Die letzte EM-Chance ist dahin. Verbesserte Österreicher erkämpfen im ausverkauften Happel-Stadion gegen die Türkei ein Remis. Torhüter Grünwald parierte im Finish einen Elfer.
[WIEN] Vor dem Spiel der allerletzten EM-Chance sollte es noch einmal nostalgisch werden. Das lieben die Österreicher, natürlich auch die Fußballfans. Eine Ehrung für Andreas Herzog stand auf dem Programm, weil die europäische Fußball-Union alle Spieler des Kontinents eigens auszeichnet, die es auf über 100 Länderspiele gebracht haben. 103 sind es letztlich beim Unter-21-Teamchef geworden, von einigen wird er als möglichen Nachfolger von Dietmar Constantini genannt.
Mit dem 0:0 gegen die Türkei im mit 47.500 Zuschauern ausverkauften Happel-Stadion ist nun auch die allerletzte EM-Chance dahin, heute soll ein Gespräch zwischen dem ÖFB-Präsidenten und dem Teamchef stattfinden. Erst dann wird man mehr wissen.
Didi Constantini musste nach der schweren Niederlage von Gelsenkirchen reagieren, das hatte auch personelle Auswirkungen. Im Tor hieß die Nr. 1 Pascal Grünwald, Pechvogel Gratzei wollte der Teamchef nicht noch so einer Nervenschlacht ausliefern. Paul Scharner kehrte nach seiner Sperre zurück in die Elf, Ekrem Dag verdrängte Klein als Außenverteidiger. Im Mittelfeld rückte David Alaba wieder an die Flanke, Daniel Royer, der in Gelsenkirchen komplett auf Defensivaufgaben vergessen hat, wechselte die Flanke, wurde nicht mehr mit Kapitän Fuchs zusammen gespannt. Umstellungen, die der Mannschaft gut taten.
Die Österreicher waren entschlossen, sich für den blamablen Auftritt in Deutschland rehabilitieren zu wollen. Das war von der ersten Minute an spürbar. Sie erkämpften sich ein Übergewicht, versuchten, die Türken zu kontrollieren, das Match zu gestalten. In dieser Rolle tat sich vor allem Bayerns Hoffnung Alaba hervor. Gegen Özil und Co. war auch er überfordert, gestern gab er hingegen erneut eine Talentprobe ab.
Die Constantini-Truppe agierte aggressiver, bemühte sich redlich, die Räume gegen die Türken tatsächlich enger zu machen. Zu den ganz zwingenden Tormöglichkeiten aber reichte es vorerst nicht. Marko Arnautovic zeigte Bewegungswillen, ohne die Ferse beim Fußballspielen einzusetzen, geht es aber offenbar beim Exzentriker nicht. Ein Schuss nach Harnik- und Fuchs-Vorarbeit wurde im letzten Moment von den Türken noch zum Corner abgelenkt. Auch Alaba probierte es einmal - und zwar ganz alleine. Sein Solo fand letztlich keinen Abnehmer.
Zwingendere Chancen der Türken
Der Teamchef der Türkei, Guus Hiddink, wirkte in seiner Coaching-Zone relativ nervös, trabte auf und ab. Er reklamierte beim Schiedsrichter und raufte sich die Haare, wenn seine Stürmer Topchancen vernebelten. Wenn die Türken vor das ÖFB-Tor kamen, brannte aber der Abwehrhut. Doch Bulut und Yilmaz (per Kopf) sind offenbar auch nicht gerade die großen Vollstrecker.
Die Schüsse fielen allesamt zu schwach aus, wobei die Österreicher auch wussten, dass ihnen ein 0:0 so oder so nicht weiterhilft. Nach der 0:2-Niederlage in Istanbul war man klar ins Hintertreffen geraten, aber alles auf eine Karte wollte Teamchef Didi Constantini letztlich auch nicht setzen. Maierhofer, Hoffer und Junuzovic wärmten zwar brav auf, den richtigen Zeitpunkt für Auswechslungen weiß jeder Teamchef aber oft erst nach dem Schlusspfiff.
Jimmy Hoffer warf Teamchef Constantini dann in der 67. Minute doch noch in die Schlacht. Er sollte Harnik unterstützen, weil sich Arnautovic immer weiter zufallen ließ. Und sich die Ballverluste beim Werder-Legionär zu häufen begannen.
Ausgerechnet zu jenem Zeitpunkt, als Constantini auf mehr Offensive setzte, sollte den österreichischen Fans der Atem stocken. Zunächst vergab Yilmaz per Kopf die große Chance zum Führungstreffer der Türken, aber sein Kopfball-Versuch landete lediglich an der Latte. Und nur wenig später fehlten bei einem Sahin-Schuss aus größerer Distanz nicht viel.
Hektisch wurde es in der Nachspielzeit. Als Tormann Grünwald nach einem Konter der Türken Yilmaz von den Beinen holte, gab es Elfmeter. Aber der Austria-Keeper blieb cool, parierte den Strafstoß von Turan. Eine Glanztat bei seinem Team-Debüt rettete den Österreichern einen Punkt. Unterm Strich ist es aber zu wenig.
Der Stand in der EM-Gruppe:
1. Deutschland 8 8 0 0 28:5 24 2. Türkei 8 4 2 2 11:8 14 3. Belgien 8 3 3 2 16:11 12 4. Österreich 8 2 2 4 12:16 8 5. Aserbaidschan 8 2 1 5 9:21 7 6. Kasachstan 8 1 0 7 5:20 3
("Die Presse", Printausgabe vom 7. September 2011)