Atlético Madrid: Der finale Triumph der "Colchoneros"

(c) REUTERS (Marcelo del Pozo)
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Atlético Madrid gewann erstmals seit 1996 wieder die spanische Meisterschaft - und das Champions-League-Finale kommt noch. Barcelonas Ära ist beendet.

Barcelona/Wien. Schon vor dem Spiel hatte eigentlich wenig für den Gastgeber gesprochen. Aber der FC Barcelona, so sagt es der Verein selbst, ist eben mehr als nur ein Klub. Die Katalanen aber sind dennoch nur ein Ex-Meister. Der Titelverteidiger des Vorjahres ist entthront, der große Dominator des europäischen Fußballs ist „nur“ Zweiter – und in der Champions League wurde man obendrein gestoppt. Von einer Mannschaft, die heuer in der Tat für Furore gesorgt, die spanische Liga über weite Phasen beherrscht hat. Am Ende spitzte sich alles auf das große Finale zu – in dem sich der Emporkömmling durchsetzte. Und das 1:1 im ausverkauften Camp Nou muss als solches interpretiert werden, schließlich hatte sich während des Schlagers so manches gegen Atlético Madrid verschworen, letztlich aber wurde ein neuer Meister gekürt, der völlig verdient ganz oben steht.

Dem Trainer wird gehuldigt

Erstmals seit 1996 ist Atlético Madrid wieder die Nummer eins im Lande, dabei war der Arbeiterverein aus Madrid eher als Außenseiter in diese Meisterschaft gegangen. Im Vergleich zum FC Barcelona oder zu Real Madrid muss man sich fast schon wie im Armenhaus fühlen. Die Katalanen verfügen pro Saison angeblich über 650 Millionen Euro, die „Königlichen“ über 580. Atlético Madrid hingegen findet sein Auslangen mit 120 Mio. Euro. In Madrid wird der Klub abfällig als „Colchoneros“ bezeichnet, frei übersetzt kann man das als Matratzenmacher bezeichnen.

Aber jetzt kann man sich gleichsam auf Rosen betten, Barcelona hingegen muss die Wunden lecken, die Stachel bzw. Dornen sitzen tief. Real Madrid bleibt immerhin noch die Hoffnung auf die Champions League am Samstag.

Erstmals seit der Saison 2003/04 ging der Titel wieder einmal an einen Klub, der nicht Barcelona oder Real heißt. Damals war es Valencia, diesmal Atlético. „Wir haben heute Geschichte geschrieben“, verkündete Trainer Diego Simeone. Als der Arbeiterklub das letzte Mal diesen Triumph auskosten durfte, da war der Argentinier noch Spieler dort. Er gilt als der Architekt des Fußball-Wunders, das bei näherer Betrachtung dann gar keines war. Denn der FC Barcelona hat in dieser Saison kein einziges Spiel gegen Atlético gewinnen können. Mit dem 1:1 im Camp Nou wurde das Ende der katalanischen Herrschaft besiegelt.

Die Medien feierten den 44-jährigen argentinischen Coach am Tag danach eigentlich als Genie. „Simeone ist Kopf und Herz des neuen Meisters“, schrieb die Sportzeitung „Mundo Deportivo“, während sich Atléticos Ex-Star Paulo Futre in seiner „El Mundo“-Kolumne zu der Behauptung verstieg: „Der ,Cholo‘ (der Mestize, wie der Coach seit seiner Kindheit gerufen wird) ist der beste Trainer der Welt.“

José Caminero, der Sportdirektor der Madrilenen, war darauf bedacht, dass die Spieler nicht die Nacht zum Tag machten. „Mit diesem Triumph“, meint er, „haben wir auch den Sieg in der Champions League eingeleitet.“ Die Mannschaft strotzt dermaßen vor Selbstvertrauen, dass eine Niederlage gegen Real Madrid fast unwahrscheinlich erscheint. Wie man gegen den FC Barcelona gleich mehrere Rückschläge (0:1-Rückstand, Ausfall von Stürmerstar Diego Costa und von Spielmacher Arda Turan) wegsteckte, das war schon beeindruckend. Ob die beiden angeschlagenen Spieler in Lissabon dabei sein können, das lässt sich noch nicht abschätzen.

Die Mannschaft hat das System von Simeone längst verinnerlicht, eine Schwachstelle bei Atlético Madrid zu finden, das ist nicht leicht. Und selbst wenn man sie ausfindig machen sollte, so ist das noch längst keine Garantie, die Oberhand zu behalten.

Die Konsequenzen gezogen hat jedenfalls Barcelona-Trainer Gerardo Martino. Er hat noch am Samstag in den Abendstunden seinen Rücktritt erklärt, ist damit aber vermutlich nur einer Entlassung zuvor gekommen. Die Katalanen werden nächstes Jahr wieder angreifen. Und Atlético wird sich wieder stellen.

Letzte Runde: Malaga – Levante (Ivanschitz Ersatz) 1:0, Real Madrid – Espanyol Barcelona 3:1, FC Barcelona – Atlético Madrid 1:1, Valencia – Celta Vigo 2:1, Real Sociedad – Villarreal 1:2.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2014)

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