Fuchs: „Es ist einfach eine großartige Symbiose“

Leicester City v Chelsea - Barclays Premier League
Leicester City v Chelsea - Barclays Premier League(c) REUTERS (Andrew Yates)
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Teamkapitän Christian Fuchs über Erfolg, Euphorie und das Werk des Teamchefs.

Die Presse: Mit dem ÖFB-Team die EM-Qualifikation gemeistert, mit Leicester City Tabellenführer. Lassen sich die Teams, die Situationen, vergleichen?

Christian Fuchs: Ja, doch. Bei beiden Teams schwimme ich auf einer Welle, ein Highlight jagt das nächste. Leicester-Coach Claudio Ranieri verändert ebenso selten etwas an seiner Startaufstellung wie Teamchef Marcel Koller. Beide Teams vertrauen einem Stamm – und jeder Sieg lässt die Spieler noch mehr an sich glauben.

Sie sind seit neun Monaten in Pflichtspielen ohne Niederlage. Fühlen Sie sich unschlagbar?

Nein, so ist es nicht, wobei ich mich an das Gefühl, kein Spiel zu verlieren, schon gewöhnen könnte. Aber nichts kommt von allein, jeder Spieler bei Leicester muss alles abrufen, um diesen Level halten zu können. Es geht einfach darum, nie zufrieden zu sein.

Wie ist Ihr Standing in England?

Man erwartet, dass ich meine Routine einbringe. Spielerisch ist die Rolle defensiver angelegt als im Nationalteam, weil wir bei Leicester das Konterspiel forcieren, der geordnete Spielaufbau nicht immer möglich ist. Wir haben als Tabellenführer mit den geringsten Ballbesitzanteil aller Mannschaften, das ist schon etwas skurril.

War die erfolgreiche EM-Qualifikation die Folge einer nicht aufzuhaltenden Entwicklung?

Wir haben uns kontinuierlich entwickelt, ja, aber das alleine garantiert keine Qualifikation. Dazu bedarf es schon vieler Zutaten. Du darfst als Spieler nicht zu schnell zufrieden sein, musst immer mehr wollen. Irgendwann hatten es alle Spieler verinnerlicht, dass wir über harte und konsequente Arbeit im Team zum Erfolg kommen können.

Wie groß ist der Anteil von Marcel Koller wirklich?

Schauen Sie sich einfach die letzten paar Jahre an. Seit er übernommen hat, geht es kontinuierlich bergauf. Als Mannschaft brauchst du einen Mann, der etwas vorgibt. Marcel Koller tut das, die Spieler folgen ihm. Aber klar, neben dem Trainer brauchst du auch das nötige Spielermaterial, um Erfolg haben zu können. Es ist einfach eine großartige Symbiose.

Die EM-Gruppe mit Portugal, Ungarn und Island erlaubt vom Aufstieg zu sprechen, oder?

Es gibt andere Gruppen, die schwieriger sind. Und dennoch: Ungarn hat sich im Playoff gegen Norwegen durchgesetzt, Island hat zwei Mal die Niederlande bezwungen. Auch wenn es vielleicht nicht die großen Namen sind: Diese Teams haben in der Qualifikation Entsprechendes geleistet. Und was Euphorie bewirken kann, hat man ja bei uns gesehen. Nichts geht von allein, selbst wenn das die breite Öffentlichkeit nach dieser Auslosung vielleicht glauben mag. Wir müssen aufpassen, auch wenn ich behaupte: Wenn wir konzentriert bleiben, Gas geben, dann werden wir ein gutes Turnier spielen. Verstecken brauchen wir uns vor niemandem, das haben wir bewiesen.

Vor der Konkurrenz wiederholt warnen und sich zugleich stets der eigenen Stärke besinnen: Ein schwieriger Spagat?

Deshalb sind wir Profis, deshalb spielen wir im Nationalteam. Genau das können wir.

Warum ist das ÖFB-Team die oft zitierte Wohlfühloase?

Weil sich dort wirklich alle wohl fühlen. Und wenn du dich in deinem Beruf wohl fühlst, dann übst du ihn auch viel lieber aus. Jeder freut sich, wenn er auf dem Platz stehen darf. Jeder läuft sich für seine Mitspieler die Füße wund.

Es wurde eine nicht für möglich gehaltene Euphorie entfacht. Inwiefern spüren Sie diese?

Wenn ich in Österreich bin, bekomme ich das alles mit, darauf kann auch jeder mächtig stolz sein. In England geht die Euphorie an mir vorbei, was aber ganz angenehm ist. Ich bin ein Mensch, der gerne seine Ruhe hat, lieber undercover unterwegs ist. Ich bin keiner, der den Rummel braucht.

Sie haben vor sieben Jahren Mattersburg verlassen, hatten in Deutschland Erfolg. Heute spielen Sie für Englands Tabellenführer und fahren 2016 zur EM. Ein kleines Fußball-Märchen?

Ich habe auf eine solche Karriere gehofft, vorhersehen lässt sie sich nicht. Es war nicht immer einfach, und ich weiß, wo ich herkomme. Ja, ich bin schon stolz darauf.

Für den Endspurt haben Sie schon einen konkreten Plan.

Mein Vertrag in England läuft bis Sommer 2017, danach wird mein Weg nach Amerika (Ehefrau Raluca, Sohn Anthony und Stiefsohn Ethan leben in New York, Anm.) führen. Für mich hat dann meine Familie Priorität. Da geht nichts darüber, auch nicht der Fußball.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2015)

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