder Klinglmüller noch Pangl konnten Auskunft über Vereine oder Spieler geben. „Wir wissen auch nicht mehr, als derzeit in den Medien bekannt ist“, sagte Klingelmüller. „In jedem Fall hat aber vorerst die Unschuldsvermutung zu gelten“, betonte Pangl.

AUF EINEN BLICK

Verdächtige Spiele
Mehr als 200 Partien stehen im Verdacht, manipuliert worden zu sein, darunter
drei Spiele der Champions League,
zwölf Spiele in der Europa League,
elf Spiele der österreichischen Bundesliga,
vier Spiele der 2. Deutschen Bundesliga,
17 Spiele in Belgien, 22 in der Schweiz, 14 in Kroatien, sieben in Slowenien, 13 in Ungarn, acht in Bosnien-Herzegowina und 29 in der Türkei.

Festnahmen
Nach Angaben der Polizei Bochum wurden in Europa 17 Personen verhaftet, in Österreich kam es bislang zu keinen Festnahmen.

Wettskandal im europäischen Fußball
Wettskandal im europäischen Fußball(c) APA

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2009)

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