Österreicher wegen EM-Randalen in Marseille festgenommen

Auch im Stadion von Marseille kam es nach Spielende zu Gewalt
Auch im Stadion von Marseille kam es nach Spielende zu GewaltREUTERS
  • Drucken

Die Polizei nahm wegen Prügeleien nach dem Spiel Russland-England zehn Personen, auch einen Österreicher fest. Der russische Verband rechnet mit Strafen.

Brutale Gewalt überschattet den EM-Auftakt in der südfranzösischen Hafenmetropole Marseille: Bei Zusammenstößen zwischen Fangruppen vor dem Europameisterschaftsspiel England gegen Russland (1:1) sind am Samstag mindestens 31 Menschen verletzt worden. Ein britischer Fußball-Fan schwebt nach Angaben von Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve in Lebensgefahr. Auch in Nizza gab es sieben Verletzte.

Der Sprecher des französischen Innenministeriums, Pierre-Henry Brandet, bestätigte am Sonntag der französischen Nachrichtenagentur AFP die Festnahme eines Österreichers. Unter den weiteren neun Personen, die die Polizei festgesetzt hat, sind demnach außer Engländern und Russen auch Franzosen sowie ein Deutscher. Der Internationale Fußball-Verband verurteilte die Ausschreitungen scharf. "Jede Form der Gewalt" bei Fußball-Spielen sei "absolut inakzeptabel", schrieb die FIFA. Bei den Hooligans handle es sich um eine "Minderheit idiotischer Krawallmacher, die nicht mit dem Fußball und ihren wahren Fans zu tun haben". 

Das französische Innenministerium hat den Vorwurf mangelnder Vorbereitung auf Gewalt von Hooligans zurückgewiesen. Sprecher Henry-Pierre Brandet betonte am Sonntag, dass die Behörden zahlreiche vorbeugende Maßnahmen ergriffen hätten. So habe die britische Regierung vor der EM 3000 Hooligans ihre Pässe abgenommen.

Frankreich habe im Gegenzug Einreiseverbote gegen 3000 Menschen verhängt. "Wenn es ein Scheitern gibt, ist es ein Scheitern des Fußballs, der ganz klar zeigt, dass er noch an einem Teil seiner Fans krankt", sagte Brandet dem Sender BFMTV. "Leider sind alle internationalen Turniere seit fast 30 Jahren von Zusammenstößen zwischen Fans besudelt - das war auch bei der EM 2012 der Fall." Russlands Sportminister Witali Mutko beklagte dagegen unzureichende Sicherheitsmaßnahmen. "Man muss solche Spiele gut organisieren und die Fans (im Stadion) trennen", sagte er Moskauer Medien zufolge.

ÖFB hat keine Bedenken wegen Österreich-Fans

Bestürzung herrschte am Sonntag auch im Lager des österreichischen Teams. "Wir hätten nicht erwartet, dass solche Zustände auftreten", erklärte ÖFB-Präsident Leo Windtner am Sonntag im Teamcamp in Mallemort gegenüber Journalisten.  "Das können wir am wenigsten brauchen, wenn die Sicherheitslage ohnehin angespannt ist, dass auch noch Fan-Krawalle zu einer Verschärfung beitragen", betonte Windtner. 

Nach den Anschlägen von Paris und Brüssel hatten in den Wochen und Monaten vor EM-Start Bedenken wegen möglichem islamistischem Terror die Sicherheitsüberlegungen dominiert. Ob dadurch die Hooligan-Problematik zu sehr in den Hintergrund gedrängt worden sei, wollte Windtner nicht beurteilen. "Das kann sein", sagte der Verbandschef.

Bezüglich der tausenden Fans, die das österreichische Nationalteam nach Frankreich begleiten, hat Windtner ein gutes Gefühl. "Ich habe keine große Sorge hinsichtlich des Verhaltens der österreichischen Fans", sagte der ÖFB-Präsident. "Ich glaube, dass wir keine Probleme machen. Wir haben wirklich einen guten Ruf."

UEFA untersucht Vorgänge

Die Disziplinarkommission der UEFA hat nach den Ausschreitungen im Stadion Ermittlungen aufgenommen. Das bestätigte die Europäische Fußball-Union (UEFA) Sonntagfrüh. Augenscheinlich gingen russische Anhänger auf englische Fans los, die in benachbarten Blöcken saßen, und prügelten wild auf diese ein. Dabei flüchteten die Attackierten sogar über Zäune bis in den Innenraum der Arena. Über genaue Inhalte der Ermittlungen machte die UEFA vorerst keine Angaben.

Russland Fußball-Verband (RFS) rechnet mit Konsequenzen. "Wir werden von der UEFA bestraft werden, so verstehe ich es. Wir haben uns falsch benommen", betonte Russlands Sportminister Witali Mutko, der auch RFS-Präsident ist, in Moskau in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur R-Sport. Gleichzeitig kündigte er Untersuchungen der Vorfälle auch von russischer Seite an.

Randale in der Stadt

An den gewalttätigen Auseinandersetzungen vor dem Match in Marseille waren neben englischen und russischen auch französische Randalierer beteiligt. Sechs Krawallmacher wurden festgenommen. Drei Polizisten wurden bei den Einsätzen leicht verletzt, wie der Polizeipräfekt von Marseille, Laurent Nunez, dem Sender BFMTV sagte.

Auf dem Weg zum Stadion kam es bereits vereinzelt zu Konflikten, Nach dem Spiel blieb es zunächst rund um das Stadion sowie im Zentrum von Marseille ruhig. Auf Fernsehbildern war vor dem Spiel zu sehen, wie Anhänger beider Teams mit großer Brutalität mit Stühlen, Metallstangen und anderen Gegenständen aufeinander losgingen. Sechs Krawallmacher wurden festgenommen.

Nach ersten Zusammenstößen in den vergangenen Tagen hatte die Polizei angekündigt, weiter hart bei Ausschreitungen durchzugreifen. In Marseille seien 1200 Polizisten mobilisiert, sagte Polizeipräfekt Nunez. Für mögliche weitere Provokationen kündigte er an: "Wir werden sehr konsequent vorgehen."

Kritik von Spielerfrau

Die Ehefrau von Englands Stürmer Jamie Vardy hat der französischen Polizei schwere Vorwürfe gemacht. "Das war eine der schlimmsten Erfahrungen jemals bei einem Auswärtsspiel! Ohne Grund mit Tränengas beschossen, eingesperrt und behandelt wie Tiere", twitterte Rebekah Vardy in der Nacht auf Sonntag.

Sie bezog sich damit auf Vorkommnisse vor dem Spiel, als die Polizei offenbar nach Auseinandersetzungen von englischen und russischen Anhängern in Stadionnähe Tränengas eingesetzt hatte. "Es gab dazu keinen Grund. Es gab dort keinen Ärger. Die Polizei war eine Schande", sagte Rebekah Vardy der Boulevardzeitung "The Sun" (Sonntag).

"Die große Mehrheit hatte eine großartige Zeit"

Kevin Miles, Chef der englischen Fanvereinigung, sagte am Samstag dem englischen Sender Sky Sport News, es gehe um eine Minderheit der Fans. "Die große Mehrheit hat eine großartige Zeit, sie sind laut, haben eine Party und genießen das tolle Wetter."

Miles sieht englische Fans auch als Opfer von Attacken. "Es waren Gruppen von Einheimischen und Gruppen von Russen, die hierherkommen und die Gewalt gestartet haben", sagte Miles. Einige Engländer hätten sich verteidigt. Auch Alkohol spiele dabei eine Rolle. "Es gibt englische Fans, die deutlich zu viel getrunken haben und nicht wissen, wie sie sich in solchen Situationen verhalten sollen."

Randale englischer Fans hatte es ebenfalls in Marseille während der Weltmeisterschaft 1998 gegeben. Damals hatten sich zumeist betrunkene Anhänger der Three Lions über zwei Tage heftige Auseinandersetzungen mit einheimischen Jugendlichen und tunesischen Fans geliefert. Dutzende Menschen wurden verletzt.

(APA/dpa/Reuters/AFP)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Euro 2016

Das ungelöste Hooligan-Problem

Frankreich verschärft Maßnahmen gegen Randalierer, fällt erste Urteile und prüft nun sogar Abschiebungen. Die Kritik an Polizei und höchst mangelhaften Ordnerkontrollen wird jedoch lauter.
Euro 2016

Eine deutliche Botschaft

Die Ausschlussandrohung ist unmissverständlich, deren Umsetzung wäre historisch.
Fußball-International

Ost-West-Konfrontation auf dem Fußballfeld

Die Disziplinarkommission der Uefa hat Russland für Fanausschreitungen im Stadion von Marseille bestraft. Erst im Wiederholungsfall erfolgt der Turnierausschluss, eine Geldstrafe von 150.000 Euro wirkt kaum abschreckend.
Russische Fußballfans werden von der Polizei in Marseille in Gewahrsam genommen.
Fußball-International

Polizei stoppt Bus und nimmt 43 russische Fans in Gewahrsam

Die Polizei hält einen russischen Fanbus in Marseille an. 43 Personen sollen zu den Krawallen vom Samstag befragt werden.
Euro 2016

Russland: EM-Ausschluss auf Bewährung und Geldstrafe

Sollte es wieder zu Ausschreitungen von russischen Anhängern kommen, wird die Mannschaft aus dem Turnier ausgeschlossen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.