Gruppe C: Das Warten auf den ersten großen Müller-Moment

Germany Training - EURO 2016
Germany Training - EURO 2016(c) REUTERS (DENIS BALIBOUSE)
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Deutschlands Torjäger Thomas Müller ist noch ohne EM-Treffer, wie seine torlosen Offensivkollegen lief der Bayern-Star den eigenen Stärken zuletzt hinterher. Nun muss er gegen das nordirische Abwehrbollwerk anrennen.

Paris. Am freien Tag ging Thomas Müller mit Bastian Schweinsteiger golfen. Was für eine Runde Müller (Handicap angeblich 6,0) gespielt hat, ist nicht überliefert, die Bälle aber habe er perfekt getroffen, hieß es danach. Auf den EM-Plätzen in Frankreich war das noch nicht der Fall, vor dem letzten Gruppenspiel der Deutschen gegen Nordirland findet sich der 73-fache Nationalspieler plötzlich im Mittelpunkt einer Angriffsdebatte wieder.

In 180 Minuten bei dieser EM schoss Müller erst einmal aufs gegnerische Tor. „Das ist ungewöhnlich für ihn“, räumte auch der deutsche Coach Joachim Löw ein. Bei der WM in Brasilien 2014 hatte der Bayern-Star gleich mit drei Toren gegen Portugal losgeballert, insgesamt hält Müller nach seinen zwei WM-Endrunden bereits bei zehn Toren. Bei einer EM wartet er noch auf ein erstes Erfolgserlebnis.

Der 26-Jährige ist kein Stürmer, der bei Eins-gegen-eins-Aktionen brilliert oder mit Dribblings Löcher in die gegnerischen Abwehrreihen reißt. Er ist ein Freigeist im Strafraum, der, ausgestattet mit dem ultimativen Torriecher, Anspiele verwertet und mitunter aus den unmöglichsten Positionen trifft.

Müdigkeit und Enttäuschung

Aber ohne Müller-Tore ist Deutschland nur halb so gefährlich. Mit 32 Treffern ist er nach Ersatzmann Lukas Podolski (48) der erfolgreichste Torschütze im deutschen EM-Kader. Neun von 24 deutschen Treffern in der EM-Qualifikation gingen auf sein Konto. Auch in der EM-Saison ist er mit fünf Toren der beste deutsche Angreifer. In der deutschen Bundesliga stellte der Bayern-Star mit 20 Saisontoren eine persönliche Bestleistung auf, mit acht Champions-League-Treffern hat er seinen ersten Platz als bester deutscher Torschütze in der Königsklasse weiter ausgebaut. Und im Cup war er mit vier Toren bester Münchner.

Aber: In den letzten fünf Bundesligapartien erzielte er nur noch ein Tor. 14 seiner 20 Saisontreffer gelangen ihm in der Hinrunde. In der Endphase der kräftezehrenden Saison zeigte die Formkurve nach unten. Hinzu kommt die Enttäuschung über das verpasste Triple mit den Bayern. Die Münchner Champions-League-Mission endete auch deswegen vorzeitig, weil Müller im Halbfinale gegen Atlético Madrid einen Elfmeter verschossen hat. „Egal, ob man in den Himmel gelobt wird oder ein bisschen kritisiert wird, man darf das beides nicht zu sehr an sich ranlassen. Sonst ist man in zu vielen Wellentälern unterwegs“, erklärte Müller in Frankreich.

Dort wartet mit den Nordiren das nächste Abwehrbollwerk auf Müller und seine ebenfalls noch torlosen Angriffskollegen Mesut Özil und Mario Götze. Löw schenkt ihnen weiter das Vertrauen. „Ich glaube an ihre Fähigkeiten“, sagte er. Mittelstürmer Mario Gomez wird maximal den Joker geben, mit hohen Bällen würde man den Nordiren ohnehin nur „in die Karten spielen“, meinte Löw. Außerdem: Müller und Özil würden im Turnierverlauf „schon kommen“. Mehr Gier auf Tore, mehr Präsenz im Strafraum erwarte er sich dennoch. Auch Abwehrchef Jérôme Boateng hatte die mäßige Offensivleistung gegen Polen (0:0) kritisiert.

„Es wird auf keinen Fall ein Spaziergang“, sagte Müller und erinnerte: „Es war nie so, dass wir durch die Gruppenphase durchgepflügt sind.“ Tatsächlich muss Deutschland nicht zum ersten Mal im dritten und letzten Spiel der Vorrunde eine Drucksituation meistern. In Brasilien schoss Müller den späteren Weltmeister zu einem 1:0-Sieg gegen die USA und damit ins Achtelfinale. Es war zu diesem Zeitpunkt aber schon sein vierter Treffer im Turnier. (joe)





Nordirland: 1 McGovern; 18 Hughes, 4 McAuley, 20 Cathcart, 5 J. Evans; 16 Norwood; 13 C. Evans, 8 Davis; 19 J. Ward, 14 Dallas; 11 Washington.

Deutschland: 1 Neuer; 4 Höwedes, 17 Boateng, 5 Hummels, 3 Hector; 6 Khedira, 18 Kroos; 19 Götze, 8 Özil, 9 Schürrle; 13 Müller.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2016)

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