Ronaldo: Breitbeinige Inszenierung einer mäßigen Ausbeute

SOCCER - UEFA EURO 2016, POR vs ISL
SOCCER - UEFA EURO 2016, POR vs ISL(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Andreas Pranter)
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Cristiano Ronaldo ist einer der gefürchtetsten Freistoßschützen der Welt. Die Statistik offenbart allerdings: Er wird diesem Ruf schon lang nicht mehr gerecht. Vor allem im Teamtrikot ist seine Trefferquote katastrophal.

Paris/Wien. Portugal gegen Island, es steht 1:1, die Nachspielzeit läuft. Rund 30 Meter vor dem isländischen Tor steht Cristiano Ronaldo in gewohnt breitbeiniger Haltung. Es gibt einen letzten Freistoß für Portugal. Ronaldo nimmt Anlauf – und zimmert in die Mauer. Sekunden später ertönt der Schlusspfiff.

So gefährlich Ronaldo, 31, als Torjäger auch sein mag und so sehr er die ÖFB-Defensive ohne deren Abwehrchef fordern wird, vor seinen Freistößen muss sich Österreich nicht fürchten. Dem Ruf als einer der Gefährlichsten am ruhenden Ball wurde er zuletzt nicht mehr gerecht.

Von der Saison 2013/14 bis Ende 2015 trat Ronaldo 73-mal zu einem Freistoß an. Seine Ausbeute: magere fünf Tore, eine Trefferquote von 6,8 Prozent (Quelle: Whoscored.com). Ronaldo lag damit weit abgeschlagen unter den fünf Letztplatzierten jener Spieler, die in diesem Zeitraum in Europas Ligen mindestens 20 Freistöße geschossen und drei davon verwandelt haben. Bester Schütze war der Bosnier Miralem Pjanić (38 Versuche, sieben Tore, Quote: 18,4 Prozent) von AS Roma, erst kürzlich wurde er für 32 Millionen Euro von Juventus Turin gekauft. Als bester Österreicher landete Zlatko Junuzović auf Platz sechs (35, 5, 14,3 Prozent).

Geht es für Ronaldo mit dem portugiesischen Nationalteam zu einem Großereignis, ist seine Bilanz noch kläglicher. 34 Freistöße (18 bei WM- und 16 bei EM-Endrunden) hat er getreten, ins Tor traf er dabei kein einziges Mal. Im Schnitt wagt er also alle 70 Minuten einen Versuch, bisher vergeblich.

Der Rivale spendet Trost

Gegen Island überzeugte Ronaldo aber auch insgesamt nicht. Reihenweise vergab er aus mitunter besten Positionen, von seinen zehn Schüssen kam nur einer aufs Tor. Insgesamt hat er bei 30 Endrundenpartien für Portugal nur neunmal getroffen, bei Real Madrid sieht das ganz anders aus (364 Tore bei 348 Einsätzen). Kritiker behaupten freilich, er bessere sein Torkonto vor allem bei Reals Schützenfesten gegen die Underdogs der spanischen Liga auf.

Mittlerweile ist auch Ronaldos Schusstechnik bei Freistößen, er tritt einen Flatterball, der sich erst kurz vor dem Tor gefährlich senkt, genauestens analysiert, es gibt wissenschaftliche Untersuchungen und YouTube-Anleitungen, die Tormänner sind bestens im Bild. Dass der Portugiese einem Teamkollegen den Vortritt lässt, ist dennoch so gut wie ausgeschlossen.

Aber: Bei so vielen Versuchen wird er irgendwann wieder verwandeln. Sein bisher letzter Freistoßtreffer gelang im April im Viertelfinale der Champions League gegen Wolfsburg. Es war kein guter Freistoß, Ronaldo knallte den Ball in die Mauer, die Wolfsburger liefen aber wie wild auseinander.

Die Mauer der Isländer hielt, Ronaldo ging einmal mehr leer aus. Als Trost bleibt ihm: Lionel Messis Bilanz (70 Versuche, vier Tore, Quote: 5,7 Prozent) ist mindestens genauso ausbaufähig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2016)

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