Albanien: Ein Prügelknabe im Freudentaumel

Roshi: nur durch Fouls zu stoppen.
Roshi: nur durch Fouls zu stoppen.(c) AFP (KAREN MINASYAN)
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Albanien ist nach Island, Nordirland und Wales der vierte Debütant bei der EM-Endrunde in Frankreich, Eine Generation aus Flüchtlingskindern prägt nun das Nationalteam, sie wird sogar als „Stolz der Nation“ gepriesen.

Tirana/Wien. Albaniens Qualifikation für die EM 2016 in Frankreich hat das Drei-Millionen-Land in Begeisterung versetzt. Nachdem die Fußballer die Qualifikation mit einem 3:0 in Armenien perfekt gemacht hatten, wurden die Spieler und der italienische Teamchef, Giovanni De Biasi, von den Medien zum „Stolz der Nation“ erklärt. Staatspräsident Bujar Nishani kündigte sogar an, jeden mit dem Nationalorden auszuzeichnen.

Albanien ist nach Island, Nordirland und Wales der vierte Debütant, der in Frankreich dabei sein wird. Fußball ist der beliebteste Sport auf dem Westbalkan, doch Albanien war lange Zeit der europäische Prügelknabe. Nach Zusammenbruch der Diktatur verließen hunderttausende Menschen das Land, es herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände. Länderspiele wurden ins Ausland verlegt, Albaniens Fußball war am Boden, das Nationalteam ein Punktelieferant.

Heute besteht die Nationalmannschaft aus den Kindern der albanischen Diaspora, einer Generation, die vom Chaos in der Heimat verschont geblieben und die in Ländern mit professionellen Fußballstrukturen zu Profis gereift ist. Die besten Albaner spielen heute in Italien, Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Auch die Eltern von Lorik Cana, 32, flohen aus dem Kosovo in die Schweiz. „Als ich vor zwölf Jahren für Albanien zu spielen begann, habe ich nicht geglaubt, dass dieser Tag kommen wird“, sagte der Kapitän.

Brisantes Duell mit Serbien

Dass sich Albanien hinter Portugal als Zweiter der Gruppe I qualifiziert hat, ist eine kleine Sensation. Die weitaus stärker eingeschätzten Dänen müssen in das Play-off. Nicht nur aus albanischer Sicht war die Qualifikation turbulent. Nach dem überraschenden 1:0-Auftaktsieg in Portugal sorgte das erste Aufeinandertreffen mit Serbien für einen Skandal. In Belgrad hat am Ende der ersten Halbzeit eine Drohne mit der nationalistischen Flagge von Großalbanien einen Platzsturm der serbischen Fans provoziert. Das Spiel wurde abgebrochen und 3:0 für Albanien gewertet, die Punkte den Albanern allerdings wieder abgezogen. Der Zwischenfall hat das Klima zwischen beiden Nationen belastet.

Vergangenen Donnerstag, einen Tag vor dem neuerlichen Aufeinandertreffen, wurde in Tirana jener Mann verhaftet, der für den Drohnenflug verantwortlich sein soll. Tags darauf gewann Serbien das zweite Duell der beiden Balkan-Nationen in Elbasan 2:0, Auswärtsfans waren keine zugelassen. Kapitän Cana nahm die Niederlage gelassen: „Obwohl sie uns geschlagen haben, können sie uns in Frankreich mit Bier vor dem Fernseher zuschauen.“ (joe)


GRUPPE I

1.Portugal870111521
2.Albanien842210514
3.Dänemark83328512
4.Serbien82158137
5.Armenien80265142

Armenien–Albanien 0:3, Serbien–Portugal 1:2.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2015)

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