Deutschland: Erst der Angstgegner, dann die EM

Jubel nach dem Elfmeter-Zittern.
Jubel nach dem Elfmeter-Zittern.APA/AFP/MEHDI FEDOUACH
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Nach dem 6:5 im Elfmeterschießen im EM-Viertelfinale gegen Italien wähnt sich Weltmeister Deutschland bereit für den EM-Triumph. Das Finale hat Joachim Löw „fix eingeplant“.

Bis halb drei Uhr früh mussten die Spieler der deutschen Fußballmannschaft geduldig Rede und Antwort stehen in den Katakomben des Stadions von Bordeaux. Sieger haben es nicht eilig, selbst wenn nachher noch ein Bankett oder ein Sponsortermin warten würde, es ist Part of the Game wie das Wahren des Nervenkostüms in einem der spannendsten Elfmeterschießen der Fußballgeschichte. Deutschland gewann das EM-Viertelfinale gegen Italien erst im 18. Versuch, getreten durch Köln-Spieler Jonas Hector, mit 6:5. Es war der erste Sieg für den Weltmeister im neunten Spiel gegen die Squadra Azzurra bei einem Großereignis.

Dieser Erfolg lässt nun ganz Deutschland vom vierten EM-Stern träumen, vier WM-Sterne hat man ja seit der WM 2014 in Brasilien bereits. „Wenn man im Halbfinale steht, heißt das Ziel, auch das Finale zu erreichen“, zeigte sich Teamchef Joachim Löw einmal mehr besonders selbstbewusst. Im Semifinale trifft Deutschland am Donnerstag, 7. Juli, in Marseille auf Frankreich oder Island. Löw ließ keine Zweifel daran, dass er mit dem Gastgeber als Gegner rechnete.

Den Angstgegner besiegt

Besonders angetan war der ehemalige Trainer des FC Tirol und der Wiener Austria diesmal von der Leistung seines Teams gegen den „Angstgegner. Am Ende haben wir Italien ein bisschen glücklich niedergerungen, aber wir waren die überlegene Mannschaft.“ Mesut Özil hatte verdient das 1:0 (65.) erzielt, und ohne einen durch Jérôme Boateng verursachten Hands-Elfmeter, den Leonardo Bonucci zum 1:1 verwandelte (78.), hätte man sich das Nachspiel gewiss erspart.

Im siebenten Elfmeterschießen bei Großereignissen behielten die Deutschen nun zum sechsten Mal die Oberhand. Das erste und einzige Mal hatte man beim EM-Finale 1976 gegen die Tschechoslowakei das Nachsehen, als Antonín Panenka den entscheidenden Elfmeter in die Mitte lupfte. Aber das ist 40 Jahre her . . .

Die neue Heldengeschichte war programmiert, als Bastian Schweinsteiger als fünfter Elfmeterschütze zum Punkt schritt. Doch dem Kapitän, 31 und wie Gianluigi Buffon bei der WM 2006 dabei, flatterten die Nerven und zitterten die über 105 Minuten belasteten Knie. Sein Ball segelte weit über das italienische Tor. Die Traumstory vom Matchwinner, vom zurückgekehrten WM-Helden muss also weiter warten. „Es ist nicht so einfach, wenn man so lang nicht gespielt hat“, sagte Löw, redete Schweinsteiger aber ungemein stark. Der Trainer weiß auch, warum: Er braucht Schweinsteiger, auch wenn dessen Defizite punkto Tempo, Kraft, Übersicht und Aggressivität augenscheinlich blieben. Er versuchte, dies mit der ganzen Routine von nun 119 Länderspielen zu kompensieren, auf ihn hören die Mitspieler. Wenn er schreit, wird reagiert – so einen Spieler braucht Löw. „Es war schon wichtig, dass ein so erfahrener Spieler auf dem Platz stand“, erklärte der Schwabe. „Schweini hat sich reingequält. Er ist ein Leadertyp.“

EM-Aus für Khedira und Gomez

Erst bei der EM-Generalprobe gegen Ungarn (2:0) hatte Schweinsteiger nach zwei Knieverletzungen 2016 sein Comeback gegeben. 38 Minuten stand er in den EM-Spielen vor dem Viertelfinale auf dem Platz. Nach seinem Treffer beim 2:0 gegen die Ukraine ist es ruhig geworden um den Kapitän, der seine Rolle als Ersatzkraft klaglos akzeptiert. Jetzt durfte der Anführer nach der frühen Adduktorenverletzung von Sami Khedira schon in der 16. Minute auf den Platz.

Der Juventus-Star soll sich laut „Kicker“ einen Anriss im Adduktorenbereich des linken Oberschenkels zugezogen haben, damit wäre für ihn die EM vorbei. Welche Taktik Löw dann in Marseille wählt, dürfte sich erst in den nächsten Tagen herauskristallisieren. Definitiv zu Ende ist das Turnier für Mario Götze, der Stürmer erlitt einen Muskelfaserriss im Oberschenkel.

("Die Presse"-Printausgabe, 4.7.2016)

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