Fifa-Wahl: Blatters Business as usual

FIFA President Blatter arrives at the 65th FIFA Congress in Zurich
FIFA President Blatter arrives at the 65th FIFA Congress in Zurich(c) REUTERS (RUBEN SPRICH)
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Trotz aller Skandale, Rücktrittsforderungen und Europas Drohungen: Joseph Blatter stellte sich beim Kongress in Zürich der Präsidentenwahl – und sah keinerlei Schuld bei sich.

Zürich/Wien. Joseph Blatter hat vor der Wahl des Fifa-Präsidenten nach altbekanntem Muster die Verantwortung für den Korruptionsskandal um den Fußballweltverband auf einzelne Schuldige abgewälzt. Der Schweizer forderte im Hallenstadion von Zürich angesichts des größten Bebens in der Geschichte der Fifa ein aktives Mitarbeiten der 209 Mitglieder. „Heute rufe ich Sie zum Teamgeist auf, damit wir gemeinsam fortschreiten können. Wir sind zusammengekommen, um die Probleme anzupacken“, sagte der Schweizer in seiner Begrüßungsansprache.

Den jüngsten Skandal der Festnahmen von sieben Funktionären stellte er nicht als Vergehen der Fifa dar. „Die Schuldigen, wenn sie denn als schuldig verurteilt werden, sind Einzelpersonen, das ist nicht die gesamte Organisation“, erklärte der Schweizer. Er sei bereit zu akzeptieren, dass der Fifa-Präsident für alles verantwortlich gemacht werde, diese Verantwortung müsse aber geteilt werden.

„War das wirklich Zufall?“

Stattdessen witterte er einen Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt der Festnahmen und dem Kongress. „Ich spreche da nicht von einem Zufall, ich stelle zumindest die Frage, ob es Zufall war“, sagte der 79-Jährige in seiner 20-minütigen Ansprache.

Auf Antrag der USA wurde beschlossen, dass die Wahl nicht mit dem elektronischen Wahlsystem, sondern per Stimmzettel erfolgen soll. Die Fifa rechnet mit einem ungewöhnlich langen Kongress. Die traditionelle Pressekonferenz mit dem Präsidenten wurde schon im Voraus auf Samstag (11.30 Uhr) verlegt, im Anschluss an die anberaumte Sondersitzung des Fifa-Exekutivkomitees, bei der über die künftigen WM-Startplatzquoten entschieden werden soll.

„Die Ereignisse von Mittwoch haben einen echten Sturm ausgelöst“, sagte Blatter zur Festnahme von sieben Funktionären, darunter seinen Stellvertretern Jeffrey Webb und Eugenio Figueredo. „Machen wir uns an die Arbeit, bleiben wir konzentriert, keine langwierigen Diskussionen, gehen wir nach vorn, suchen wir die Lösung“, sagte Blatter. Als Ursache der Krise wertete der Schweizer die WM-Vergabe 2018 an Russland und 2022 an Katar, die auch von Schweizer Behörden untersucht wird. „Wenn zwei andere Länder aus dem Umschlag gezogen worden wären, hätten wir diese Probleme nicht“, meinte Blatter.

Kurz vor dem Beginn des Kongresses haben vor dem Hallenstadion mehrere Dutzend Menschen lautstark für einen Ausschluss Israels aus dem Fußballweltverband demonstriert. Der palästinensische Verband hat für die Vollversammlung der 209 Fifa-Mitgliedsländer einen entsprechenden Antrag gestellt. Im Kongresssaal wurden zwei Frauen rasch abgeführt, die Parolen riefen und eine Palästina-Fahne schwenkten. Zudem haben Demonstranten vor der Halle Kreuze aufgestellt, die an verstorbene Wanderarbeiter in Katar erinnern sollen. Außerdem ging eine Bombendrohung ein, wie von der Stadtpolizei Zürich bestätigt wurde. Nähere Angaben wurden zunächst nicht gemacht.

Auch Ermittlungen in England

Nach den USA und der Schweiz haben auch die britischen Strafverfolgungsbehörden Ermittlungen gegen hochrangige Funktionäre der Fifa begonnen. Das Serious Fraud Office untersuche „aktiv“ Unterlagen, die Behörde habe deutlich gemacht, dass sie bereit sei, „laufende internationale Ermittlungen zu unterstützen“, sagte eine Sprecherin am Freitag in London. Und Premier David Cameron stimmte in den kollektiven Tenor ein, er forderte Sepp Blatter zum Rücktritt auf.

Egal, wer letztlich die Wahl gewinnen sollte – Blatter galt bis zuletzt als Favorit –, der neue Präsident muss sich nach Ansicht der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel vor allem um die Aufklärung der Korruptionsvorwürfe kümmern. Dies sagte Deutschlands Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin.

„Wer immer als Sieger aus dieser Wahl hervorgeht, hat zuvörderst die Aufgabe, sich für die Aufklärung dieser Vorwürfe einzusetzen und die Weichen so zu stellen, dass die Fifa der Zukunft von so etwas nicht mehr belastet wird“, sagte Seibert. Die Kanzlerin halte Korruption für ein großes, aber auch weltweites Übel. Im Sport sei sie zuletzt aber besonders markant gewesen. „Es kann nur einen Weg geben, und dieser Weg heißt Aufklärung“, so Seibert. Dann seien die entsprechenden rechtlichen Konsequenzen zu ziehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2015)

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