Sportpolitik: Wie korrupt ist der Fußball?

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Fußballweltverband in schwerer Bedrängnis: In Brasilien droht Chaos, Match-Manipulationen sind auch bei der WM nicht auszuschließen. Bestechungsvorwürfe gegen Katar erhärten sich.

Wien. Der Weltfußballverband gerät ausgerechnet wenige Tage vor Eröffnung der WM in Brasilien am 12. Juni schwer in Bedrängnis. Stadien drohen nicht fertig zu werden, sogar Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke beginnt allmählich leicht nervös zu werden. In der Arena in Natal fehlen derzeit auf den oberen Rängen noch zahlreiche Sitze, Valcke spricht wörtlich von einem Wettlauf mit der Zeit. „Wir brauchen den Einsatz aller Parteien, um sicherzustellen, dass das Stadion bis zum ersten Match fertig wird.“ In zwei Wochen wollen dort die Mexikaner (gegen Kamerun) ihren ersten Sieg feiern. Unbefriedigend ist auch die Situation in São Paulo. Dort soll das Eröffnungsspiel zwischen Brasilien und Kroatien zelebriert werden, eine echte Generalprobe hat es für das Stadion nie gegeben. Auch im letzten Testlauf war die Auslastung der vollen Zuschauerkapazität nicht möglich. Zum WM-Auftakt werden 68.000 Zuschauer erwartet, im letzten Testspiel waren nur 40.000 zugelassen.

Fair Play und die eigene Tasche

Brasilien bereitet dem Weltfußballverband ungeahntes Kopfzerbrechen. Aber die Fifa sieht sich auch noch mit einer Fülle anderer Baustellen konfrontiert. In einem WM-Vorbereitungsmatch vor wenigen Tagen könnte es zu einer Spielmanipulation gekommen sein, die Fifa untersucht das 2:2 von Nigeria und Schottland, weil der afrikanische Torhüter ein mehr als seltsames Eigentor produziert hat. Die „New York Times“ berichtet indes, dass es schon vor der WM 2010 in Südafrika eindeutige Spielmanipulationen gegeben haben soll. Die Fifa untersucht in mindestens fünf Fällen, weil ein Schiedsrichter beispielsweise für Elfmeterpfiffe 100.000 Dollar erhalten haben soll. Fifa-Sicherheitschef Ralf Mutschk: „Ich kann es nicht ausschließen, dass Betrüger versuchen, WM-Spiele in Brasilien zu manipulieren...“

Die Fußballverbände treten offiziell für Fair Play ein, der Weltverband aber sieht sich immer wieder mit schweren Korruptionsvorwürfen konfrontiert. Alles dreht sich um die leidige Doppelvergabe der WM-Endrunden an Russland (2018) und an Katar 2022. Immer wieder hat es in jüngerer Vergangenheit Berichte darüber gegeben, dass es in Zusammenhang mit der Vergabe der riesigen Sportveranstaltung an den Golfstaat nicht mit rechten Dingen zugegangen sei. Der britischen Zeitung „Sunday Times“ liegen nach eigenen Angaben geheime Dokumente vor, die belegen sollen, dass der ehemalige katarische Spitzenfunktionär Mohammed bin Hammam fünf Millionen Dollar an Fifa-Offizielle bezahlt hat, um sich deren Unterstützung für Katars WM-Bewerbung zu sichern.

Bin Hammam ist 2011 von der Ethikkommission des Weltverbandes wegen Verstößen gegen den Ethikcode auf Lebzeiten gesperrt worden. Er soll gemeinsam mit dem ehemaligen Fifa-Funktionär Jack Warner aus Trinidad und Tobago versucht haben, Stimmen für seine Wahl zum Fifa-Präsidenten zu kaufen. Warner ist vor drei Jahren von allen Ämtern zurückgetreten.

Katar hat bisher behauptet, Mohammed bin Hammam hat in der Bewerbungskampagne keine Rolle gespielt. Das dürfte in der Realität anders gewesen sein. Der Fußballweltverband hat jedenfalls eine Kommission gegründet, die den Bestechungsvorwürfen nachgeht, die Leitung hat der ehemalige amerikanische Staatsanwalt Michael Garcia. Der Abschlussbericht hätte eigentlich noch vor der WM in Brasilien fertiggestellt werden sollen – es dürfte sich aber alles eher bis zum Ende des Jahres hinziehen.

Inzwischen wird der Ruf nach einer Neuvergabe der WM 2022 immer lauter. Fifa-Exekutivmitglied Theo Zwanziger, einst Deutschlands Fußball-Präsident: „Es kommt auf den Gesamteindruck der Ermittler an. Wenn es die Empfehlung gibt, die Entscheidung zu überdenken, so wird der Kongress nicht umhinkommen, die WM neu zu vergeben.“

Fifa-Präsident Joseph S. Blatter hat erst Mitte Mai für Aufsehen gesorgt, als er die WM-Vergabe an Katar als Fehler bezeichnete. Mögliche Bestechung der stimmberechtigten Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees durch das Emirat wollte Blatter nie kommentieren. Unmissverständlich stellte der Fifa-Präsident aber wiederholt fest, dass es „politischen Druck“ aus Frankreich und Deutschland gegeben habe.

Die Aussagen des Fifa-Bosses waren in erster Linie als Attacke gegen Michel Platini, Präsident der Europäischen Fußball-Union (Uefa), zu verstehen. Der Franzose steht offen zu Katar, zudem ist sein Sohn wirtschaftlich in der Golfregion engagiert. Und vielleicht ist Platini der einzige Spitzenfunktionär, der Blatters erneute Wahl zum Fifa-Boss im Mai 2015 doch noch verhindern kann...

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2014)

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