Blatter spaltet die Fußballwelt

Joseph Blatter
Joseph Blatter(c) APA/EPA/STEFFEN SCHMIDT (STEFFEN SCHMIDT)
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Joseph Blatter stellt sich in Zürich ungeachtet aller Korruptionsvorwürfe der Präsidentenwahl. Sponsoren fordern ein Umdenken, Michel Platini bat ihn um Rücktritt, Europa erwägt den Fifa-Austritt.

Zürich/Wien. „Gegen Sepp Blatter wird nicht ermittelt, er kann jederzeit aus der Schweiz ausreisen. Und ja, er stellt sich selbstverständlich der Wiederwahl!“ Ermittlungen der Schweizer und US-Justiz haben den Fußballweltverband Fifa vor dem Kongress in Zürich ins Chaos gestürzt. Funktionäre wurden verhaftet, vom Verband gesperrt, es wird wegen Untreue, Bestechung und Korruption ermittelt – doch Sepp Blatter, das erfuhr „Die Presse“ aus Fifa-Kreisen, bleibt unangetastet.

Auf dem Schweizer lastet enormer Druck, daher sagte der 79-Jährige alle Termine am Donnerstag bis auf die Kongresseröffnung ab. Europas Fußballbund (Uefa) beschloss, die Wahl nicht zu boykottieren.

1. Wie funktioniert die Wahl zum Fifa-Präsidenten, wer sind Blatters Gegner bzw. Verbündete?

Die Fifa zählt 209 Mitgliedsverbände, jeder hat eine gleichwertige Stimme. Für die Wahl zum Präsidenten ist im ersten Durchgang eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, im zweiten Durchgang genügt die Mehrheit. Die Verteilung: Afrika (Caf) 54 Stimmen, Europa (Uefa) 53, Asien (Afc) 46, Südamerika (Conmebol) zehn, Nord-/Mittelamerika (Concacaf) 35 und Ozeanien (Ofc) elf. Asien, Afrika, Amerika und Ozeanien setzen auf Blatter.

2. Prinz Ali bin al-Hussein ist der einzige Gegenkandidat, welche Chancen hat er?

Die Uefa will zu großen Teilen für Prinz Ali bin al-Hussein, den jordanischen Vizepräsidenten der Fifa, stimmen. Um Blatters Wiederwahl zu verhindern, müssten sich andere Konföderationen anschließen. Doch selbst Jordanien stimmt für Blatter.

3. Ist im Fall einer Wiederwahl Blatters ein Rückzug der Uefa aus dem Weltverband möglich?

Uefa-Präsident Michel Platini schloss den Fifa-Austritt nicht aus, man werde sich nach dem Champions-League-Finale am 6.Juni in Berlin beraten. Er habe Blatter „unter Tränen“ um den Rücktritt gebeten. Vergebens. „Er sagte: ,Zu spät. Ich kann nicht aufhören.‘“

4. Welche Folgen haben die Ermittlungen für die
WM 2018 und 2022 – erfolgt eine Neuvergabe?

Die Schweizer Staatsanwaltschaft ermittelt; die Durchsuchungen im Fifa-Hauptquartier wurden pikanterweise durch die Strafanzeige des Weltverbandes angestoßen. Für eine Neuvergabe gibt es keine Anzeichen. Der Imageschaden für Fifa, Russland und Katar wäre enorm, die Kosten nicht zu beziffern.

5. Erfolgt die Veröffentlichung des Fifa-Berichts zu den umstrittenen WM-Vergaben?

Der Fifa-interne Untersuchungsbericht zu den Korruptionsvorwürfen wurde im November der Schweizer Staatsanwaltschaft übergeben. Eine Veröffentlichung soll erfolgen, wenn „alle offenen Fragen geklärt sind“.

6. Wie reagieren TV-Stationen und Sponsoren auf permanente Negativwerbung und Skandale?

Das Kreditkartenunternehmen Visa mahnte „rasche und sofortige Maßnahmen“ ein, die Fifa möge ihre Probleme lösen. Automobilhersteller Hyundai legte Wert auf „ethische Normen und Transparenz“, beide Konzerne zählen neben Adidas, Coca-Cola und Gazprom zu den ständigen Marketingpartnern.

7. England und Deutschland fordern Blatters Rücktritt, welche Haltung hat Österreich?

Blatter habe man „bisher persönlich nichts vorwerfen können“, sagt ÖFB-Präsident Leo Windtner. Dass der Schweizer „vielleicht übersehen hat, die notwendigen Schritte einzuleiten, liegt auf der Hand“. Sportminister Gerald Klug: „Ich halte die Entscheidung, Blatter nicht zu unterstützen, für gut.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2015)

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