Pyrotechnik undUltrakultur gehören zusammen. Von Italien aus breiteten sich Fackeln und Rauch ab den 60ern in Europas Fußballstadien aus.
Verantwortlich dafür, dass die Pyrotechnik zum Fußball gehört, sind die Italiener. In den 60ern kam in deren Stadien die viel zitierte „Ultrakultur“ auf, bei der es grob gesagt darum geht, seinen Verein möglichst aktiv, emotional und eindrucksvoll zu unterstützen (der Begriff „erlebnisorientiert“ hatte damals noch keinen schlechten Beigeschmack). Und was lag da näher, als neben Gesängen- und Transparent- Choreografien das imposanteste Hilfsmittel einzusetzen: Feuer?
Seitdem haben sich die Ultras und mit ihnen Fackeln und Rauch im europäischen Fußball ausgebreitet (nur England mit seinem ganz eigenen Fanstil blieb eine einsame Ausnahme). Doch so gut wie überall sind bengalische Feuer & Co. im Stadion inzwischen verboten. Zumindest theoretisch, denn in der Praxis gibt es deutliche Unterschiede. Die Palette reicht von streng (Süddeutschland) über lässig (Griechenland) bis zum – wie nun in Österreich – Bemühen um kontrolliertes, legales Abbrennen (z.B. Norddeutschland, Frankreich, Norwegen). Wobei die Frage ist, ob legales Zündeln den Fans reicht. Denn bei den Ultras geht es auch um Protest, etwa gegen die Kommerzialisierung des Fußballs, die „Verleugnung der Wurzeln“. „Man will nicht, dass der Fußball zu einem Theaterbesuch wird“, sagt Gunter A. Pilz, Ultra-Experte und Professor am Institut für Sportwissenschaft an der Leibniz Universität Hannover, zur „Presse am Sonntag“. Außerdem sei das Spiel mit dem Feuer nicht nur ästhetisch zu verstehen, „es geht auch um die territoriale Eroberung des Stadions“. Und die sei vor allem bei Auswärtsspielen interessant, wenn Pyrotechnik dort verboten ist.
Scheinheiliges Verbot. Unterm Strich tritt Pilz für ein kontrolliertes Abbrennen ein, auch weil ihm ein Verbot scheinheilig vorkommt. „In Deutschland wurde die Bundesligasaison 2009/2010 mit einem offiziellen Bengalenfeuerwerk eröffnet. Was denken sich da die Fans?“ Außerdem sei Pyrotechnik tatsächlich wichtig für die Stimmung – auch jene daheim: „Wenn wir ehrlich sind, freuen wir uns alle vorm Fernseher über die tollen Bilder.“ uw
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2010)