Ajax Amsterdam, ein Fall für die Fußball-Romantiker

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Ajax Amsterdam ist krasser Außenseiter im Halbfinale und träumt nach dem 1:0-Sieg im Hinspiel bei Tottenham vom Titel. Nicht nur in den Niederlanden wird über schon verloren geglaubte Werte geschwärmt.

In Zeiten, in denen Schlagzeilen über alljährliche Millionentransfers und geplante Superligen dominieren, lässt Ajax Amsterdam das Herz der Fußball-Romantiker höher schlagen. In der zweiten Qualifikationsrunde der Champions League gestartet – übrigens gegen Sturm Graz – haben es die Niederländer als krasser Außenseiter bis ins Halbfinale geschafft und mit einem 1:0-Auswärtssieg bei Tottenham die Tür zum Finale weit aufgemacht. Donny van de Beek avancierte in London zum umjubelten Held.

„Diese Mannschaft hat die Ehre von so manchem Spitzenklub verletzt. Mit Fußball, der von Herzen kommt. Das ist ein Geschenk für den Fußball liebenden Teil der Menschheit“, schrieb die Zeitung „De Volkskrant“ und selbst im Land des unterlegenen Gegners geriet man ins Schwärmen. „Dieser jungen und furchtlosen Mannschaft zuzusehen, ist eine absolute Freude“, erklärte der „Daily Mirror“ und auch die „BBC“ lobte: „Das gesamte Ajax-Team, ist auf den alten Werten und Traditionen dieses großartigen Klubs aufgebaut: Die Entwicklung ihrer eigenen Spieler ohne verschwenderische Ausgaben, den Verkauf und dann die Reinvestition und Erneuerung.“ Mit einem geschätzten Wert von 420 Millionen Euro ist der Ajax-Kader ziemlich genau halb so viel wert wie jener von Tottenham (das selbst nicht zu den großen Einkäufer zählt), teuerster Neuzugang war Danny Blind um 16 Millionen Euro.

Ajax lässt den niederländischen „Voetbal totaal“ neu aufleben und begeistert mit seiner offensiven Spielweise: 4,1 der 17 Millionen Niederländer verfolgten die Partie im Fernsehen, nie zuvor hat ein Spiel eines nationalen Klubs so viele Menschen erreicht – auch nicht der legendäre Triumph von 1995, auf dessen Spuren die Mannschaft von Erik ten Hag nun wandelt. „Eine fantastische Leistung. Wir haben gekämpft wie Löwen“, lobte der Ajax-Chefcoach, ohne aber auf mahnende Worte zu vergessen: „Wir haben eine sehr gute Ausgangsposition, aber wir sind erst zur Hälfte durch.“ Angesichts der Tatsache, dass die Amsterdamer mit Real Madrid und Juventus Turin bereits zwei Großkaliber ausgeschaltet haben, scheint nun nichts mehr unmöglich.

Kurioserweise hat Ajax in den vergangenen Runden jeweils einen Nachteil (Heim-1:2 gegen Real, Heim-1:1 gegen Juve) im Rückspiel noch gedreht. „Ein großartiges Ergebnis“, frohlockte Matthijs de Ligt diesmal, der mit 19 Jahren und 261 Tagen zum jüngsten Kapitän in einem Halbfinale avancierte. Er kann seine Mannschaft kommenden Mittwoch vor Heimpublikum ins erste Endspiel seit 1996 führen, zudem wäre Ajax der erste Finalist seit 2004 (FC Porto gegen AS Monaco), der nicht aus den vier Topligen England, Spanien, Deutschland und Italien stammt.

„Sie haben mehr Energie gehabt, waren aktiver. Unser Spiel war nicht gut. Ich bin der Manager also übernehme ich die Verantwortung“, sagte Tottenham-Coach Mauricio Pochettino, der mit einer Fünferkette auf die falsche Taktik gesetzt hatte. „Aber wir liegen nur 0:1 zurück. Noch sind wir am Leben.“ Auch in Salzburg wird wohl den Spurs die Daumen gedrückt, denn sollte Ajax den Titel holen, wäre der CL-Fixplatz für den designierten Meister verloren

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2019)

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