Wiener Derby: Weltuntergang gegen Übermut

Wiener Derby Weltuntergang gegen
Wiener Derby Weltuntergang gegen(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Nicht einmal die Rapid-Fans glauben an einen Sieg beim 299. Wiener Derby. Während in Hütteldorf Krisenstimmung herrscht, ist man in Favoriten fast zu siegessicher.

Es ist fast ein wenig schockierend. Auf der Rapid-Homepage durften die Fans dieser Tage abstimmen, ob ihre Mannschaft gegen die Austria gewinnt. Das Ergebnis: 47 Prozent stimmten mit „Ja“, 14 Prozent erwarten ein Unentschieden und 39 Prozent haben längst alle Hoffnung aufgegeben. Diese Umfrage unter eingefleischten Rapid-Fans spiegelt die Situation des Klubs wider. Die Stimmung ist trostlos. So mies konnte die Mannschaft in der Vergangenheit nicht sein, dass mehr als die Hälfte der Fans nicht an einen Sieg gegen den Erzrivalen glaubten. Der Glaube an Grünweiß ist ins Wanken geraten. Eine Entwicklung, die der Klub mit anderen Religionsgemeinschaften teilt.

Rapid-Trainer Peter Schöttel spricht sogar von einer „Weltuntergangsstimmung“ in Hütteldorf. Diese sei allerdings nicht angebracht. „Wir sind immer noch Vierter.“ Die Austria liegt hinter der Admira auf Platz zwei, vier Punkte vor Rapid.

Tatsächlich trennen die Klubs spielerisch Welten. Rapid bot zuletzt Fußball zum Abgewöhnen. Gegen Abstiegskandidat Wiener Neustadt reichte es vor eigenem Publikum nur zu einem 1:1. „Für uns spricht, dass wir nicht so schlecht sind, wie wir in den letzten Wochen dargestellt wurden. Wir haben eine gute Mannschaft, aber noch nicht die richtige Mischung gefunden, auch weil wir viele Verletzte haben und hatten.“ Selbst Schöttels Durchhalteparolen klingen zahm. Tatsächlich hat keine der Neuverpflichtungen bisher aufzeigen können. Harald Pichler hat der Abwehr keinen Deut mehr an Stabilität verliehen. Aus Thomas Prager wird wohl nie ein Ersatz für den alternden „Fußballgott“ Steffen Hofmann. Und aus dem einst so torgefährlichen Stürmer Deni Alar wird ohnehin keiner schlau. Seit er das Rapid-Trikot trägt, weiß er nicht, wie man Tore schießt.


Die beste Austria seit Jahren. Die Wiener Austria schießt Tore am Fließband. Und das, obwohl der Torschützenkönig der vergangenen Saison meist auf der Bank sitzt. Roland Linz ist für Karl Daxbacher mittlerweile nur zweite Wahl. Womöglich auch heute gegen Rapid? Linz ist ein schwieriger Typ. Besonders schwierig kann er sein, wenn der vor Selbstvertrauen strotzende Leobener nicht zum Zug kommt. „Ein Roland Linz auf der Bank ist möglicherweise gefährlicher als elf Rapidler auf dem Feld“, raunen Kenner der violetten Befindlichkeiten.

Trotzdem: Die Austria spielt den besten Fußball seit Jahren. Das hängt nicht nur an Spielgestaltern wie Nacer Barazite und Zlatko Junuzovic. Was die Arbeit von Trainer Karl Daxbacher auszeichnet: Sogenannte Mitläufer wie Florian Klein und Markus Suttner entwickeln sich konstant weiter. Vor allem Klein spielte in der Europa-League gegen den AZ Alkmaar eine souveräne Partie. Er spielt einen modernen Außenverteidiger, der nicht nur ausputzt, sondern das Angriffsspiel eröffnet.

Was heißt modern? Einen modernen, offensiven Außenverteidiger haben bei der Austria schon die Amateure tagtäglich vor Augen. In Gestalt von Kotrainer Robert Sara. Der spielte diese Rolle schon lange bevor Philipp Lahm, Sergio Ramos oder Patrice Evra geboren wurden.

„Wir wollen wieder ein Fest feiern“, sagt Austria-Vorstand Markus Kraetschmer. Nur 1200 Rapid-Fans sind zum 299. Wiener Derby zugelassen. Anders als bei Rapid herrscht in den violetten Fan-Foren kolossale Stimmung. Da will man die Rapidler nicht nur aus dem Stadion schießen, sondern „singen“.

Sieht so aus, als könnte sich die Austria heute nur selber schlagen. Auch dafür ist sie immer wieder gut.

Derby in Zahlen

298Mal
trafen die Wiener Austria und Rapid bisher aufeinander. 124 Spiele gewannen die Hütteldorfer, 109 die Favoritner, 65 Partien gingen unentschieden aus. Rapid erzielte dabei 567, die Austria 484 Tore.

1200Rapid-Fans
werden heute beim 299. Wiener Derby in der Generali Arena (16 Uhr, live ORF eins, Sky) zu Gast sein. Aus Sicherheitsgründen wollte die Austria den gegnerischen Fans nicht mehr von den insgesamt 12.500 Karten zukommen lassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2011)

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