WM: Brasiliens Wirtschaft vor großen Herausforderungen

BRAZIL SOCCER FIFA WORLD CUP 2014
BRAZIL SOCCER FIFA WORLD CUP 2014APA/EPA/NUNO GUIMARAES
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Massenproteste gegen die Regierung im Vorfeld der Großveranstaltung sind gewiss, die Regierung treibt im Gegenzug Energieprojekte voran.

Brasilia. In zwei Monaten startet die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien. Die wuchernde Bürokratie und der Fachkräftemangel stellen dort tätige ausländische Unternehmen allerdings vor große Herausforderungen. Die als fußballbegeistert geltenden Brasilianer gehen zu Hunderttausenden gegen die WM auf die Straße.

Bei den Massenprotesten, die seit mehreren Monaten immer wieder über das Land rollen, geht es aber nur am Rande um den Fußball. Die Demonstranten werfen der Regierung vor, Milliarden für die prestigeträchtige WM zu verschleudern und dabei andere Herausforderungen wie die Korruption in der öffentlichen Verwaltung oder die wirtschaftliche Ungleichheit zu vernachlässigen.

Der Missmut dürfte dadurch verstärkt worden sein, dass die wirtschaftliche Situation Brasiliens derzeit alles andere als rosig ist. Von der Ausrichtung der WM hatte sich die Regierung nicht zuletzt Wachstumsimpulse erhofft. Davon ist bis jetzt allerdings wenig zu spüren.

Nachdem sich Brasiliens Wirtschaft relativ rasch von der Finanz- und Wirtschaftskrise erholt hatte, schrumpfte das Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) 2012 auf 0,9 Prozent. Im vergangenen Sommer ging die Wirtschaftsleistung zeitweise sogar leicht zurück.

Über das gesamte Jahr 2013 reichte es immerhin noch für ein Wachstum von 2,5 Prozent. Die Zentralbank senkte jüngst ihre Prognose für das laufende Jahr und rechnet noch mit einer Zunahme des BIP von 2 Prozent. Für ein Schwellenland wie Brasilien ist das zu wenig, vor allem angesichts der enormen staatlichen Investitionen.

"Brasilien wird viel investieren", sagt Jan Atteslander, Außenhandelsexperte beim Schweizer Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. "Viele Städte sind in den letzten Jahren stark gewachsen. Bei der Infrastruktur gibt es deshalb laufenden Ausbaubedarf."

Die Regierung treibt mehrere große Energieprojekte voran, um bei der Stromproduktion mit der Nachfrage mithalten zu können. Oft sind diese allerdings nicht unumstritten: So steht das Belo-Monte-Staudammprojekt im Amazonas-Gebiet seit Längerem in der Kritik von Umweltschützern und Einheimischen.

Um vom großen Potenzial zu profitieren, gilt es für ausländische Firmen manches Hindernis zu überwinden. Die schwierigen Geschäftsbedingungen in Brasilien sind derart berüchtigt, dass sich dafür sogar ein eigener Begriff herausgebildet hat: der "Custo Brasil" (zu deutsch: "brasilianische Kosten"). Dazu zählt etwa die ineffiziente Verwaltung, die schlechte Infrastruktur oder das komplizierte Steuersystem.

"Der Umgang mit den Behörden kann sehr mühsam sein", sagt Daniel Tschudi, Geschäftsleitungsmitglied bei der Schweizer Technologiegruppe Wicor, die unter anderem Isolationen für Transformatoren herstellt. Es dauert Monate, um beispielsweise eine Produktionsmaschine ins Land einzuführen.

Über die wuchernde Bürokratie klagt auch Stevan Brouwer, Verkaufsleiter beim eidgenössischen Drahtseilhersteller Fatzer, der die Seile für das Dach des berühmten Maracana-Stadions in Rio de Janeiro lieferte. In dem fast 74.000 Zuschauer fassenden Bau wird am 13. Juli der WM-Final ausgetragen.

Eine weitere Herausforderung ist die Mentalität. Als "richtig chaotisch" beschreibt Brouwer die Geschäftskultur. Im Umgang mit Geschäftspartnern sei Vertrauen sehr wichtig.

Als Beispiel nennt er wiederum den Auftrag für das Dach des Maracana-Stadions: Bevor Fatzer den Zuschlag erhielt, pflegte das Unternehmen fast vier Jahre lang die Beziehung zum Auftraggeber. "Es wird großen Wert auf persönliche Kontakte gelegt."

Eine weitere Herausforderung ist der Mangel an gut ausgebildeten Arbeitskräften. Die brasilianische Mittelschicht ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen - und mit ihr die Nachfrage nach Autos, Fernsehern und anderen Elektrogeräten.

Um die inländische Nachfrage nach diesen Produkten zu befriedigen, braucht es jedoch Spezialisten. Und davon gebe es in Brasilien zu wenig, sagt Emanuel Baltis, Präsident der Schweizerisch-Brasilianischen Handelskammer. "Es fehlt an Fachwissen." Beispielsweise müsse das Land massenhaft Ingenieure aus dem Ausland importieren, weil das eigene Bildungssystem zu wenige davon hervorbringe.

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