Wie Österreich auf eine Özil-Causa reagieren würde

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FILES-FBL-WC-2018-GER-OZIL-TURKEYAPA/AFP/PATRIK STOLLARZ
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Exklusiv: Mesut Özils Rücktritt und der Umgang mit der Erdoğan-Affäre spaltet Deutschland. Ist aber so ein Fall auch in Österreich möglich? Der ÖFB erklärt seine Vorgehensweise, Präsident Leo Windtner sieht die Spieler in der Pflicht: "Authentische Aufklärung ist zwingend nötig!"

Mesut Özil spielt nicht mehr für Deutschland. Das gab der 29-Jährige am Sonntag in einem Statement auf Instagram bekannt. Zuvor rechnete der Weltmeister von 2014 noch mit DFB, Präsident Reinhard Grindel, Medien, Sponsoren und Kritikern ab. Sein auf Englisch, über drei Seiten verfasster Abschiedsbrief setzte nach der Erdoğan-Affäre – er ließ sich im Mai mit dem im Wahlkampf auftretenden, umstrittenen türkischen Präsidenten angeblich ohne politische Intention fotografieren – prompt eine neue Welle der Empörung frei. Er hatte monatelang geschwiegen – und trat jetzt mit einem Rundumschlag ab.

Manche gaben Özil recht, langjährige Kritiker wie Uli Hoeneß („Spielte seit Jahren nur noch einen Dreck“) traten aber nach. Neutrale Beobachter schüttelten angesichts der neuen Dimension, die diese Affäre in Deutschland erreicht hat, verwundert den Kopf. Andere wähnten sich in einem "Kindergarten". Fast 100 Länderspiele hat Özil absolviert, doch erst mit seinem Abschied dokumentierte er, wie gespalten die Stimmung im DFB sein muss. Während er an Teamchef Joachim Löw, der ihn trotz interner Rauswurf-Aufforderungen im WM-Kader hielt, keine Kritik übte, attackierte Özil besonders DFB-Präsident Grindel: „Ich werde nicht länger der Prügelknabe sein für seine Inkompetenz und seine Unfähigkeit, seinen Job ordentlich zu erledigen.“

Windtner: „Authentische Aufklärung zwingend nötig“

Wäre soetwas denn in Österreich denkbar? Wie würde der ÖFB reagieren, ließe sich ein Teamspieler mit Migrationshintergrund vor einem großen Turnier mit einem umstrittenen Politiker aus dem Heimatland seiner Familie fotografieren? Gibt es Regeln, lag der Fehler allein bei Özil?

Für ÖFB-Präsident Leo Windtner ist die Sachlage klar. Die Verantwortung liegt großteils beim Spieler selbst, vor allem im Umgang mit dieser Materie. Der „Presse“ sagt der Funktionär: „Bei uns im ÖFB ist das Thema Foto im Rahmen der Teamcamps klar und straff geregelt. Da kann kein Spieler ausbüchsen, er steht dann unter permanenter Betreuung des ÖFB. Wir tragen schließlich auch die Verantwortung für Klubs, Sponsoren und uns als Verband.“

Für Angelegenheiten aber, die außerhalb eines Lehrgangs stattfinden – wie etwa bei Özil, der sich im Mai in London mit Erdoğan in einem Hotel getroffen hatte –, „haben wir keine Handhabe.“

„Mit Totschweigen ist der Sache nicht gedient“

Eigenverantwortung, es ist ein tief reichender Begriff. Windtner wollte sich auch tunlichst „nicht anmaßen, „eine Rezeptur oder Empfehlung“ abzugeben. Einen Weg nennt er dennoch, der auch für ÖFB-Angelegenheiten nun als offizielle Vorlage dient: „Solche Sachlagen lassen sich nur lösen, wenn der Spieler selbst nach vorne tritt und alles klarstellt. Es geht um authentische Aufklärung. Ansonsten geht es in zu viele Richtungen, lässt es zu viel Raum für andere Meinungen zu.“ DFB und Özil hatten geschwiegen, Offensive wäre aber die bessere Verteidigungsvariante gewesen. „Mit Totschweigen ist der Sache nicht gedient.“

Ähnlich argumentiert ÖFB-Generalsekretär Thomas Hollerer. Man habe aus der DFB-Causa sehr wohl gelernt. „Sollte Derartiges eines Tages bei uns eintreten, würden wir als ÖFB zeitnah darauf drängen, dass sich der Spieler erklärt, eine Stellungnahme abgibt. Er soll seine Motive schildern bzw. die Richtigkeit der Aufnahme bestätigen.“

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