Fifa-Skandal: Das Ende der Ära Joseph Blatter

File photo of FIFA President Blatter reacting during a news conference after the Extraordinary FIFA Executive Committee Meeting at the FIFA headquarters in Zurich
File photo of FIFA President Blatter reacting during a news conference after the Extraordinary FIFA Executive Committee Meeting at the FIFA headquarters in Zurich(c) REUTERS
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Die Schweizer Behörden haben ein Strafverfahren gegen Joseph Blatter eingeleitet, er wurde am Freitag einvernommen, das Büro durchsucht. Uefa-Präsident Michel Platini ist Zeuge.

Zürich. Nun ist offiziell: Joseph Blatter ist im Korruptionsskandal der Fifa ein Verdächtiger. Wie die Schweizer Bundesanwaltschaft am Freitag bekannt gab, wurde ein Strafverfahren gegen den Präsidenten des Fußballweltverbandes eröffnet. Der Coup hatte sich insofern angedeutet, als die geplante Pressekonferenz mit Blatter nach der Sitzung des Exekutivkomitees ohne Angabe von Gründen kurzfristig abgesagt worden war. Gut zwei Stunden später ließ die Behörde dann die Bombe platzen.

Wie die Bundesanwaltschaft mitteilte, wurde das Verfahren gegen Blatter bereits am Donnerstag eingeleitet. Es bestehe der Verdacht „der ungetreuen Geschäftsbesorgung (Art. 158 StGB) und – eventualiter – wegen Veruntreuung“. Konkret soll Blatter im September 2005 mit der karibischen Fußballunion unter Präsident Jack Warner (ebenfalls ein Verdächtiger) einen Vertrag zum Nachteil der Fifa abgeschlossen und somit gegen die Interessen der eigenen Organisation verstoßen haben. Zum anderen soll der 79-Jährige im Februar 2011 eine „treuwidrige Zahlung“ von zwei Millionen Franken an Uefa-Präsident Michel Platini geleistet haben. „Für den Präsidenten der Fifa, Joseph Blatter, gilt wie für alle Beschuldigten die Unschuldsvermutung“, betonte die Behörde.

Blatter wurde noch am Freitag von Vertretern der Bundesanwaltschaft als Beschuldigter einvernommen, Platini als Zeuge befragt. Zuvor hatten die Ermittler Blatters Büro im Fifa-Hauptquartier durchsucht und Datenmaterial sichergestellt. Die Fifa wollte sich dazu nicht äußern: „Wir werden keine weiteren Kommentare abgeben, da es eine laufende Ermittlung ist.“

Das Wissen der Vertrauten

Dass Blatter seine Präsidentschaft bis zum geplanten Abtrittstermin am 26. Februar 2016 fortsetzt, erscheint angesichts der letzten Entwicklungen undenkbar. Bis zuletzt hat der Schweizer seine Unschuld beteuert. „Ich weiß, was ich getan habe, was ich nicht getan habe. Ich habe mein Gewissen, und ich weiß, dass ich ein ehrenwerter Mann bin. Ich bin sauber“, sagte er vergangenen Monat der BBC. Doch mit jeder Woche näherten sich die Kreise der Ermittler dem Fifa-Chef ein Stück, vergangene Woche erreichten die Korruptionsvorwürfe schließlich Intimus Jerome Valcke. Gegen den Generalsekretär wurden schwere Vorwürfe über die Vergabe von Tickets, Hotel- und VIP-Paketen bei den Weltmeisterschaften von 2006 bis 2022 erhoben, die Fifa suspendierte den Franzosen daraufhin.

Von seinen engsten Vertrauten dürfte Blatter auch die größte Gefahr drohen. Neben Valcke befinden sich mit Warner und Jeffrey Webb zwei enge Wegbegleiter in den Händen der US-Justiz. Beide dürften Kenntnisse über die Vorgänge innerhalb der Fifa haben und könnten Blatter zusätzlich belasten. Insbesondere Warner, dem die Auslieferung an die USA droht, hat seit seiner Festnahme mehrmals mit Enthüllungen gedroht.

Welche Rolle hat Platini?

Auch die Rolle von Platini wird nun wohl genauer unter die Lupe genommen. Der Uefa-Präsident gilt als aussichtsreichster Kandidat für die Wahl, allerdings scheinen auch in seiner Vita fragwürdige Aspekte auf. So galt der Franzose lange Jahre als Kronprinz Blatters, pflegte bis zum Zerwürfnis eine enge Verbindung. Auch hat Platini offen zugegeben, für die umstrittene WM in Katar gestimmt zu haben, kurz danach trat sein Sohn einen hoch dotierten Job im Emirat an.

Wohl nicht zufällig gibt es von anderen Mitgliedern des Exekutivkomitees offenbar massiven Widerstand gegen die geplanten Reformen der eingesetzten Arbeitsgruppe um François Carrard. DFB-Präsident Wolfgang Niersbrach bremste daher Erwartungen auf eine schnelle Aufarbeitung. „Aber es gibt keine Alternative, als mit kühlem Kopf diesen Weg zu beschreiten.“

AUF EINEN BLICK

In der Fifa-Korruptionsaffäre ermittelt die Schweizer Bundesanwaltschaft jetzt auch gegen Joseph Blatter. Man habe „ein Strafverfahren wegen des Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung sowie – eventualiter – wegen Veruntreuung eröffnet“.
Sepp Blatter ist am Freitag in Zürich bereits vernommen worden. Zudem wurde sein Fifa-Büro durchsucht – und Datenmaterial sichergestellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2015)

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