Prohaska: "Das hat mit Verhaberung nichts zu tun"

Prohaska Verhaberung nichts
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Herbert Prohaska ist ORF-Kommentator und Kolumnist der "Kronen Zeitung" und gilt als der einflussreichste Stimmungsmacher des heimischen Fußballs. Mit der "Presse" spricht er über Macht, Lügen und Freundschaft.

Sie sind der Meinungsmacher im österreichischen Fußball schlechthin, sind ORF-Analytiker und Kolumnist in der „Kronen Zeitung“, und haben mit der Kritik an der Bestellung von Marcel Koller als neuen Teamchef für große Aufregung gesorgt. Sind Sie sich Ihrer Macht bewusst?

Herbert Prohaska: Ich hatte eigentlich nicht vor, der Meinungsmacher in Österreich zu sein. Ich sage lediglich, was ich mir denke. Man hat mir so oft vorgeworfen, ich sei viel zu brav, viel zu gut für diesen Job. Und wenn ich einmal in einer Sache gegenteiliger Meinung bin, dann hagelt es gleich Kritik. Ich stehe zu meinen Aussagen.

Gibt es beim ORF oder der „Kronen Zeitung“ so etwas wie eine Meinungs-Direktive? Sollten Sie Kritik an Koller üben?

Ich habe Koller nicht angegriffen. Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich für eine österreichische Lösung gewesen wäre. Mein Favorit war Andreas Herzog. Und das habe ich artikuliert. Nichts anderes. Ich habe bei meinen Tätigkeiten keine Aufträge. Ich kann einen Wunsch äußern, worüber ich schreiben möchte. Oder es wird ein Beitrag bestellt. Aber in die Inhalte redet mir niemand drein. Das war immer schon so ausgemacht. Ich hatte auch ein Angebot von „Österreich“. Die hätten mir sogar um 150 Prozent mehr gezahlt. Aber ich bin lieber dort, wo ich bin.

Schreiben Sie die Texte selbst?

Ich gebe Sie telefonisch durch. Und manchmal lasse ich sie mir noch einmal vorlesen.

Was stört Sie an der Koller-Bestellung ganz konkret?

Ich habe gegen den Trainer Koller gar nichts. Aber er war offenbar der Einzige, der gesagt hat: „O.k., ich mache das mit dem Willi Ruttensteiner.“ Und Koller hat zwei Jahre lang nicht als Trainer gearbeitet. Ich bin doch kein Werbeträger des ÖFB. Ich bin ein Fan des ÖFB, ich war dort sieben Jahre. So lange war ich bei keinem Klub als Trainer beschäftigt. Aber ich hätte einen Österreicher begrüßt, weil er unseren Fußball besser kennt.

Weil man sich besser kennt? Weil man miteinander verhabert ist?

Das hat doch mit Verhaberung überhaupt nichts zu tun. Was machen denn die Bayern? Oder andere deutsche Klubs? Sie nehmen Landsleute.

Wurden Sie vom ÖFB um Rat gefragt?

Ich hatte die letzte Unterredung mit Präsident Leo Windtner, da waren die Länderspiele gegen Deutschland und die Türkei noch nicht gespielt. Mich hat niemand gefragt, aber das muss auch niemand. Ich habe vor dem Cupfinale ein Gespräch mit Willi Ruttensteiner geführt. Bei dieser Gelegenheit habe ich mich erkundigt, wie es um die Nachbesetzung des leider verstorbenen ÖFB-Nachwuchstrainers Ernst Weber aussieht. Und dabei habe ich gefragt, ob die Möglichkeit besteht, dass man eventuell beim Nachwuchs an Andreas Ogris denkt. Das war alles.

Ihren alten Austria-Freund Ogris haben Sie zuletzt auch in einer ORF-Diskussion wieder ins Spiel gebracht, ihm sogar die Befähigung als Barcelona-Trainer zugesprochen. Das war doch hart an der Groteske, oder?

Er hat die höchste Trainerlizenz. Aber ich habe nie gesagt, dass er Barcelona oder Real trainieren muss. Er könnte es, weil er die Ausbildung dazu hat. Jetzt wird alles verdreht. Willi Ruttensteiner hat gesagt, er wird an ihn denken, wird das vielleicht irgendwann berücksichtigen. Aber derzeit sei kein Platz frei, weil alles intern besetzt wird. Und dann hat man Rupert Marko geholt. Jenen Marko, der vorher bei Spielervermittlungen geholfen hat. Wie bei Jimmy Hoffer zu Neapel. Und das war bei Gott keine gute Entscheidung.

Ein kräftiger Seitenhieb auf Willibald Ruttensteiner. Ist er als ÖFB-Sportdirektor Ihrer Meinung nach zu mächtig?

Er putzt sich als Erster ab. Und er hat populistisch gehandelt. Er war der Erste, der zu Martin Stranzl nach Gladbach gefahren ist. Er war der Erste, der Andreas Ivanschitz wieder ins Team geholt hat. Und er war der Erste, der Roger Spry wieder zum A-Team gebracht hat. Ruttensteiner hat mich in der Ogris-Sache angelogen. Das ist alles. Aber noch einmal: Ich habe Ogris niemals gefordert. Ich habe nur für einen Freund ein gutes Wort eingelegt. Das wirft man mir jetzt vor? Dass ich einem Freund vielleicht ein bisschen helfen wollte? Ich wäre kein Freund, hätte ich es nicht getan.

Warum haben Sie dann in der „Kronen Zeitung“ gegen Marcel Koller und nicht auch gegen Willi Ruttensteiner angeschrieben?

Gibt es Erfolg, hat der ÖFB recht. Etwas Schöneres kann es doch gar nicht geben. Er ist Technischer Direktor, ich nur Analyst. Darauf will ich mich beschränken.

Sie wettern gegen den Teamchef, Kurt Jara fühlt sich übergangen. Ist die 1978er-Generation jetzt beleidigt?

Das ist doch alles Blödsinn. Immer kommt der Vorwurf, wir sind in Österreich alle verhabert. Und was ist mit Schöttel bei Rapid? Oder Daxbacher bei der Austria? Oder Gludovatz in Ried? Oder Kogler in Innsbruck? Die haben dort alle gespielt, die kennen alles. Wo ist das Problem? Ich bin weit davon entfernt, Cordoba zu glorifizieren. Ich habe als junger Spieler gehört, dass wir einmal WM-Dritter waren. Und heute wird das 3:2 gegen Deutschland immer wieder aufgekocht. Aber net von uns. Cordoba ist doch heute uninteressant. Viele Fans waren damals noch gar nicht auf der Welt.

Wenn Sie sich missverstanden fühlen, könnten Sie das in ihrer „Kronen Zeitung“-Kolumne doch ganz einfach klarstellen.

Sicher nicht. Dazu bin ich doch nicht wichtig genug. Ich habe als Journalist erfahren, dass ich missverstanden wurde. Das ärgert mich zwar, aber damit muss ich leben. Ich ärgere mich allerdings genauso, dass ich beim Jollyspielen gerade gegen meine Frau verloren habe.

Im Zuge der Teamchefbestellung wurde auch die österreichische Trainerausbildung kritisiert. Ried-Manager Reiter hat gemeint, in Österreich könnte es gar keinen Mourinho geben, weil er kein Teamspieler war. Hat er mit dieser Kritik recht?

Wir haben keine Lobby, haben wenige Trainer im Ausland. Reiter hat nicht ganz recht. Mir wurde beim Trainerkurs auch nichts geschenkt. Ich war damals bereits Austria-Trainer, durfte nicht einmal eine Stunde früher gehen.

Werden Sie ein Gespräch mit Marcel Koller suchen?

Nein. Warum auch? Ich werde ihn als Teamchef absolut fair behandeln. Wie die anderen auch. Otto Baric – und das war bitte kein Haberer von mir – hat sich einmal bei mir bedankt für die faire Behandlung. Und ich habe auch Didi Constantini fair behandelt. Nur manche Spieler schmeißen ihm jetzt Hackeln nach. Das tue ich prinzipiell nicht. Das ist nicht mein Stil.

Ziehen Sie Ihre Kritik zurück, wenn Koller zur WM fährt?

Noch einmal: Ich wünsche mir nichts mehr, als dass unser Team in der Qualifikation zweimal Deutschland schlägt. Dann werde ich mir nicht zu schade sein, zu sagen: „O.k., ich habe mich geirrt.“ Ich hoffe, dass Koller der Supertrainer ist, den sich alle wünschen. Und wenn er länger in Österreich arbeitet, dann wird er hier auch irgendwann seine Haberer haben.

Und jetzt werden wir wieder realistisch. Die Qualifikation für die WM in Brasilien 2014 ist doch ein Ding der Unmöglichkeit, oder?

Es kann alles passieren. Das ist der Reiz des Fußballs. Deutschland ist eine Klasse für sich, Schweden und Irland stelle ich ungefähr auf eine Stufe mit Belgien und der Türkei. Aber wir waren in Wien gegen Deutschland auch knapp dran. Ich glaube eben an das Gute. Das habe ich gegen Kasachstan auch getan. Die Kasachen haben das 0:0 als riesiges Ergebnis gefeiert, die wollten den Punkt unbedingt. Bei uns ist ein Sieg gegen Aserbaidschan nichts wert.

Was muss Marcel Koller verändern?

Ich mische mich da nicht ein. Aber personell hat er nicht viele Möglichkeiten. Er muss einmal die Spieler, die in Österreich spielen, kennenlernen. Und dann bin ich neugierig, ob ihm die Kritiker die Stange halten, wenn er nur Gruppen-Dritter oder -Vierter wird. Da bin ich schon sehr neugierig.

Es wird oft kritisiert, Österreich habe keine Spielphilosophie. Sehen Sie das auch so?

Wie sollten wir die denn haben? Wir gehören zu den Kleinen. Und das will keiner wahrhaben. Aber was macht denn die Schweiz so super? Oder Serbien? Das sind Zyklen. Da muss man eben als Österreicher geduldig sein. Wir werden auch in Zukunft nicht bei jedem Turnier dabei sein. Auch, weil immer wieder Spieler verloren gehen. Weil sie zu früh ins Ausland gehen. Es ist schwer, sich für die EM oder WM zu qualifizieren. Sauschwer sogar. Auch für einen großen Taktiker. Als Teamchef bist du in Wahrheit den Spielern ausgeliefert – und dem Fluch der Tradition.

Mit anderen Worten: dem Fluch von Cordoba ausgeliefert?

In Deutschland haben sie das Wunder von Bern zu einem Kino-Klassiker gemacht. Bei uns will man jetzt die '78er-Generation schlechtmachen. Man kann doch die Fußballgeschichte nicht einfach ignorieren! Wir können uns von Cordoba nichts kaufen, rein gar nichts. Aber das waren alles erfolgreiche Spieler, viele dann auch gute Trainer. Ich denke nur an Heribert Weber, Walter Schachner, Willi Kreuz, Josef Hickersberger, Kurt Jara oder meine Wenigkeit. Die haben alle Titel gewonnen. Aber kein Mensch fordert, dass die '78er-Generation einen Job bekommen soll. Kein Mensch. Fest steht nur, dass wir 1978, 1982, 1990 und 1998 bei der WM waren. Und in dieser Zeit drei verschiedene Klubs in vier Europacup-Endspielen hatten. Und das lasse ich mir nicht madig machen.

Der Analytiker

Aus Prohaska wurde Schneckerl
Herbert Prohaska wurde am 8. August 1955 in Wien geboren. Er wurde bei den Fans bald „Schneckerl“ (wienerisch für seine in der Jugendzeit üppige Lockenpracht) genannt.

Erfolgreiche Karriere
Als Spieler: siebenmal österreichischer Meister,viermal österreichischer Cupsieger, italienischer Meister mit AS Roma, italienischer Cupsieger mit Inter Mailand. WM-Teilnahmen: 1978 und 1982. – Als Trainer: zweimal österreichischer Meister, zweimal österreichischer Cupsieger, WM-Teilnahme 1998.

Karriere nach der Karriere
Schirmherr der zweiten Bundesliga, ORF-Analytiker, Kolumnist in der „Kronen Zeitung“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2011)

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