Didi Kühbauer: "Fußballer dürfen keine Gefühle zeigen"

Didi Kühbauer
Didi Kühbauer(c) Clemens Fabry
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Didi Kühbauer spricht über Robert Enke, das "Mann-sein-Müssen" im Fußball und über den Rückhalt in der Familie. Über den Unfalltod seiner schwangeren Frau zu reden, fällt ihm nach fast 13 Jahren noch immer schwer.

„Die Presse“: Das Fußballjahr wurde nicht von Toren und Siegen geprägt, sondern vom Tod des deutschen Tormanns Robert Enke. Bis zuletzt hat er seine psychische Krankheit verborgen. Darf ein Fußballer keine Schwächen zeigen?

Didi Kühbauer: Die Geschichte mit Robert Enke ist sehr bewegend, aber sie hat weniger mit Fußball als vielmehr mit Sport und Gesellschaft im Allgemeinen zu tun. Aber wie soll man sich im Fußball outen? Noch dazu als Tormann? Dann greift ein Goalie daneben und alle Leute sagen: Schaut euch das Psycherl an, jetzt hat er sich wieder angeschüttet.

Sind seelische Verletzungen im Spitzensport tabu?

Kühbauer: Viele vergessen, dass auch wir Spitzensportler nur Menschen sind. Wir sind auch schwach und verletzlich. Nur zeigen dürfen wir es nicht.


Robert Enke hat den Tod seiner kleinen Tochter nicht verschmerzt. Auch Sie haben 1997 Ihre schwangere Frau bei einem Autounfall verloren. Mussten Sie damals auch ihre Verletzlichkeit verbergen?

Kühbauer: Über mein Schicksal will ich eigentlich nicht viel reden. Das ist Vergangenheit, auch wenn das immer tief in mir drinnen sein wird.

Aber Sie mussten damals hart sein.

Kühbauer: Ich bin so aufgewachsen, dass man im Fußball ein Mann sein muss. Wer sich da nicht durchsetzt, hat verloren. Wir leben hier nach wie vor in einer Männergesellschaft, Machogehabe dominiert. Fußballer dürfen einfach keine Gefühle zeigen. Wir Männer wurden und werden heute noch immer so erzogen.

Sie waren als Fußballer wohl immer der Starke, hatten nie einen schwachen Moment?

Kühbauer: Ich erinnere mich an meinen ersten Schlüsselbeinbruch. Die Schmerzen waren mir egal, aber ich musste dem Nationalteam absagen. Ich bin in der Kabine gesessen und habe geheult wie ein Schlosshund. Die anderen haben das nicht verstanden und sich womöglich gedacht: Siehst, der Didi ist auch nur ein Lulu.

Den Tod Ihrer ersten Frau haben Sie wie verarbeitet?

Kühbauer: Ich will darüber eigentlich nicht reden, aber es lässt einen nicht los. Manchmal gehe ich spazieren und finde mich in einer Kirche wieder. Ich hatte das Glück, einen Beruf zu haben. Fußball war immer das Schönste für mich. Ich habe mir jeden Tag gedacht: Didi, gib net auf. Und ich habe nicht aufgegeben. Also bin ich nach Spanien zu Real Sociedad gegangen. Zu Beginn war es sehr einsam dort. Zum Glück habe ich dann meine jetzige Frau Ingrid kennengelernt. Wer weiß, was sonst passiert wäre ...

Jetzt haben Sie zwei kleine Töchter, die bestimmt schon dem Christkind entgegenfiebern . . .

Kühbauer: Ich habe das Glück, dass mir meine Frau zwei Töchter geschenkt hat. Emilie ist fünf Jahre alt, Kim zweieinhalb. Hätte ich keine Familie, wäre ich über Weihnachten weit weg. Ich hasse Glitzer und dieses Tamtam. Aber so ist es ein Fest der Familie. Und deshalb verstehe ich irgendwie nicht, dass man sich umbringt, wenn man eine Familie hat. Manche sagen, Robert Enke war feig. Ich maße mir das nicht an. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass etwas so schlimm ist, dass man es nicht einmal mehr daheim mit der Familie lösen kann.

Hatten Sie Menschen, denen Sie Ihr Herz ausschütten konnten?

Kühbauer: Ich weiß mittlerweile, dass ich damals einen Fehler gemacht habe: Ich hätte mit den mir nahestehenden Menschen mehr reden sollen. Ich hätte mich mehr öffnen sollen. Heute betone ich als Trainer, dass jeder Bursche jederzeit mit all seinen Sorgen zu mir kommen kann.

Und wie fühlt es sich an, das sogenannte Traineramt?

Kühbauer: Ich wollte immer Trainer werden, mir taugt das. Die ersten zwölf Monate waren wirklich interessant. Mir geht es nicht um die Resultate, sondern darum, dass wir auf dem Rasen präsent sind. Wir spielen offensiv – und attraktiv.

Nur finden die Spiele der Admira Amateure fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt . . .

Kühbauer: Es kommen vielleicht hundert Zuschauer – die Hälfte davon sind die Eltern der Buben.

Und wie sehen Sie die Entwicklung des Nationalteams?

Kühbauer: Die jungen Spieler werden ihren Weg machen. Aber der Scharner Pauli soll in Wigan bleiben. Der bringt dem Nationalteam gar nichts. Ich gönne ihm jedes britische Pfunderl, aber das ist kein Kapitän. Mit dem Beginn der EM-Qualifikation gibt es dann kein Schönreden mehr.

Wer ist der beste heimische Kicker?

Kühbauer: Steffen Hofmann kommt in den Medien zu gut weg. In Österreich ist er top, aber eben nur bei uns. Der beste Spieler ist für mich Branko Boskovic. Und was die Stürmer betrifft, so behaupte ich, dass Naumoski ein Kandidat für einen größeren Klub wäre.

Wird Europameister Spanien nächstes Jahr auch Weltmeister?

Kühbauer: Normalerweise schon. Die spielen den Fußball, den alle spielen wollen – aber nicht können. Was mir am meisten taugt: Die besten Spieler sind die Zwergerln Iniesta und Xavi im Mittelfeld. Und ich bin auch nicht der Größte. Aber wie bei jeder WM ist auch mit Deutschland zu rechnen. Ihre gesunde Überheblichkeit bekommen die mit der Muttermilch. Gäb es dafür eine Impfung, hätten wir sie uns ja schon längst geholt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2009)

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