Stefan Effenberg: "Die Bayern, die werden nie satt"

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SOCCER QATAR GERMANY(c) EPA (Ahmed Taha)
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Deutschlands ehemaliger Nationalspieler Stefan Effenberg spricht im Interview über die Dominanz des FC Bayern München, David Alaba, Brasilien und Katar.

Gibt es eine Erklärung dafür, warum es noch immer keiner Mannschaft gelungen ist, den Titel in der Champions League zu verteidigen?

Stefan Effenberg: Eine logische Erklärung dafür gibt es nicht. Es ist offenbar ein ungeschriebenes Gesetz. Einige Jahre hat man vielleicht geglaubt, der FC Barcelona kann das – nicht einmal dieser Mannschaft ist es geglückt. Und jetzt sind eben die Bayern dran. Wenn es die nicht schaffen, dann ist es eben unmöglich. Ich würde es dem dem FC Bayern München jedenfalls wünschen. Irgendwann muss dieses Gesetz der Serie fallen. Aber die Bayern müssen aufpassen, die Champions League ist kein Selbstläufer. Es gibt genug hungrige Mannschaften.

Ich sage immer: Das wahre Gesicht der Bayern wirst du heuer erst sehen, wenn sie einmal verlieren. Oder zwei-, dreimal hintereinander verlieren sollten.

Aber der FC Arsenal wird kein Stolperstein mehr werden...

Das Ergebnis vom Hinspiel (Anm.: 2:0) deutet darauf hin, dass die Bayern wieder einmal vieles richtig gemacht haben. Aber Arsenal hat stark begonnen. Sie wollten alles besser machen. Und Bayern München hat die Erfahrung von der Niederlage gegen Manchester City im Hinterkopf gehabt. Man darf einen Gegner niemals unterschätzen. Wer das macht, der liefert den ersten Fehler.

In der Bundesliga aber haben die Bayern offenbar keinen ernst zu nehmenden Gegner. Woran liegt das?

Die Bayern haben in der Bundesliga eine gewisse Perfektion entwickelt. Manchmal hat es den Anschein, als würden sie außer Konkurrenz mitspielen. Man muss wohl von einer Zweiklassengesellschaft sprechen. Diese Mannschaft siegt und siegt – alle stellen sich nur die Frage, wann sie eigentlich Meister werden. Im März? Oder doch erst im April?

Wird sich der Rest auch in den kommenden Jahren geschlagen geben müssen?

So einfach aufgeben werden sie nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass etwa mit Wolfsburg zu rechnen ist. Die Frage ist dort: Wie investieren sie ihr Geld? Aber die Bayern haben eine solche Dominanz entwickelt, da wird es für alle schwer – man sieht das zum Beispiel heuer an Borussia Dortmund. Es ist eine Mannschaft, die einfach nie satt wird. Da gibt es kein Zurücklehnen, auch wenn es manchmal den Anschein hat, als gelänge manches mühelos. Der Trainer fordert aber Höchstleistungen ein, keiner kann und darf sich ausruhen. Letztlich machen den großen Unterschied dann ein paar sehr spezielle Spieler aus. Wie ein Ribéry. Oder ein Robben. Oder auch ein Götze. Diese Bayern, die hören niemals auf. Dort wird jeden Tag eingefordert, dass es keinen Stillstand gibt.

Brauchen die Bayern einen Stürmer wie Robert Lewandowski überhaupt?

Also wenn du einen Torjäger von der Qualität eines Lewandowski ablösefrei haben kannst, dann musst du den holen! Mit ihm werden die Bayern dann vielleicht endgültig unschlagbar.

Und Borussia Dortmund wird weiter geschwächt...

Für die Dortmunder ist das natürlich bitter. Zuerst verlieren sie Götze, jetzt dann ihren besten Stürmer. Das sind schon herbe Rückschläge. Aber die Dortmunder werden sich damit anfreunden müssen, dass Leistung bezahlt werden muss. Wenn sie solche Spieler künftig halten wollen, dann müssen sie eben noch einmal eine Schippe drauflegen. Es ist zwar für den Normalverbraucher schwer vorstellbar, aber Leistung von absoluten Topspielern muss einfach bezahlt werden.

Wer neue Stars holt, der muss den einen oder anderen Spieler abgeben, sonst könnte es leicht zu Unzufriedenheit kommen, oder?

Trainer Guardiola hat das alles im Griff. Ihm geht es um Passgenauigkeit. Wer kann das spielen? Viel wird darüber spekuliert, was Toni Kroos macht. Ich bin der Meinung, die Bayern müssen ihn halten. Er ist doch in Wahrheit eine fixe Größe. Man muss auch an die WM in Brasilien denken. Und die Bayern müssen wiederum immer in der Lage sein, den einen oder anderen Ausfall verkraften zu können.

Aber auf Dauer werden Mandžukić oder Martínez nicht bleiben. Die werden gehen – sonst geht die Bombe wohl irgendwann einmal hoch. Ein Klub muss immer trachten, dass die Harmonie nicht gestört wird. Darum würden die Bayern nie einen Ronaldo verpflichten. Real Madrid hat es einmal mit dem „Galaktischen“ probiert, das Experiment ist letztlich gescheitert.

Hat Deutschland nun die stärkste Liga der Welt?

Ich will das so nicht sagen. Ich will Deutschland nicht mit Spanien oder England vergleichen. Freuen wir uns einfach, dass wir so viele geile Ligen in Europa haben.

Hat Sie der Auftritt der Salzburger im Freundschaftsspiel gegen die Bayern und in der Europa League gegen Ajax Amsterdam überrascht?

Für Salzburg sind solche Siege wichtig. Das ist gut für das Selbstvertrauen. Ich sage einmal so: Wenn Salzburg in der deutschen Bundesliga mitspielen würde, dann würden sie den Klassenerhalt sicher schaffen.

Ihre Meinung zu David Alaba?

Für mich der beste Linksverteidiger der Liga. Ein typischer Österreicher von der Art her. Ich bin ein Fan von ihm. Gut, dass er seinen Platz bei den Bayern gefunden hat. Er wäre schlecht beraten, wenn er in München unbedingt im Mittelfeld spielen wollte. Auch wenn er im Nationalteam beweist, dass er auch das kann. Der Bursche geht seinen Weg.

Was erwarten Sie von der WM-Endrunde in Brasilien?

Ich freue mich tierisch. Bei uns stellt man sich natürlich die Frage: Schafft es Deutschland? Das wird ein richtig geiler Monat, Brasilien ist das perfekte Fußballland. Wobei die Bedingungen sicher nicht einfach werden. Aber ich rechne mit Deutschland, Brasilien und Argentinien. Und Spanien, wenn sie noch hungrig sind. Aber es wird sicher auch wieder Überraschungen geben. Wie Uruguay in Südafrika.

Und was ist mit Katar? Sie haben ja selbst Ihre Karriere dort ausklingen lassen...

Also im Sommer kannst du dort schlichtweg nicht spielen. Das ist für mich klar. Dort sind enorm freundliche Menschen, die haben noch so viel Zeit bis zur WM, die werden das schon machen. Und sie haben so viel Kohle, dass es kein Problem gibt, das sie nicht lösen könnten. Aber es wird für alle eine riesige Umstellung. In Katar ist alles künstlich.

Steckbrief

Stefan Effenberg
wurde am 2.August 1968 in Hamburg-Niendorf geboren. Nach der Schulzeit erlernte Effenberg den Beruf der Dienstleistungsfachkraft im Postbetrieb.
Er begann als Kind beim SC Victoria Hamburg, anschließend ging er als Jugendspieler zum Bramfelder SV und spielte anschließend wieder bei Victoria Hamburg.

Karriere
1987 wechselte Effenberg zu Gladbach, blieb bis 1990. Dann folgten zwei Jahre beim FCBayern München, zwei Jahre beim ACFlorenz, weitere vier Jahre bei Gladbach, ein Jahr spielte er bei Wolfsburg. Die Karriere ließ er bei al-Arabi Sports Club ausklingen.

35 DFB-Länderspiele.

Derzeit TV-Experte
für Sky.
Eibner / EXPA / picturedesk.com



Sky hat die Kosten für die Reise nach Düsseldorf übernommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2014)

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