WM in Katar: Die Sklaven der Ölscheichs

(c) EPA (AMNESTY INTERNATIONAL/HANDOUT)
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Amnesty International prangert Zwangsarbeit bei WM-Baustellen in Katar an, doch der Golfstaat ist in der Region keine Ausnahme.

London/Wien. Er sei wie „Rindvieh“ behandelt worden. Und genauso habe der Chef auch ihn und seine Kollegen, fast alles Migranten aus Asien, bezeichnet: als Tiere. Mit diesen Worten beschreibt ein Nepalese der Menschenrechtsorganisation Amnesty International seinen Job in Katar, wo er auf einer Baustelle für die Fußball-WM 2022 arbeitet. Die menschlichen Kosten für das Mega-Ereignis sind bereits jetzt enorm hoch. In einem am Montag veröffentlichten Bericht wird das „alarmierende Ausmaß an Ausbeutung bis hin zu Zwangsarbeit“ an den WM-Baustellen dokumentiert: Zwölf Stunden täglich, sieben Tage die Woche – auch bei glühender Hitze – müssten die Gastarbeiter schuften. Viele würden gar nicht bezahlt: „Ihre Arbeitgeber drohen ihnen mit Abschiebung, wenn sie nicht zur Arbeit kommen.“ Zudem sind die Arbeitsbedingungen oft lebensgefährlich: 2012 mussten 1000 Menschen wegen Arbeitsunfällen im Krankenhaus in Doha behandelt werden.

Erst vor wenigen Monaten sorgte eine ähnliche Recherche des britischen „Guardian“ für Furore. Die UNO kritisierte daraufhin Katar, Menschenrechtsgruppen fordern vom Fußballweltverband Fifa, die WM abzusagen. Die Fifa reagierte gestern zurückhaltend auf die neuen Vorwürfe: Man werde Katar zu „Reformen drängen“, hieß es.

Das Emirat hat laut UNO die höchste Quote an Arbeitsmigranten der Welt: 94Prozent der arbeitenden Bevölkerung sind ausländischer Herkunft, sämtliche Bauvorhaben werden von Migranten aus Asien und anderen armen Weltteilen ausgeführt. Ausbeutung von Billiglohnkräften, die im Gastgewerbe, als Haushaltshilfen, Nannies oder im Pflegebereich arbeiten, gehört seit jeher zum „ökonomischen Modell“ des Golfstaates.

An ihre Arbeitgeber sind die Migranten oft in einem sklavenähnlichen Abhängigkeitsverhältnis gebunden: Gleich zu Beginn ihres Jobs wird 90Prozent der Pass entzogen, so Amnesty. 56Prozent haben keine Krankenversicherung, jeder Fünfte wird „so gut wie nie“ rechtzeitig bezahlt. Gewaltigen Übergriffen ihrer Arbeitgeber sind Gastarbeiter meist machtlos ausgeliefert. Doch Katar ist keine Ausnahme. Unter ähnlichen Bedingungen müssen ausländische Billiglohnarbeiter auch in den benachbarten Ölstaaten – Kuwait, den Emiraten, Bahrain, Oman oder Saudiarabien – schuften. Viele dieser Menschen sind illegal im Gastland, verrichten dort Arbeiten, die Einheimische nicht machen wollen.

Razzien gegen „Illegale“ in Saudiarabien

Diese „Fremden“ haben es schwer, sich in den streng traditionalistischen, islamischen Gesellschaften zu integrieren. Das führt zu Spannungen, wie zuletzt in Saudiarabien, wo neun der 27 Millionen Einwohner Migrationshintergrund haben. Hier führten Razzien gegen illegale Ausländer zu Unruhen mit Toten und Verletzten. Der Hintergrund: Vor zwei Wochen lief eine Duldungsfrist für „Illegale“ ab, seitdem wurden tausende Gastarbeiter in Abschiebehaft genommen, deren Papiere nicht in Ordnung waren.

Viele Saudis machen „Ausländer“ für die steigende Arbeitslosigkeit (mehr als zwölf Prozent) verantwortlich und fordern striktere Regelungen. Als Reaktion auf den wachsenden Fremdenhass versprach die Regierung striktere Regelungen: Bereits zu Jahresbeginn hatten die Behörden ihr Vorgehen angekündigt und eine Amnestie angeboten. Hunderttausende Menschen hatten daraufhin das Land verlassen. Bisher ist allerdings die Rechnung der Regierung, dass deren Arbeitsplätze Saudis besetzen könnten, nicht aufgegangen: In vielen Stadtvierteln häuft sich der Müll, Geschäfte mussten schließen, Baustellen ihre Arbeit einschränken. Einige Handwerkerbetriebe haben die Preise erhöht: Die Besitzer rechnen damit, künftig mehr für Arbeiter ausgeben zu müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2013)

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