Die EM wird für Österreichs Elf zur Reifeprüfung. Jeglichen Zweifeln zum Trotz gilt es, auf höchster Ebene zu reüssieren. Zlatko Junuzović versichert: „Wir werden bereit sein.“
Wien. Fast auf den Tag genau neun Monate sind vergangen, seitdem sich Österreichs Nationalmannschaft durch ein furioses 4:1 in Schweden erstmals aus eigener Kraft für eine Fußballeuropameisterschaft qualifiziert hat. Dem Sieg folgte landesweiter Jubel, das ÖFB-Team wurde über Nacht sogar zum EM-Geheimfavoriten deklariert. Die fünf Testspiele nach der Qualifikation verliefen allerdings wenig erbaulich, Euphorie und Zuversicht sind dadurch ein Stück weit verflogen. Und doch ist die Vorfreude auf die am Freitag mit dem Eröffnungsspiel zwischen Frankreich und Rumänien (21 Uhr, live in ORF eins) beginnende Euro groß. Dann hat das Warten für Teamchefs, Spieler, Fans und Journalisten endlich ein Ende.
Am Mittwoch kam die rot-weiß-rote Equipe dem Großereignis wieder etwas näher. Per Sonderflug hob die Mannschaft in einem Airbus A320 um 13.05 Uhr mit 25-minütiger Verspätung nach Avignon ab. Für die Verzögerung verantwortlich war Martin Harnik. Der gebürtige Hamburger – er feiert morgen seinen 29. Geburtstag – hatte seinen Reisepass im Hotel vergessen. Vom Flughafen Avignon ging es schließlich per Bus weiter nach Mallemort, wo der ÖFB-Tross unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen während der Endrunde wohnt und trainiert.
Die Österreicher sinnen auf einen möglichst langen Aufenthalt in der Provence, das Auftaktspiel gegen Ungarn am 14. Juni in Bordeaux wird dabei zum Gradmesser. „Das wird eine sehr, sehr wichtige Partie“, erklärte Zlatko Junuzović vor dem Abflug und gestand: „Wir sind froh, dass es bald losgeht. Die Anspannung kommt langsam auf, es kribbelt.“
Die verbleibenden Tage in Mallemort bis zum Auftakt gegen die Magyaren gelten der Akklimatisierung und der gezielten Vorbereitung auf den ersten Höhepunkt. „Wir werden auf den Punkt bereit sein“, versicherte Junuzović, der die aufgekommenen öffentlichen Zweifel nach den doch enttäuschenden Testspielen gegen Malta (2:1) und die Niederlande (0:2) nicht teilte. „Wir haben eine gute Mannschaft, die guten Fußball spielen kann. Mit diesem Verständnis gehen wir in unsere Spiele. Wir wollen so oft wie möglich gewinnen.“ Auch Robert Almer, gegen die Niederlande am zweiten Gegentor maßgeblich beteiligt, blickt der EM entspannt entgegen. Testspiele müsse man nicht überbewerten, außerdem „haben auch andere Teams, die bei der Euro dabei sind, Vorbereitungsspiele verloren. Wir haben alles analysiert, ich mache mir keine Sorgen.“
Uralt-Marke
Für Almer, der als einziger Spieler aus dem 23-Mann-Kader in der heimischen Bundesliga bei Austria Wien sein Geld verdient, bietet das Spiel gegen Ungarn einen zusätzlichen Reiz. Der Steirer könnte als erster ÖFB-Torhüter seit Friedl Koncilia vor 34 Jahren (2:0 gegen Algerien bei der WM 1982) ein Endrundenspiel ohne Gegentor bestreiten. In den zwölf folgenden Turnierpartien von zwischen 1982 und 2008 hatte Österreichs Mannschaft stets zumindest einen Treffer hinnehmen müssen.
Almer, der in der EM-Qualifikation einen neuen österreichischen Nationalteamrekord von 603 Pflichtspielminuten ohne Gegentreffer markierte, sagte: „Wenn wir gegen Ungarn 4:3 gewinnen, soll es mir auch recht sein.“ Nervös ist der 33-Jährige noch nicht. „Die Anspannung kommt wohl erst Richtung Spieltag.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2016)