Krawalle nach Fußballmatch: 71 Tote in Ägypten

Krawalle nach Fussballmatch Tote
Krawalle nach Fussballmatch Tote(c) REUTERS (STRINGER)
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Nach einem Fußballmatch stürmen Fans in der Suezkanal-Stadt Port Said das Spielfeld. 71 Menschen sterben, viele werden tot getrampelt. Spieler erheben schwere Vorwürfe gegen die Sicherheitskräfte. Die Polizei nimmt 47 Verdächtige fest.

Kaum hatte der Schiedsrichter die Erstliga-Partie zwischen dem Außenseiter Masry von Port Said und dem Favoriten Ahly aus Kairo abgepfiffen, verwandelten tausende Masry-Fans das Stadion binnen Minuten in eine Hölle. Trotz eines 3:1 Sieges ihrer Mannschaft stürmten sie das Spielfeld. Steine und Flaschen flogen, Feuerwerkskörper wurden gezündet. Fernsehbilder zeigten die rot gekleideten Ahly-Spieler in Panik in die Kabine fliehen, hunderte Menschen prügelten wild aufeinander ein.

Die Live-Übertragung des ägyptischen Staatskanals zeigte, dass die schweren Krawalle zwischen den Fans beider Vereine in dem Stadion der Küstenstadt noch mindestens eine Stunde weitergingen. Die wenigen Trupps der schwarz gekleideten Sonderpolizei wirkten völlig überrascht und hilflos, später war von den Beamten nichts mehr zu sehen.

47 Verdächtige verhaftet

Nach offiziellen Angaben sind 71 Menschen ums Leben gekommen. Über tausend Menschen wurden verletzt. Am Donnerstag wurden mehr als 300 Personen noch immer in Krankenhäusern medizinisch betreut.  Es war die schwerste Fußball-Katastrophe in der Geschichte Ägyptens. Viele Opfer wurden tot getrampelt oder erstickten, weil sie von der rasenden Menge zu Tode gequetscht worden waren. Andere starben an schweren Kopfverletzungen und Stichwunden.

Der Chef des Militärrats, Mohammed Hussein Tantawi, kündigte eine Untersuchung der Vorfälle an. Nach Worten von Innenminister Mohammed Ibrahim wurden bereits 47 Verdächtige festgenommen. Sowohl das Parlament als auch die Regierung sollten am heutigen Donnerstag zu einer Krisensitzung zusammenkommen. Der Chef der Sicherheitskräfte in Port Said wurde entlassen. Eine dreitägige Staatstrauer wurde angeordnet.

Die bei der jüngsten Parlamentswahl siegreichen Muslimbrüder machten Anhänger von Ex-Präsident Hosni Mubarak für die Ausschreitungen verantwortlich. Die Ereignisse in Port Said seien geplant gewesen, erklärte der Abgeordnete Essam al-Erian. Sie seien eine "Botschaft der Anhänger des alten Regimes". Mubaraks Sturz jährt sich kommende Woche zum ersten Mal.

Auch im Kairoer Fußballstadion beim Spiel des zweiten Kairoer Erstligisten Zamalek gegen Ismailia randalierten die Fans in der Halbzeitpause und steckten Teile des Stadions in Brand. Das Spiel wurde daraufhin auf Verlangen der Spieler beim Stand von 2:2 abgebrochen. Das Feuer konnte gelöscht werden, ohne dass Menschen zu Schaden kamen. Noch am Abend setzte der Präsident des ägyptischen Fußballverbandes alle Spiele der ägyptischen Erstliga bis auf weiteres aus.

"Polizei hat uns im Stich gelassen"

Die Ahly-Spieler verbarrikadierten sich im Stadion von Port Said in ihrer Kabine und flehten in frenetischen Handyanrufen um Hilfe vor dem rasenden Mob. „Die Polizei ist weg, sie hat uns im Stich gelassen, niemand schützt uns mehr. Ein Fan ist im Umkleideraum gerade vor meinen Augen gestorben", schrie Mannschaftskapitän Mohamed Abou-Treika in einem Anruf bei einem Sportradio-Sender. „Das hat mit Fußball nichts zu tun. Das ist Krieg und die Menschen sterben vor unseren Füßen."

Mittelfeldspieler Mohamed Barakat, der selbst eine Schlagverletzung erlitt, berichtete „in den Gängen liegen überall Leichen, alle Sicherheitsleute und Soldaten sind verschwunden." Die Umkleidekabine habe sich in ein Leichenhaus verwandelt, sagte Ahly-Torwarttrainer Ahmed Nagy.

Am Abend kündigte der herrschende Militärrat an, zwei Militärflugzeuge nach Port Said zu schicken, um die Spieler von Ahly abzuholen. Ihre Mannschaft zählt zu den bekanntesten und erfolgreichsten Vereinen Ägyptens und war in der Ersten Liga seit November 2010 ungeschlagen. Erst vor drei Wochen hatte das Team ein Freundschaftsspiel in Qatar gegen den vielfachen deutschen Meister Bayern München knapp mit 1:2 verloren.

Post-Revolutionärer Frust

Die schweren Krawalle sind Indikator für eine zunehmend gereizte Stimmung im post-revolutionären Ägypten. Hunderttausende Menschen haben ihre Arbeit verloren, die Wirtschaft kommt auch ein Jahr nach dem Sturz von Hosni Mubarak nicht auf die Beine. Die Frustration in der Bevölkerung wächst und entlädt sich immer häufiger in schweren Gewalttaten, bei politischen Demonstrationen sowie in den Fußballstadien des Landes.

(Ag./Red.)

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