Ballack: Der große alte Mann des deutschen Fußballs

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Während der Kindergarten von Borussia Dortmund in der Champions League gnadenlos Lehrgeld zahlt, steht Bayer Leverkusen mit einem Bein in der nächsten Runde: Der Unterschied heißt Michael Ballack.

Wien. Zur Halbzeit hätte keiner mehr einen Cent auf Bayer Leverkusen gesetzt. Die Truppe lag im eigenen Stadion gegen den FC Valencia mit 0:1 hinten und war mit diesem Spielstand noch gut bedient. Valencia hatte Chancen für drei Tore, spielte den kreativeren, den flotteren, einfach den moderneren Fußball. Keiner weiß, was in diesen 15 Minuten in der Kabine der Werkself passiert ist. Nach dem Spiel rätselten die Kommentatoren: Was hat Leverkusen-Coach Robin Dutt da gemacht?

Arsène Wenger, der große weise Trainer des FC Arsenal, hat einmal gemeint, dass in solchen Momenten ein Trainer überhaupt nichts machen kann. Wenn die Angst in den Knochen steckt, „schauen sich die Spieler um. Und wenn dort Typen wie früher Beckenbauer, Cruyff oder Zidane neben dir sitzen, dann glaubst du daran, alles schaffen zu können.“

Es ist müßig zu diskutieren, ob man Michael Ballack mit diesen ganz Großen des Fußballs vergleichen kann. Aber was Mittwochabend wenige Minuten nach dem Wiederanpfiff passiert ist, trägt seine Handschrift. Trägt die Handschrift des großen alten Mannes des deutschen Fußballs.

In der 52. Minute erobert Ballack im eigenen Strafraum den Ball, passt blitzschnell zu Kadlec, dessen Flanke verwertet Schürrle zum 1:1.

In der 56. Minute bekommt Ballack den Ball tief in der eigenen Hälfte. Mit einem langen Pass überrumpelt er die gesamte Valencia-Abwehr, bedient Sam ideal und es steht 2:1 für Leverkusen.

„Ballack dreht das Spiel in 190 Sekunden“, titelt die „Bild“-Zeitung tags darauf. Tatsächlich spielte das 35-jährige Auslaufmodell, der ausgebootete Teamkapitän, im weiteren Verlauf der Partie spielerisch kaum noch eine Rolle. Und trotzdem war er präsent wie kaum ein anderer. Er machte die kleinen, aber so wichtigen Fouls nach Ballverlust. Er hinderte den Gegner daran, Freistöße schnell auszuführen. Schon stand er da, sperrte den Ball, gab seiner Mannschaft die nötigen Sekunden, sich wieder zu sortieren. In der zweiten Halbzeit stand die Bayer-Abwehr bombensicher.

Während Leverkusen den zweiten Sieg in der Champions League feierte und in der schwierigen Gruppe mit Chelsea und Valencia nun mit dem Aufstieg liebäugelt, holte sich Dortmund Mittwochabend bei Olympiakos Piräus eine bittere 1:3-Abfuhr. Der deutsche Meister muss das Unternehmen Champions League vorzeitig abhaken. Ein Punkt aus drei Spielen. Niederlagen gegen Klubs, die objektiv schwächer sind. Rätselraten bei Trainer Jürgen Klopp.

Es gibt zumindest eine Ursache, warum Dortmund versagt und Leverkusen besteht: Michael Ballack hat am Mittwoch sein 90. Champions-League-Spiel absolviert. Er hat dreimal mehr Spiele in der Königsklasse in den Beinen als der gesamte Dortmund-Kader. Er ist nicht so schnell, er spielt nicht so modern wie Götze, Großkreutz und Co. Aber Ballack geht mit einem niedrigeren Puls aufs Feld.

90 Spiele in der Königsklasse

Im Verein ist Ballack mit seiner Erfahrung in internationalen Bewerben unersetzlich. In der Nationalmannschaft bekanntlich nicht. Da gibt es einen Bastian Schweinsteiger, der mit 27 Jahren bereits 90 Teameinsätze, zwei Welt- und zwei Europameisterschaften und darüber hinaus 57 Champions-League-Spiele absolviert hat.

Mit seinem unrühmlichen Abgang aus der Nationalmannschaft hat sich einer der bedeutendsten deutschen Fußballspieler selbst am meisten geschadet. Plötzlich stand nicht mehr der Sportler Ballack im Mittelpunkt, sondern die alternde Diva. Die beleidigte Leberwurst. Aus dem Superstar war ein Hanswurst geworden. Zuletzt zerriss sich der Boulevard nur noch über sein Privatleben das Maul. Als Ende August Ballacks Ehe zu Bruch ging, da war er wieder eine Schlagzeile wert. Eine Schlagzeile voller Spott. Ganz nach dem Motto: Nun wirft ihn auch Ehefrau Simone aus dem Kader.

Bayer-Trainer Robin Dutt hat Michael Ballack nicht aussortiert. Er nahm ihm die Kapitänsschleife nicht ab. Am Mittwoch ließ er Ballack sogar durchspielen. Nach dem Sieg umarmte er Ballack demonstrativ.

Als im Februar vorigen Jahres Arsenal-Coach Arsène Wenger nach einer 0:2-Niederlage mit dem Schicksal haderte, weil seine Mannschaft den schöneren Fußball gespielt und trotzdem verloren hatte, bekam er von einem Spieler der gegnerischen Mannschaft einen Satz um die Ohren gehauen. „Fußball heißt, Spiele zu gewinnen“, sagte Michael Ballack, damals noch im Trikot des FC Chelsea.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2011)

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