Hooligan-Treffpunkt Kleines Berliner Derby

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Symbolfoto(c) AP (Franka Bruns)
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Nach dem Berliner Derby zwischen Hertha und Union stieg am Freitag ein zweites emotionales Ereignis. Das DDR-Relikt BFC Dynamo gegen Union Berlin, das auch als Treffpunkt für Hooligans gilt.

Das Medienecho letzte Woche war beträchtlich. Der Berliner Kurier etwa titelte: „Union, Meister der Hauptstadt." Darunter in großen Lettern: „Eisern ist geil!" Andere Tageszeitungen machten ähnlich auf. Der Derbysieg von Union Berlin gegen den größeren und reicheren West-Berliner Nachbarn Hertha BSC verdrängte am letzten Sonntag sogar die Proteste in Ägypten von den Titelseiten, wo sich immerhin gerade Teile der Regierung umgebildet hatten. Das bizarre daran ist nicht nur, dass Fußball politische Umwälzungen in den Schatten stellen kann. Obendrein war es ein Zweitligaspiel, in dem die so genannte Meisterschaft der Hauptstadt ermittelt wurde.

Des Weiteren kurios: Eine Woche später, am vergangenen Freitag, folgte das nächste Derby, ein DDR-Relikt und emotional wesentlich höher geladen. BFC Dynamo Berlin, einstiger DDR-Rekordmeister, traf auf Union Berlin II. Ein zweites Mal wurde so etwas wie die Berliner Meisterschaft ausgespielt, ein zweites Mal waren Spezialeinheiten der Polizei im Stadion und ein wieder war für so einen Terminus wie „Stadtmeisterschaft" in der Hauptstadt einer Fußballnation die sportliche Klasse verblüffend tief: Fünfte Liga. Auch dieses kleinere Derby gewann Union, jener Klub, der zu DDR-Zeiten immer hinter Dynamo blieb und für den seit der Wende Hertha BSC außer Reichweite scheint.

Für das große Derby war das Berliner Olympiastadion mit rund 75.000 Zuschauern ausverkauft, ein historisches Ereignis für eine Zweitligapartie. Schnell war die spielerisch bessere Hertha in Führung gegangen. Doch irgendwie gelangen „Eisern" Union zwei Tore, ohne eine einzige wirkliche Chance erspielt zu haben. Endstand 1:2, der Außenseiter, der seinem Ruf als Arbeiterverein an diesem Tag vor allem auf dem Rasen gerecht wurde, gewann völlig unerwartet. Jener Teil des Stadions, der mit Hertha-Fans besetzt war, leerte sich schon kurz vor Abpfiff, die rote Menge der etwa 30.000 Union-Fans eroberte das Stadion. Noch lange nach dem Spiel wurde gefeiert, als sei hier gerade, wie im Sommer 2006, jemand Weltmeister geworden.

Doch in diesem Derby ging es nicht um Hass zwischen den Vereinen. Die Fans von Hertha und Union hatten sich sogar mal gemocht, kurz vor und nach der Wende. Während aber Union jahrelang einige Klassen unterhalb von Hertha spielte, entfremdeten sich auch die Anhänger voneinander. Die Einen, Hertha, fuhren zu Auswärtsspielen nach Mailand und redeten offen von der deutschen Meisterschaft. Die Anderen, Union, kämpften in der vierten Liga gegen weitere nach der Wiedervereinigung gescheiterte ostdeutsche Klubs. So hatte sich eine starke Rivalität zwischen Hertha und Union nie aufgebaut. Höchstens eine gefühlte Arroganz von Hertha stieß den „Unionern" sauer auf.

Stasi gegen Dissidenten

Anders zwischen Union und Dynamo. Der BFC Dynamo gewann zehn mal in Folge die DDR-Meisterschaft, unter anderem, weil der Stasi-Chef Erich Mielke, der gleichzeitig Vereinsvorsitzender war, seinen Klub siegen sehen wollte. So war Dynamo landesweit nicht gerade ein Sympathieträger. Schon gar nicht für Union-Fans. Union Berlin, der kleinere Berliner Verein, konnte sich keiner politischen Unterstützung erfreuen, schöpfte vielmehr Kraft aus seinem Dissidenten-Image. Das Selbstbild der ewig „Untergebutterten" stärkte sich zusätzlich, wenn Dynamo gerade wieder einmal ein Derby durch fragwürdige Schiedsrichterentscheidungen gewonnen hatte. Weitaus weniger erfolgreich als Dynamo, ging es für Union auch einige Male in die unteren Ligen.

Die Rivalität zwischen den Vereinen blieb aber unerschütterlich. Auch und gerade nach der Wende bekriegten sich die Anhänger der beiden Klubs, die längst nicht mehr erstklassig spielten. Die größten Ausschreitungen gab es zuletzt 2006 im bislang letzten Derby, als in einer sportlich unwichtigen Partie der Oberliga Nord/Nordost, damals die vierte Klasse, das Spiel nach 75 Minuten abgebrochen werden musste. Dynamo-Anhänger hatten den Platz gestürmt und Unions Fans herausgefordert. Und noch Anfang letzten Jahres attackierten Union-Hooligans ein Hallenturnier, bei dem Anhänger von BFC Dynamo zuschauten. Generell haben beide Vereine Gruppen gewaltbereiter Fans, die immer wieder negativ auffallen. Treffen diese aufeinander, sind Ausschreitungen fast garantiert. Um Sport geht es dabei kaum.

Nicht durch Zufall war das Spiel am vergangenen Freitag zwischen dem Siebten und Achten der Tabelle, in dem es also sportlich auch auf fünftklassigem Niveau mal wieder um wenig ging, auf denselben Abend gelegt, an dem auch die Profimannschaft von Union Berlin in der zweiten Liga spielen musste. Bei allzu vielen Fans der Derbyhelden der vorigen Woche, so die Befürchtung, könnte es eskalieren. Aus Sicherheitsgründen war die Partie schon vom eigentlichen Dynamo-Stadion in Hohenschönhausen in den moderneren Jahn-Sportpark im Prenzlauer Berg verlegt worden. Rund 300 Polizisten waren vor Ort, bei 2800 Zuschauern. Viele der Besucher, so schätzte die Polizei, seien zudem keine wirklichen Fußballfans, sondern nur für Schlägereien angereist. Denn Begegnungen zwischen Dynamo und Union gelten unter Hooligans als einer der im deutschen Fußball sichersten Anlässe für Gewalt.

Auf den Rängen, wo im Zehn-Minuten-Takt Feuerwerkskörper gezündet und Richtung Spielfeld geworfen wurden, wurde teilweise tatsächlich die „dritte Halbzeit" geplant, wenn nur noch Fans gegeneinander antreten würden. Das Spiel auf dem Platz war fußballerisch unterirdisch. Bei noch weniger Torchancen als eine Woche zuvor im großen Derby schoss Union irgendwann wieder wie aus dem Nichts das einzige und entscheidende Tor. Nach dem Spiel hallte es noch lange „Scheiß Union" von der einen und „Scheiß Dynamo" von der anderen Seite. Die Union-Spieler räumten das Spielfeld allesamt innerhalb einer halben Minute. Nachdem die Fans scheinbar friedlich das Stadion verlassen hatten, stieg eine Massenschlägerei von 60 Hooligans im dunklen, unbeobachteten und nahe gelegenen Volkspark Friedrichshain, bis die Polizei schlichtete. Weitere kleinere Krawalle gab es anderswo. Mittlerweile sei man gut auf dieses Derby vorbereitet, äußerte sich die Polizei einen Tag später. Zu Festnahmen kam es diesmal nicht.
So sind die Berliner Derby-Helden aus der zweiten Bundesliga jetzt auch die „Hauptstadtmeister" der Oberliga. Auch dieses Fünftliga-Derby hat es wieder in größere Zeitungen geschafft. Die Hooligan-Begegnung der „dritten Halbzeit" hingegen endete unentschieden, und blieb weitgehend unbeachtet. Es ist ja nichts Neues.

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