Glaube: Der Doppelpass mit Gott gelingt

SOCCER - 2. DFL, RB Leipzig vs Karlsruhe
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Profi, Prediger, Politiker – Reinhold Yabo, 22, erfüllt all diese Kriterien. Der Fußballer vom Karlsruher SC ist eine der Lichtgestalten der zweiten deutschen Liga. Seine Lebensgeschichte imponiert.

Ray Yabo, mit diesem Namen fängt zugegeben nicht sofort jeder etwas an. Und dennoch, der 22-jährige Profifußballer genießt in Deutschland besondere Aufmerksamkeit. Er spielt in der zweiten Liga beim Karlsruher SC, sorgt im zentralen Mittelfeld für Weitblick und ist in Nordbaden auch abseits des Platzes ein höchst respektierter Mann. Der Fußballer mit kongolesischen Wurzeln heißt im bürgerlichen Leben Reinhold Yabo, die Gemeinde kennt, sie schätzt ihn. Ja, Gemeinde – er sitzt nicht nur als Kommunalpolitiker im Gemeinderat, er ist nämlich auch Prediger. Er vermittelt den Glauben an Gott. Er hilft, mit seinen Worten wird für viele, nicht nur für Fans, der Alltag leichter.

Umwege prägen den Werdegang jedes Menschen. Nicht jeder findet sofort seine Berufung und Freude im Beruf, die Suche nach dem richtigen Umfeld, Stadt, Familie, geht nicht jedem leicht von der Hand. Fußballer gelten gemeinhin als Sportler, mit dem mehr oder weniger direkten Zug zum Tor. Es ist eine für wenige Jahre gut bezahlte Kunst, von den meisten hört man nach dem Karriereende aber kaum noch etwas. Die meisten, einst im Stadion von 50.000 Zuschauern gefeiert, würde man wohl auch auf der Straße gar nicht mehr erkennen.

Auch der Weg von Reinhold „Ray“ Yabo ist offen. Sein Alltag reicht aber schon jetzt über den Trainingsplatz, den Trott zwischen Torlinie, Abseits und Matchtag hinaus.


Der "schwarze Bundeskanzler". Über 7000 Stimmen haben vor wenigen Monaten dafür gesorgt, dass der Fußballer auf der Politikbank Platz nehmen darf. Freilich, aus Bekanntheits-, vielleicht auch aus Sympathiegründen, das Programm seiner Gruppierung würde dafür selbst in Karlsruhe nicht genügen. „Gemeinsam für Karlsruhe“, nennen sie sich. „Wir versuchen, Gutes zu bewirken – im Sinn christlicher Werte. Ich glaube schon, dass der Einfluss des KSC mitgeholfen hat, dass ich diese Tätigkeit ausüben kann“, wurde Yabo in der „FAZ“ zitiert. Er kann sich die Zeit sehr gut einteilen, sein Trainer unterstütze diesen Nebenjob sogar; an Wochenenden hätten Politiker zumeist ohnehin keinerlei Aufträge, also leide sein Spiel nicht weiter darunter.

Yabo lacht, er ist bekannt für seine gute Laune und für seinen Optimismus, dass alles im Leben einen Zweck habe, sinnvoll sei. Und er wolle mithelfen, anpacken, etwas Gutes tun – in einer Gesellschaft, die von Begriffen wie Geld, Angst, Berufswelt, Familie, Zukunft, Krankheit, etc. geprägt ist. Das Lachen gerate zu oft in Vergessenheit.

In der Politik höre er zu, er schaue sich das Geschehen an und wundere sich oft, „dass Politiker derart schlagfertig sind“, sagt er. Er sitzt passenderweise in Ausschüssen für Jugend und Sport. Geht es um heikle Themen, den KSC betreffend, etwa eine Förderung über knapp zehn Millionen Euro für einen Stadionneubau, dann muss er wegen Befangenheit schweigen. Für Karlsruhes Politik ist er ein Gewinn, wenngleich er die Witze mancher Kollegen, wie „Deutschlands erster schwarzer Bundeskanzler“, schon nicht mehr hören kann. Insgeheim ehren sie ihn zwar, doch in Wahrheit sei das alles viel zu hoch für ihn. Zudem, er habe ja erst damit angefangen.

Für den KSC ist „meine lernende Tätigkeit“ im Gemeinderat hingegen der wahre Segen. Es gibt wohl Angebote anderer Klubs, sogar aus der Bundesliga, doch Yabo fühlt sich in Karlsruhe nach Stationen in Köln oder Aachen „angekommen, zu Hause“. Und, sein Nebenjob ist damit verbunden, dass er in der Stadt bleibt. Für fünf Jahre ist er gewählt, orientiert er sich neu, erlischt das Mandat.


Karriere machen die anderen. Yabo tritt aber auch als Prediger in Erscheinung. In einer evangelischen Kirche spricht er über Gott, erzählt aus seinem Leben, schildert Begegnungen, spendet Menschen Rat. Es mag vielen kaum vorstellbar erscheinen, dass bereits ein 22-Jähriger so viel zu berichten vermag über das Leben, begleitet von Erfolg, Niederschlägen, Berührungen und Ängsten, aber auch Freuden, Yabo aber kann es sehr wohl. Er schildert Situationen auch aus der Sicht eines Fußballers, der nicht nur der gefeierte, der hoch bezahlte Star ist – sondern wie er auch mitansehen muss, wie andere die große Karriere machen.

Yabo war Kapitän der DFB-U17-Mannschaft, die 2009 die Europameisterschaft gewann. Kaum vorstellbar, das wissen selbst viele deutsche Fußballfans nicht mehr. Er spielte mit Mario Götze (BVB, jetzt Bayern) oder Torhüter Marc-André ter Stegen (Gladbach, jetzt Barcelona) in einer Mannschaft. Sie stehen im Rampenlicht, verdienen sehr viel Geld, Götze hat Deutschland zum WM-Sieg geschossen; Yabo aber kennt keinen Neid. Es gibt sie eben, diese Umwege, die manche nach oben befördern und andere nach unten. Yabos Karriere gewann nach dem EM-Sieg nicht mehr an Höhe, der als hochbegabt eingestufte Fußballer schaffte den Anschluss nicht.

Diese Situation müsse er akzeptieren, erzählt er gern in seinen Predigten, schließlich könne nicht jeder ganz oben stehen und er habe sich damit arrangiert. „Und ich freue mich für die anderen.“ Es sind Sichtweisen, die sowohl in der heutigen Gesellschaft als auch im modernen Profifußball wie Fremdwörter klingen. Doch was soll Yabo anderes erzählen? Statistiken zeigen jedes seiner Spiele, zur körperlichen Unreife kamen Verletzungen, fehlende Akzeptanz bei manchem Trainer, die von anderen Spielsystemen sprachen und auf ihn verzichteten. Das Profigeschäft verlangt viele Faktoren, zumeist auch Glück – Yabo fehlte es für den großen Kontrakt in der Bundesliga oder den Einzug in die DFB-Mannschaft. Dass seine afrikanischen Wurzeln mitentscheidend waren, glaubt er nicht. Er sagt: „Gott hat es so gewollt, mit einer gewissen Absicht.“

Der Glaube wird im Sport, auffällig oft im Fußball, plakativ zur Schau gestellt. Bei Einwechslungen, wenn sich Spieler bekreuzigen oder ihre dicken Halsketten küssen; vom ausgelassenen Torjubel oder Botschaften unter dem Trikot ganz zu schweigen. Für manche ist das Stadion eine Pilgerstätte, sie verwechseln es jedoch oft genug mit einer Kirche. In vielen Stadien, nicht nur in Barcelona, gibt es aber tatsächlich echte Kapellen.

In Fußballstadien sind auch Hochzeiten modern, mancher Fan will hier begraben sein, es besteht für viele eine Nähe zwischen Fußball und Religion, wenngleich der Weltverband Fifa jede Botschaft sofort ahndet.

Reinhold Yabo hält es in diesem Punkt wie Österreichs Bayern-Spieler David Alaba. Ein Leben ohne Gott sei wie Fußball ohne Ball, sagt er. Gott stehe über allem, komme immer vor Wohlstand, Publicity oder Erfolg. Und dennoch, man müsse hierbei zwei Seiten respektieren: die einen, die das offen zur Schau tragen, aber auch die anderen, die ihren Glauben still leben, sich damit den Mitmenschen nicht aufdrängen.

Nicht jeder wolle darüber sprechen, sich erklären, seine Gefühle, Gedanken über Gott schildern. Religion und Glauben, das sind doch private, intime Seiten; es ist das Transzendente. Yabo („Ich will niemandem etwas aufzwingen“) folgt unaufhaltsam unter diesem Credo seinem Traum. Eines Tages will er in der Bundesliga spielen, vielleicht im Europacup. Er vertraut dem Doppelpass mit Gott. Der Ball kommt immer zurück.

Yabo will mithelfen, anpacken, Gutes tun. Das Lachen gerate doch zu oft in Vergessenheit. Glaube wird oft zur Schau gestellt. Bei Einwechslungen, beim Torjubel, auf dem Trikot.
»Ein Leben ohne Gott ist wie Fußball ohne Ball.«

REINHOLD YABO

Fußballer (Karlsruher SC) und Prediger

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2014)

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