Die Verwandlung des Marko Arnautović

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Rekordspieler unter Marcel Koller, Toptorjäger bei Stoke City: Marko Arnautović hat, vor den Trümmern seiner Karriere stehend, eine erstaunliche Entwicklung vollzogen. Er sagt: „In England wurde ich zum Leben erweckt.“

Stegersbach. Gespräche mit Marko Arnautović haben meist hohen Unterhaltungswert. Der 26-Jährige ist stets ehrlich, direkt und authentisch, manchmal sogar unfreiwillig komisch. „Die anderen waren nur fünf Minuten da“, bemerkt Arnautović Donnerstagmittag beim Pressetermin im burgenländischen Stegersbach. Die anderen, das sind in diesem Fall Robert Almer und Guido Burgstaller. Auch sie haben etwas zu sagen, allerdings nicht so viel wie Arnautović. Der England-Legionär ist für Medien ein Filetstück. Er lässt sich „verkaufen“, klopft Sprüche – auch diesmal.

Dabei hat der Marko Arnautović von heute kaum noch etwas mit jenem von vor einigen Jahren zu tun. Im Sommer 2013 stand der Wiener in Bremen vor den Trümmern seiner Karriere. Der Exzentriker hatte in Deutschland weniger mit Toren denn mit Eskapaden Aufmerksamkeit erregt. Auseinandersetzungen mit der Polizei und Teamkollegen, nächtliche Ausflüge in Diskotheken und Kontroversen mit Vereinsverantwortlichen hatten sein Image als Bad Boy verstärkt. Arnautović war das Liebkind des Boulevards.

Am Scheideweg stehend wollte Arnautović nichts wie weg aus Deutschland, ein neues Leben als Fußballprofi beginnen. Stoke City, ein Mittelklasseverein der Premier League, schien ihm die richtige Adresse für dieses Vorhaben. Die Potters überwiesen 2,8 Millionen Euro nach Bremen, wohl nicht restlos davon überzeugt, dass der einst Hochgelobte so viel Geld auch wirklich wert sei. Seitdem hat sich die Aktie Arnautović prächtig entwickelt, der aktuelle Marktwert beläuft sich auf kolportierte acht Millionen Euro.

Kollers Lieblingsschüler

In England ist Arnautović in bald drei Jahren kein einziges Mal negativ aufgefallen, Schlagzeilen macht er nur noch durch Tore und Vorlagen. Diese Saison brachte es der Flügelstürmer in 28 Meisterschaftsspielen auf 14 Scorerpunkte (zehn Tore, vier Assists). Sein Vertrag bei Stoke City hat bis Sommer 2017 Gültigkeit, doch längst sollen ihn auch andere Vereine auf dem Wunschzettel haben. „Was nach der Saison passiert, weiß keiner“, sagt Arnautović. Was er allerdings weiß, ist, wem gegenüber er zu Dank verpflichtet ist. „Stoke hat mich aus Deutschland geholt. Von dort, wo ich nicht glücklich war. Sie haben mich zum Leben erweckt.“

Arnautović ist nicht nur in England eine feste Größe, unter Marcel Koller ist er der am häufigsten eingesetzte Spieler im Nationalteam (35 Spiele, 33 Einsätze). Der zweifache Familienvater („Ich habe jetzt eine andere Verantwortung“) spürt und schätzt das Vertrauen, „aber ich zahle es auf dem Platz auch zurück“.

Koller, so Arnautović, sei für den ÖFB ein Heiligtum, ein Goldschatz, sein Anteil am Erfolg gewaltig. „Er redet viel mit uns, versucht jedem zu helfen und behandelt jeden gleich. Er ist wie der Vater einer Familie.“ Die Vertragsverlängerung des 55-Jährigen hat Arnautović nicht überrascht, er hat sie regelrecht erwartet. „Er ist glücklich und wir sind glücklich.“

Das Spiel gegen Albanien in Wien am Samstag (17.30 Uhr, live ORF 1) dient als erster von vier Testläufen für Frankreich, über die EM möchte Arnautović noch nicht sprechen. „Ihr könnt nicht erwarten, dass wir sagen: Wir werden Europameister!“ Gewiss ist: Die EM ist der Weg, nicht das Ziel. „Wir haben gerade erst begonnen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2016)

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