Start der Bundesliga: Das "gezähmte" Feuer der Kurve

Start Bundesliga gezaehmte Feuer
Start Bundesliga gezaehmte Feuer(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Oskar Hoeher)
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Seit Jänner wird der Einsatz von Pyrotechnik im Stadion schärfer geahndet. Die Folge: Protest und noch mehr bengalische Fackeln. Mit der neuen Saison könnte aber alles etwas anders werden.

Pyrotechnik im Stadion ist eine „Unart“, zündelnde Fans zeigen „asoziales und gestörtes Verhalten“ und überhaupt: „Ein glühender Fan braucht keine brennenden Knaller.“ So äußerten sich vor etwas mehr als einem halben Jahr Georg Pangl, Vorstand der Bundesliga, sowie Innenministerin Maria Fekter zum Einsatz von bengalischem Feuer im Fansektor. Nun, rechtzeitig zum Start der neuen Bundesligasaison, klingt alles ganz anders. Für Pangl sind inzwischen die „Ultras“, der harte Kern der Fans, „ganz tolle Menschen“. Und der Sprecher des Innenministeriums, Rudolf Gollia, findet das Feuerwerk, das vor einer Woche beim Freundschaftsspiel des SK Rapid gegen den RSC Anderlecht in der Fankurve gezündet wurde, immerhin „O. k.“. Was ist da bloß passiert?

Eine kurze Rückblende: Anfang 2010 trat in Österreich das neue Pyrotechnikgesetz in Kraft, das das bestehende (und routiniert ignorierte) Verbot von Pyrotechnik im Stadion ausformulierte und verschärfte (s. Lexikon) und seitdem mit empfindlichen Strafen ahndet. Die Folge: Es wurde auf den Tribünen nicht weniger, sondern von vorsorglich vermummten Fans sogar mehr gezündet. Und aus Protest – Ultras begreifen Pyrotechnik als wesentlichen Teil der Fankultur – schlossen sich österreichweit Gruppen zur Plattform „Pyrotechnik ist kein Verbrechen“ (PikV) zusammen. Sich legal um eine Ausnahmegenehmigung für ein Spiel zu bemühen, kam nur für wenige infrage. Denn, so Sebastian Kiss, PikV-Initiator und Mitglied der Ultras Rapid zur „Presse am Sonntag“: „Die Fanvereine haben von Auflagen berichtet. Etwa, dass man die Bengalen nur vor dem Spiel zünden darf und dass jeder, der mitmacht, vorab seinen Namen angeben muss. Das ist nicht akzeptabel.“

Wiener Premiere. Nun aber scheint ein Kompromiss gefunden. Für das Spiel Rapid – Anderlecht suchte laut Polizei zum ersten Mal in Wien ein Fußballklub um eine Genehmigung für das Abbrennen von bengalischen Fackeln im Stadion bei Polizei und Stadt Wien an. Erfolgreich. Vorangegangen waren dem ein versöhnliches Treffen der Fans mit dem Bundesligavorstand, bei dem man sich auf ein Rohkonzept für legales Zünden einigte, sowie Gespräche der Bundesliga mit dem Innenministerium: „Es gibt jetzt eine Weisung des Ministeriums, solche Ansuchen wohlwollend zu behandeln“, so Pangl. Von einer solchen weiß man zwar dort nichts. Aber Gollia erläutert: „Es gab Gespräche mit verschiedenen Behörden, wie das Gesetz auszulegen ist. Die Interpretationen waren bundesweit unterschiedlich.“

Im Fall von Rapid sahen die Auflagen so aus: Die Fans mussten die bengalischen Fackeln in einem abgetrennten Bereich nahe am Zaun zünden, die Anzahl der Fackeln wurde vorab festgelegt, ein Feuerlöscher bereitgestellt. Für Andy Marek, Leiter des Rapid Klubservice, war es eine gelungene Premiere („Das gehört zur Stimmung“) und auch Kiss könnte mit dem Kompromiss leben. Vorerst. „Langfristig wollen wir aber nicht bei jedem Spiel neu um eine Genehmigung betteln müssen.“ Er wünscht sich feststehende Richtlinien und auch Pangl kann sich „eine Art Dauerauftrag“ vorstellen.

Skeptische Polizei. Deutlich skeptischer dagegen: die Wiener Polizei. Sprecher Mario Hejl glaubt nicht, dass sich die Fans zähmen lassen: „Legal zu zünden ist für die doch nicht spannend.“ Stimmt nicht, meint Kiss, weil: „Warum sollen wir sonst eine Kampagne für erlaubten Einsatz von Bengalen machen?“ Er ist auch überzeugt, dass die Fangruppen die Kurven „im Griff“ haben. Besser wäre es, denn riskant ist Pyrotechnik im Stadion natürlich. „Bengalen“ (s. Lexikon) sind zwar nicht so gefährlich wie Böller (die auch die Fanvereine verurteilen), trotzdem kam es europaweit immer wieder zu Unfällen.

Apropos Europa: Fraglich ist auch, ob man den Fans vermitteln kann, dass es hier einen Unterschied macht, ob man ein Bundesliga- oder Uefa-Spiel besucht. Uefa und Fifa verbieten nämlich Rauch und Fackeln strikt. Experten wie der deutsche Sportsoziologe Gunter A. Pilz sprechen sich deshalb für eine europaweit einheitliche Regelung und den kontrollierten erlaubten Einsatz von Pyrotechnik aus.

Pyrotechnikgesetz
Das neue Gesetz gilt seit 4. Jänner 2010 und besagt u. a.,
dass „pyrotechnische Gegenstände in sachlichem,
örtlichem und zeitlichem Zusammenhang mit Sportveranstaltungen nicht besessen und verwendet werden dürfen“.
Ursprünglich sollte
die Bestimmung nur für Fußballstadien gelten, wurde dann aber auch auf z.B. den Skisport ausgedehnt.
Die Höchststrafe liegt bei 4360 Euro (plus Stadionverbot).


Bengalisches Feuer
Die Fackeln leuchten grell und können eine Temperatur von über 2000 Grad erreichen. Sie sind schwer zu löschen und der entstehende Rauch kann die Gesundheit schädigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2010)

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