Massenprozess: 93 Rapid-Anhänger vor Gericht

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Themenbild: Rapid-Fans(c) APA/HERBERT NEUBAUER (Herbert Neubauer)
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Weil Rapid-Anhänger die Fans des Stadtrivalen Austria Wien vom Westbahnhof „abholten“ – Zusammenstöße mit der Polizei inklusive – findet im Oktober eine Verhandlung wegen Landfriedensbruchs statt.

[WIEN] Fragt man den harten Kern der Rapid-Fanklub-Szene nach dem Zweck der Exkursion vom 21. Mai 2009, Ziel: Westbahnhof, bekommt man eine wenig überzeugende Antwort: Man habe die von einem Auswärtsmatch in Linz heimkehrenden Austria-Anhänger vom Bahnhof „abholen" wollen. Die Form dieses „Abholens" war einigermaßen rüde: Es gab schwere Zusammenstöße mit der Polizei, die versuchte den Bahnhof (und die Austrianer) abzuschirmen. Die Konsequenz: Ein Massenprozess wegen Landfriedensbruchs.

Also während die Justiz derzeit damit beschäftigt ist, ein Strafverfahren nach dem Platzsturm beim Derby (22. Mai, Hanappi-Stadion) vorzubereiten, ist sie in Sachen „Austrianer abholen" schon wesentlich weiter. Hier steht im Oktober (die genauen Verhandlungstage sind noch nicht fixiert) ein wahrer Monsterprozess an. Nicht weniger als 93 Beschuldigte müssen sich im größten Gerichtssaal Wiens, dem Großen Schwurgerichtssaal des Grauen Hauses (Straflandesgericht Wien), wegen Landfriedensbruches verantworten. Strafdrohung: bis zu zwei Jahre Haft. Unter den Beschuldigten befindet sich der Chef der einflussreichen Fan-Gruppierung „Ultras".
Schon jetzt blickt die Justiz diesem Großereignis mit gemischten Gefühlen entgegen, da es aus Fanzirkeln Signale gibt, zum Prozess zu kommen - und ein besonders diskret-dezentes Auftreten war zumindest den hart gesottenen Rapid-Fanklubs bisher noch selten nachgesagt worden. Aber Strafprozesse sind eben öffentlich - und der Schwurgerichtssaal bietet immerhin fast hundert Plätze.

Was schreibt nun Staatsanwalt Thomas Vecsey - ihm steht beim Prozess unter anderem der erfahrene Verteidiger Werner Tomanek (übrigens ein guter Bekannter von Ex-Rapid-Trainer Peter Pacult) gegenüber - über das viel zitierte „Abholen"? Da in der 78 Seiten starken, der „Presse" vorliegenden Anklage: „Naturgemäß entsprang dieses Vorhaben keineswegs freundschaftlicher Gesinnung gegenüber den Anhängern des FK Austria, sondern war vielmehr die jahrelange Feindschaft und die den Angeklagten gemeinsame Bereitschaft zu gewalttätigem Verhalten wahrer Hintergrund."

„Kollektive Gewaltbereitschaft"

Und weiter: „Bei dem von Aggression und kollektiver Gewaltbereitschaft getriebenem Versuch der Angeklagten und der weiteren unbekannt gebliebenen Mittätern, an den Exekutivbeamten vorbei und zu den FK Austria-Anhängern zu gelangen, kam es zu zahlreichen, in Summe schweren Sachbeschädigungen zum Nachteil der ÖBB und zu teils vollendeten, teils versuchten Körperverletzungen an einschreitenden Exekutivbeamten."

Dennoch sind damals Gewaltexzesse gegen die Polizei ausgeblieben. Da jene Rapid-Fans, die zum Bahnhof fuhren, dies mehrheitlich in zivil taten, eben um sich unauffällig sammeln zu können, waren anfänglich nur 16 Wega-Beamte im Einsatz. Diese 16 Mann standen 171 Rapidlern gegenüber. „Wenn wir sie überrennen hätten wollen . . .", heißt es seither viel sagend aus den Reihen der seinerzeit anwesenden Fanklubs. Und selbst die Polizei gesteht zu, dass es einige Fanklub-Anführer gab, die versuchten, ihre eigenen Leute unter Kontrolle zu bringen.
Zwei verletzte Beamte werden nun in der (in diesem Punkt ungenauen) Anklage namentlich genannt. Einer der beiden erlitt durch einen „eingesprungenen Fußtritt" eine Schulterprellung. Ein anderer eine Schädelprellung, weil ihn eine Tabascoflasche am Helm traf. Der Schaden der ÖBB beträgt laut Anklage 6500 Euro.

Beschuldigte aus vier Nationen

Der Prozess wird von Jugendrichterin Martina Frank geleitet werden, sie führt den Vorsitz des Schöffensenats. Es handelt sich übrigens um einen Jugendschöffensenat - dies ist obligat, da einige der Beschuldigten zur Tatzeit das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten. Frank wird es jedenfalls mit einer vielfältigen Angeklagten-Riege zu tun haben. Unter den 93 Beschuldigten - es sind durchwegs Männer - finden sich Vertreter aus vier Nationen (Österreicher, ein Pole, ein Kroate, ein Serbe), aus den unterschiedlichsten Schichten: Vom Arbeits- und Obdachlosen zum Akademiker. „Eng" könnte es für den Chef der „Ultras" werden, da dieser eine noch offene Vorstrafe, zwölf Monate Haft wegen Landfriedensbruchs, aufweist. Somit droht ihm nicht nur eine Verurteilung, sondern auch die Umwandlung der schon verhängten bedingten in eine unbedingte Strafe.

("Die Presse", Printausgabe vom 14. Juli 2011)

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