Paul Gascoigne, Englands Soccer-Idol der 1990er-Jahre, ist trotz unzähliger Entziehungskuren weiter tief in der Alkoholsucht gefangen. Jetzt lag er hilflos lallend in einer Straße Londons.
London/Wien. Es sind schockierende Bilder der „Sun“, die Englands Fußballfans den Atem rauben. Sie zeigen Paul Gascoigne Anfang dieser Woche in London, schwer alkoholisiert auf dem Boden liegend, an einen Mistkübel gelehnt. Augenzeugen berichten, dass der 46-Jährige mehrmals nach seiner Exfrau schrie und unentwegt nach Alkohol bettelte, bevor er im Notarztwagen in ein Krankenhaus gebracht wurde. Nach diesem schweren Rückfall bangen Freunde und Fans zum wiederholten Mal um „Gazzas“ Leben.
„Er hat wieder den Selbstzerstörungsknopf gedrückt. Er trinkt sich tot“, wurde ein nicht namentlich genannter Freund in der „Yellow Press“ zitiert. Bereits vergangenen Freitag hatte der 57-fache Nationalspieler betrunken auf einem Bahnhof wieder einmal seine Exfrau und einen Sicherheitsmann angegriffen und wanderte in Polizeigewahrsam.
Über seinen aktuellen Zustand gibt es vorerst keine Informationen. Freunde wie Cricket-Star Robert Irani sind jedoch in größter Sorge. „Ich hoffe, er wird es noch einmal schaffen und dagegen ankämpfen. Die entscheidende Frage ist aber, ob sein Körper noch in der Lage dazu ist“, sagte er und wandte sich zugleich mit einer Bitte an die Öffentlichkeit. Geschäfte sollen „Gazza“ in Zukunft keinen Alkohol mehr verkaufen und Fans ihrem Idol – sein Tor bei der EM 1996 gegen Schottland ist unvergessen – keinen Drink mehr besorgen. „Wir alle wissen, dass Paul sich selbst helfen muss. Aber es ist an der Zeit festzuhalten, dass wir alle unseren Beitrag dazu leisten können.“
Erst kürzlich dem Tod entronnen
Dabei sah es noch vor wenigen Wochen so aus, als hätte Gascoigne die Sucht überwunden. An seinem 46.Geburtstag zeigte er sich im Mai erholt und lächelnd im edlen blauen Jackett mit eingestecktem weißen Tüchlein als Ehrengast bei einem Pferderennen in Windsor. Drei Monate zuvor hatte er auf der Intensivstation einer US-Spezialklinik noch mit dem Tod gerungen. Nach einem zittrigen und lallenden Bühnenauftritt im Februar hatte sein Berater Alarm geschlagen. Stars wie Wayne Rooney oder Gary Lineker spendeten umgehend für den Klinikaufenthalt des ehemaligen Tottenham- und Rangers-Stars. Nach seiner Entlassung gab sich Gascoigne geläutert. „Ich dachte, ich sei dabei, mich zu verabschieden. Ich war ein Wrack. Das muss eine Inspiration sein, dass mir das nie wieder passiert.“ Doch wie schon so oft in Gascoignes Leben wurde er sehr schnell rückfällig. Nach einer Hüftoperation im Juni soll er sofort zur Flasche gegriffen haben.
„Gazza“ war als aktiver Fußballer für seinen ausufernden Lebensstil bekannt, nach dem Karriereende 2004 stürzte er vollends in den Drogen- und Alkoholsumpf. „Ich lebte für den Fußball. Doch das, wofür ich jeden Morgen aufgewacht bin, war plötzlich weg“, gab er einmal Einblick in sein instabiles Seelenleben. Inzwischen sind für Gascoigne, der seine Exfrau mehrfach misshandelt hat, zig Entziehungskuren und Behandlungen gegen Depressionen dokumentiert. 2008 wurde er sogar zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen.
Auf einen Blick
Paul Gascoigne, 46, wurde in London schwer betrunken auf einer Straße liegend aufgefunden und ins Krankenhaus gebracht. „Gazza“, Englands Fußballidol der 1990er-Jahre, u.a. bei Tottenham, Lazio, Rangers, leidet seit Jahren an schwerer Alkoholsucht. Erst im Februar war Gascoigne bei einer Entziehungskur in Amerika nur knapp dem Tod entgangen. [EPA]
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2013)
