Adieu les Bleus – Zidanes Erben scheiterten

(c) GEPA (Philipp Schalber)
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Frankreich ist am Boden zerstört, die Equipe Tricolore schied als Letzter der Gruppe C klanglos aus. Die Team-Karrieren von Thuram und Makelele endeten, nur Teamchef Domenech denkt nicht an Rücktritt.

ZÜRICH/PARIS (red.). „Wer kein Spiel gewinnt, der hat den Aufstieg nicht verdient.“ Das ist nicht eine Textstelle eines Udo Jürgens-Klassikers, sondern waren klare Worte des Franzosen Patrice Evra. Auch für sein Team ist die Euro vorbei.
Während zumindest Evra versuchte, seine Gefühle zu kommunizieren, schlich der Rest seiner Mannschaft wortkarg, eigentlich still und leise aus dem Letzigrundstadion. Das 0:2 gegen Italien hatte Frankreich aus dem Turnier geworfen, aber auch den aktuellen Status quo vor Augen geführt. Es fehlte an System, Ausrichtung, Ideen und Toren. Das einzige, in dem Frankreichs Fußballer als Einheit auftraten, waren die grauen Maßanzüge, die ihnen der Verband noch vor dem Turnier auf den Leib schneidern ließ.

Abschied der Veteranen


Dem guten Mann dürfte nun aber mehr Arbeit blühen, als ihm lieb ist, denn die Mannschaft steht nach dem Zerfall vor einem kompletten Neubeginn. Denn nach nur einem Remis, zwei Niederlagen, 1:6 Toren und dem letzten Platz in Gruppe C erscheinen Konsequenzen unvermeidbar. Die erste Generation nach Zidane ist kläglich gescheitert.
Das Ende ihrer Team-Karrieren gaben bereits Lilian Thuram und Claude Makelele bekannt. Der 36-jährige Verteidiger und der 35-jährige Mittelfeldspieler bestätigten am Dienstag ihre Entschlüsse. „Ich bin sehr traurig“, erklärte Thuram, der als Rekordspieler 142mal für seine Heimat gespielt hat, die Pleite gegen Italien allerdings von der Ersatzbank mitansehen musste. Er war im EM-Kader 2008 das einzige Überbleibsel jener französischen Startelf gewesen, die 1998 im WM-Finale gegen Brasilien (3:0) gespielt hatte. „Das war mein letztes Turnier für Frankreich“, bestätigte auch Makelele, der 71mal im A-Team gespielt hat. Im Gegensatz zu Thuram trat Makelele ohne große Trophäe ab. „Meine einzige Trophäe ist, dass ich die französischen Farben tragen durfte.“
Viele Spieler flüchteten sich in Ausreden, sahen in fehlenden Spielern und Verletzungen die Gründe für das frühe Aus. Die Medien in Frankreich sehen es naturgemäß anders, die Kritik richtet sich vor allem gegen Trainer Raymond Domenech. Von „Fiasko“ bis „Demission“ war die Rede, vor allem aber wurde angeprangert, dass er die Verjüngung der Mannschaft nicht schon viel früher vollzogen hatte und nun mit einem Tross „Oldtimer“ heimfahren müsse. Ob Domenech im Amt bleiben darf, ist schwer anzuzweifeln. Jedoch ist Fußball auch in Frankreich ein Politikum, an Rücktritt denkt er derzeit übrigens nicht. Er hat zudem andere Dinge im Kopf und machte seiner Lebensgefährtin im Fernsehen einen (wirklich romantischen) Heiratsantrag . . .
Hingegen ganz hart ins Gericht mit den Darbietungen seiner Mannschaft ging nur Patrice Evra. „Es gibt keine Entschuldigungen und Ausreden“, erklärte der Verteidiger, der sich auch nicht auf den unglücklichen Spielverlauf gegen die Italiener ausreden wollte. Angesichts der ersten beiden Spiele gegen Rumänien (0:0) und die Niederlande (1:4) meinte er: „Wir haben uns selbst in diese Situation manövriert.“
Das frühe Aus der Franzosen beschrieb Evra, 27, als „unglaubliche Verschwendung. Eine großartige Fußball-Nation wie unsere, mit all diesen Talenten in der Mannschaft, sollte nicht in der Gruppenphase scheitern. Wir müssen uns bei allen entschuldigen. Wer kein einziges Spiel gewinnen kann, der hat den Aufstieg auch nicht verdient“, stellte der Manchester-United-Legionär klar und räumte mit Medienberichten auf, wonach die Atmosphäre im Teamcamp zwischen Alt und Jung gespannt gewesen sein soll. „Das ist falsch, die Atmosphäre im Team war großartig.“ Im Training gewiss, im und nach dem Spiel aber sicher nicht. Das widerlegten Bilder aus dem Kabinentrakt, die nach dem Spiel gegen die Niederlande Handgreiflichkeiten zwischen ihm und Patrick Vieira zeigten.

Frankreich beschäftigt nicht nur die derzeitige Krise, auch geht es nun darum, den Weg in die Zukunft zu bestimmen. Vor allem geht es um die Qualifikation für die WM in Südafrika 2010 (in einer Gruppe mit Österreich). „Dieses Team hat Zukunft“, wischte Domenech alle Bedenken weg, „das EM-Out war eine Enttäuschung, aber keine Desillusionierung.“

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