Hickersberger: „Das Team ist meine einzige Motivation“

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Ein klares Bekenntnis von Josef Hickersberger zu seiner Zukunft: Er will als Teamchef weitermachen. Er möchte auch seine Mitarbeiter behalten.


Am Tag danach hieß es Abschied nehmen von der Euro und von Stegersbach. Für Österreichs Nationalmannschaft ist das EM-Abenteuer unwiderruflich vorbei. „Ich fühle mich heute wie 60“, gab Teamchef Josef Hickersberger (60) zu, „vier Stunden Schlaf sind für mich zu wenig.“ Dennoch war der rotweißrote und geschlagene Feldherr, der sein Ziel (Viertelfinale) nicht erreicht hat, in der Lage, mit geschärftem Sinn abschließende Worte zu finden. „Ich will weitermachen!“, erklärte der Amstettner. „Aber es gehört mehr dazu, als nur zu wollen. Ich muss mir das alles gut überlegen.“

Gefordert sind nun Präsident, Präsidium und Vorstand. Für die Euro hat der Fußballbund ein Sonderbudget erstellt, nur deshalb war man in der Lage, eine möglichst professionelle Vorbereitung zu ermöglichen. „Wir müssen haushalten“, meint Friedrich Stickler, der Präsident. „Wir müssen aufs Geld schauen.“ Mit der Arbeit des gesamten Betreuerstabes sei man zwar zufrieden gewesen, „aber in dieser Intensität werden wir uns einen Roger Spry (Conditioning Coach) nicht mehr leisten können. Was aber nicht heißt, dass wir dieses Projekt jetzt abstechen.“

Hickersberger will nun für seine Mitarbeiter kämpfen. „Ich muss weiter machen“, meinte er. „Ich habe eine Art Verpflichtung. Die Mannschaft will, dass ich bleibe – das Team ist meine einzige Motivation. Es ist in den vergangenen zwei Jahren viel Vertrauen entstanden und die Arbeit hat mir Spaß gemacht. Aber wir haben unsere Ziel nicht erreicht – und dieser Verantwortung muss ich mich stellen. Aber wer sich hohe Ziele steckt, der erreicht sie eben nicht immer. Niemand macht im Leben alles richtig!“

1. Was bewegt Josef Hickersberger zum Weitermachen?Der Teamchef sieht im österreichischen Fußball eine Wende zum Besseren. Hickersberger betont, dass sich seine Mannschaft für diese Euro niemals erfolgreich qualifizieren hätte können, aber sie hätte sich bei den drei Spielen gegen Kroatien (0:1), Polen (1:1) und Deutschland (0:1) Respekt verschafft. Entscheidender Punkt für ihn: „Die Spieler haben endlich einmal Turniererfahrung sammeln können.“ Davon werde man künftig profitieren.

Die Mannschaft hätte vor allem Leidenschaft gezeigt, dafür dankte er ihr auch. „Und das ist bei der Bevölkerung ganz gut angekommen.“ Noch vor einem Jahr hätte man die Elf verspottet und verhöhnt, aber sie sei gewachsen. „Es gab Zeiten, da wollte man mir ein Kamel vors Stadion stellen, damit ich in die Wüste reiten kann.“ Die Wüste aber lockt jetzt nicht mehr, der Teamchef ist nach jahrelanger Wanderschaft jetzt erst wirklich in Österreich („Familie, Kinder und Enkelkinder spielen eine große Rolle“) angekommen. Die Exil-Suche nach der Färöer-Pleite ist endgültig vorbei.

In der Vorrunde sei letztlich das eingetreten, was Hickersberger ahnte. „Nur, dass wir statt vier Punkten nur ein Pünktchen geschafft haben. Gegen Polen hätten wir gewinnen, vor der Pause in Führung gehen müssen.“

2. Welche Chancen sieht Hickersberger in der WM-Qualifikation?Österreich trifft in der Qualifikation zur WM 2010 in Südafrika auf Frankreich, Rumänien, Litauen, Serbien und Färöer. Der Gruppen-Erste löst auf dem direkten Weg das Ticket, der Zweitplatzierte muss in Playoff-Spiele. „Ein neues Kapitel“, stellt der Teamchef, dessen Vertrag bis Jahresende gilt, fest. „Bei den Franzosen kommt nach der Euro ein Umbau, vielleicht werden die Karten neu gemischt.“ Chancenlos sieht er Rotweißrot offenbar nicht. „Aber wir brauchen auch künftig ordentliche Vorbereitungsmöglichkeiten. Am Montag anreisen und am Mittwoch eine Qualifikationsmatch bestreiten, das wird zu wenig sein. Mit Handauflegung und beten funktioniert das nicht.“ Die Bundesliga muss auch künftig dem Teamchef, wie immer er auch heißen möge, entgegenkommen. „Die Qualifikation zu schaffen, das wird schwieriger, als bei der Euro ins Viertelfinale zu kommen!“ Aber Hickersberger war immer schon auch ein Gambler. Er braucht und sucht die Herausforderung.

3. Welche Spieler machen dem Teamchef Mut?Josef Hickersberger hat in den vergangenen zwei Jahren vermehrt junge Spieler eingebaut. Sebastian Prödl, gegen Deutschland gesperrt, könnte in der deutschen Bundesliga zu einem neuen Schlüsselspieler heranreifen – vorausgesetzt, er kann sich bei Weder Bremen gegen harte Konkurrenz durchsetzen.

Ümit Korkmaz ist einer der Gewinner dieser Euro, der pfeilschnelle und dynamische Mittelfeldspieler wird sich bei Eintracht Frankfurt bestimmt weiterentwickeln. Er ist ein absoluter Gewinn für die Mannschaft.

Martin Harnik, bei Werder nur gut genug für die Amateur-Auswahl, würde ein Klubwechsel gut tun. Der 21-Jährige braucht mehr Spielpraxis, dann wird er auch torgefährlicher. Gegen Deutschland agierte er sehr enttäuschend, gegen Polen avancierte er zum großen Chancen-Vernebler.

Erwin Hoffer, 21, könnte in einigen Jahren ein international brauchbarer Konter-Stürmer werden. Auch Christian Fuchs oder Christoph Leitgeb zählen zu den Hoffnungsträgern.

4. Welche Spieler werden ihre Team-Karriere beenden?Ivica Vastic hat zwar bei seinem Team-Comeback wieder Gefallen an Rotweißrot gefunden, das Rad der Zeit kann er aber nicht zurückdrehen. Auch Rene Aufhauser ist nicht mehr der Flinkste auf den Beinen.

Nicht auszuschließen ist hingegen ein Comeback von Paul Scharner. Für Hickersberger galt nur vor der Euro: „Ich kann mich nicht selbst lügen strafen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2008)

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