ÖFB-Team: Mit Leidenschaft und besonderem Geschick

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Zlatko Junuzović nimmt eine zentrale Rolle im österreichischen Spiel ein und ist womöglich der am schwersten zu ersetzende Spieler. Den Anpfiff gegen Ungarn kann der 28-Jährige kaum noch erwarten, er versichert: "Wir brennen!"

Zlatko Junuzović erscheint etwas verspätet, aber entspannt im separaten Interviewraum des ÖFB-Medienzentrums in Mallemort. Der 28-Jährige ist per se kein Unruheherd, im Gegenteil. Junuzović steht für Gelassenheit und Souveränität. Eigenschaften, die er auch in sein Spiel einbringt. Der Bremer ist Denker und Lenker im ÖFB-Team, die Schaltzentrale und damit vielleicht sogar der am schwersten zu ersetzende Spieler in der Équipe von Marcel Koller. Lob nimmt der Bremen-Legionär zwar dankend an, dennoch gewinnt man als Beobachter rasch den Eindruck, es sei ihm etwas unangenehm. Junuzović ist niemand, der sich in den Vordergrund drängt. Er scheut das Rampenlicht nicht, sucht es allerdings genauso wenig.

Zahllose Spieler verstehen die Europameisterschaft in Frankreich als besondere Bühne, sie wittern die große Chance auf ihren Durchbruch oder den millionenschweren Transfer im Sommer. Auch Junuzović wird ein solches Geschäft zugetraut, nach vier Jahren in Bremen scheint die Zeit reif für eine Veränderung. Der Hauptdarsteller relativiert: „Ich habe nie gesagt, dass ich die Euro als Bühne nutzen möchte. Natürlich will ich Leistung zeigen, aber in erster Linie, weil ich dem Team helfen möchte.“ Julian Baumgartlinger muss sich mit Wechseleventualitäten nicht beschäftigen. Er hat seine Zukunft schon in der Vergangenheit geklärt, unterschrieb bei Bayer Leverkusen einen Vierjahresvertrag.

Was für Junuzović gilt, das gilt überwiegend auch für Baumgartlinger. Der Salzburger, ebenfalls 28, ist das Gegenteil eines Selbstdarstellers. Höchste Priorität genießt stets die Leistung der Mannschaft, nie die eigene. Unüberlegte Aussagen hört man von diesem Duo keine, schon eher analytische. Natürlich hat das ÖFB-Team die ersten Spiele dieser Endrunde interessiert verfolgt. Baumgartlingers Fazit: „Tempo und Intensität sind hoch, jeder will zunächst unbedingt die Null halten.“

Reservisten und Legenden

Eine kompakte Defensive ist auch von Ungarn zu erwarten, am Dienstag startet Österreich in Bordeaux gegen die Magyaren in die Endrunde. Beim Gedanken daran bekommt selbst der so gelassene Junuzović feuchte Hände. „Eine solche Nervosität vor einem Spiel habe ich schon lange nicht mehr gespürt.“ Im Grunde könne niemand den Anpfiff erwarten. „Dieses Turnier ist ein unglaubliches Highlight. Wir brennen alle darauf.“ Auftaktgegner Ungarn wurde ausreichend beobachtet und als „kompakt“ befunden.

Freilich stechen aus dem Kollektiv einige Namen heraus, etwa Balázs Dzsudzsák. Der Kapitän und Offensivmann ist für Junuzović der überragende Akteur im vom Deutschen Bernd Storck trainierten Team. Ebenfalls auffällig: László Kleinheisler. Der 22-Jährige ist in Bremen Teamkollege von Junuzović, blieb aber meist nur Reservist. Von Einsatzzeiten und Statistiken sollte man sich jedoch nicht täuschen lassen. „Das ist ein sehr dynamischer und lästiger Typ, manchmal sogar ein bisschen zu wild.“ Und dann ist da natürlich noch der Torhüter der Ungarn, Gábor Király, 40 und eine lebende Legende. „Seine graue Jogginghose ist Kult. Seit ich die deutsche Bundesliga im Fernsehen verfolge, spielt er“, schmunzelt Junuzović.

Mut zum Risiko

Österreichs Mannschaft hat sich für Ungarn einen Plan zurechtgelegt, Details darüber werden logischerweise nicht verraten. Es wird Ideen brauchen, wie der Abwehrriegel zu knacken ist. Junuzović wird in der Offensive gefordert sein, er gewährt einen kleinen Einblick in seine Gedankenwelt. „Wir müssen Mut zum Risiko haben, uns gut und viel bewegen.“ So ließen sich Löcher in der Verteidigung des Gegners aufreißen.

Das ÖFB-Team sollte im Stade de Bordeaux in Bestbesetzung antreten können, der Gesundheitszustand von Marko Arnautović und Marc Janko bereitet keine Sorgen mehr. Heute um 12.30 Uhr fliegt die Mannschaft von Avignon nach Bordeaux, um 18.30 Uhr findet das Abschlusstraining statt. Nur noch einmal schlafen, dann ist Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2016)

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