Das Geheimnis des Bayern-Gens

(c) APA/EPA/LUKAS SCHULZE
  • Drucken

Als Sportvorstand des FC Bayern München stand Matthias Sammer in München Rede und Antwort. Es ging dabei aber nicht nur um den deutschen Fußball.

Ist aus dem FC Bayern München in den vergangenen Jahren ein unersättliches Fußballmonster geworden?

Matthias Sammer: Der FC Bayern München hat es, glaube ich, geschafft, ein sogenanntes Bayern-Gen zu entwickeln. Das ist ein innerer Antrieb, eine innere Energie. Und dieser Klub war immer und ist von Menschen geprägt. Schon ein Beckenbauer, Hoeneß oder Rummenigge hat sich nie mit einem zweiten Platz zufriedengegeben. Das Klubmotto „Mia san mia“ ist auch Ausdruck dessen, dass wir immer allerhöchste Ansprüche stellen, das merkt man bei uns jeden Tag. Und unser Ziel ist es, konstant erfolgreich zu sein.

Man darf aber nicht vergessen, dass wir bis 2012 die Verlierer der Nation waren. Wir haben das Champions-League Finale verloren, haben bei Europa- oder Weltmeisterschaften nur den zweiten oder dritten Platz erreicht. Das ist für den deutschen Anspruch zu wenig. Die Spieler haben viel aushalten müssen, aber sie sind reifer geworden. Bastian Schweinsteiger hat vor wenigen Tagen gesagt: „Große Titel machen süchtig.“ Das kann man immer wieder von Champions hören, auch in anderen Sportarten. Wenn man einmal den Erfolg geschnuppert hat, dann spürt man den Ehrgeiz, das wieder zu erreichen.

Trainer Pep Guardiola scheint ein Garant dafür zu sein, in Europa weiterhin den Ton anzugeben.

Guardiola passt außergewöhnlich gut zu diesem Klub. Wir haben eine sehr gute Altersstruktur in dieser Mannschaft, einen guten Charakter und eine gute Dynamik. Der Klub ist nicht zufällig erfolgreich. Da müssen die richtigen strategischen, inhaltlichen und sportlichen Entscheidungen getroffen werden. Das hat immer etwas mit Führung zu tun. Gleichzeitig ist eine Mannschaft selbst immer wieder davon geprägt, auch junge Spieler dabei zu haben. Ich bleibe dabei, das Wichtigste sind die Führungsspieler und jene, die erfolgreich waren. Diese Spieler tragen die meiste Verantwortung, ihre eigene Qualität im Training einzusetzen. Ein Arjen Robben beispielsweise trainiert jeden Tag, als gäbe es kein Morgen. Daran orientieren sich die jungen Spieler.

Die Frage nach David Alaba lässt sich nicht vermeiden...

Der Vorzeigeösterreicher ist zunächst einmal ein Supertyp. Es ist eine Freude, jeden Tag mit ihm zu arbeiten. Das ist eine Frohnatur, ein Charakter, der dem Klub sehr, sehr gut tut. Sportlich ist er sowieso außergewöhnlich, weil ihn die individuelle Qualität, die Technik, die taktische Flexibilität und die physische Robustheit auszeichnen. Damit ist er ein Spieler, der mit der Idee des Trainers Guardiola Flexibilität und Organisation gewährleisten kann. Alaba ist für uns ein Geschenk. Normalerweise sagt man ein Geschenk des Himmels, in diesem Fall ein Geschenk aus Österreich. Seine Qualität ist high-level. Ich sehe ihn als absoluten Teamplayer. Ich bin aber auch gespannt, ob er dann später mit seiner Erfahrung auch in eine Führungsrolle hineinwachsen kann. Ich sage bei dieser Gelegenheit auch: David Alaba ist für uns unverkäuflich. Er ist unsere Zukunft.

Und die Gegenwart des österreichischen Nationalteams. Befindet sich der rot-weiß-rote Fußball auf dem richtigen Weg?

Ich glaube, dass der österreichische Fußball in der Nachwuchsstruktur eine gute Entwicklung genommen hat. Ich kenne Willi Ruttensteiner gut, er ist sehr engagiert, ihn habe ich, als ich noch beim DFB war, auf sämtlichen Kongressen getroffen. Er ist sehr engagiert, aber auch kein einfacher Zeitgenosse. Er hat viel Gutes getan. Hier wurden offenbar die richtigen Entscheidungen getroffen. Die Strukturen wurden verbessert, und die Nachwuchsförderung wurde in den Mittelpunkt gestellt. Da ist in dem kleinen Land schon viel passiert. Es ist ja nicht immer die Quantität entscheidend – immer natürlich unter der Voraussetzung, dass man eine Fußballkultur hat. Und da hat Österreich ja seit 1978... Spaß beiseite, da werden sicher noch weitere gute Jungs herauskommen.

Wie beurteilen Sie das Engagement von Red Bull im deutschen Fußball?

Das ist natürlich positiv, das ist keine Frage, auch wenn unsere Fans vielleicht ein bisschen sauer darüber waren. Aber Tradition hat auch irgendwann einmal begonnen. Jetzt beginnt etwas neu, und man kritisiert es, weil es keine Tradition hat? Dann darf es nie wieder etwas Innovatives geben. Dann dürfen nur noch die weitermachen, die Tradition haben, ein anderer darf nie beginnen. Das ist der Ruf der Traditionalisten.

Jetzt entscheidet sich eine große Firma, die bekanntermaßen im Sport nachgewiesen hat, dass sie einen langen Atem hat, dafür, dass sie zukünftig nicht mehr nur Dosen verkaufen will, sondern dass sie etwas Nachhaltiges schaffen will. Ob sie dadurch mehr Dosen verkaufen, ist mir egal. Ich komme aus der Region und kann das gut beurteilen, dass dies der Region guttut. Denn die Vereine, die aus der Tradition gekommen sind, wie Lok Leipzig und wie sie dann später geheißen haben, haben gefühlte 20 Jahre lang die Möglichkeit gehabt, etwas Konstruktives für den Fußball zu tun. Es hat nicht funktioniert, im Gegenteil, die haben sich gegenseitig – wie sagt man bei euch? – eine Watschen gegeben. Jetzt kommt jemand da rein, natürlich aus Eigeninteresse, und schafft für diese Region substanziell Infrastruktur, damit Leistung, und bringt den Menschen möglicherweise Erstligafußball. Egal, wo das Motiv liegt – dass das unter dem Prinzip des Leistungsgedanken schlecht sein soll, versteh ich nicht.

Die anderen werden sich unter den marktwirtschaftlichen Voraussetzungen etwas einfallen lassen müssen. Das ist nun einmal die freie Marktwirtschaft. Ich komme aus dem anderen System. Dass dies besser ist, würde ich bestreiten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.