Euro 2016 – das Turnier der Sehnsüchte

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24 Nationen, darunter auch Österreich, suchen ab 10. Juni in Frankreich einen neuen Europameister. Im Fokus stehen Spielqualität, Modus – und Sicherheitsmaßnahmen.

Fußball-Europameisterschaften sind den Kinderschuhen längst entwachsen. Sie sind mittlerweile nach Weltmeisterschaft und Olympia das drittgrößte Sportereignis der Welt. Ab 10. Juni 2016 wartet in Frankreich eine „Monsterveranstaltung“, weil man im Vorfeld ein wenig künstlich nachgeholfen hat. Das Teilnehmerfeld wurde von 16 auf 24 aufgebläht, auch Österreich hat davon zweifellos profitiert – allerdings wurde erstmals auf sportlichem Weg die Qualifikation geschafft. Österreich wurde sogar ungeschlagen Gruppensieger. Die Euphorie im Lande ist riesig, im Juni warten in Gruppe F Portugal, Ungarn und Island.

Die EM-Erweiterung hat vor allem der mittlerweile für acht Jahre von allen Fußballaktivitäten ausgesperrte Uefa-Präsident Michel Platini (Einspruch vor dem Sportgerichtshof läuft) betrieben. Mehr Teams, mehr Einnahmen, mehr Spiele – aber es gibt jetzt schon Kritiker, die um das sportliche Niveau des Turniers bangen. Früher lautete das Urteil von Fußballexperten, dass eine EM schwerer als eine WM zu gewinnen sei. Ob diese Ansicht nach Frankreich 2016 auch noch so ausfällt, ist fraglich.

Die Qualität von früher, in dieser geballten Form, scheint verloren gegangen zu sein. Vor allem in der Vorrunde könnte es zu einer Fortsetzung der Qualifikation kommen. „Todesgruppen“ gibt es eigentlich nicht mehr, der Begriff der „Verwässerung“ hält Einzug in den zehn Euro-Stadien. Schließlich qualifizieren sich auch die vier besten Tabellendritten der sechs Gruppen für das Achtelfinale. Das erscheint Fußballpuristen wie ein Hintertürchen, manche sprechen sogar von einer krummen Tour.

Auf den Spuren der Équipe Tricolore

All diese Bedenken stören Österreich, erstmals seit der Heim-EM 2008 wieder bei einem internationalen Turnier dabei, keineswegs. Schon bei der Auslosung am 12. Dezember in Paris fühlte sich die ÖFB-Auswahl als Sieger, die Mannschaft von Marcel Koller trifft auf Portugal, Ungarn und Island. Es sind keine Fußballriesen, „doch nur dabei zu sein“, sagt Koller, „ist uns zu wenig!“.

Logieren werden die Österreicher im Herzen der Provence. Als Basisquartier wurde das Viersternehotel Moulin de Venegues bei Mallemort gewählt, es liegt zwischen Avignon und Aix-en-Provence und diente bereits der Équipe Tricolore bei der WM 1998 als zweites Zuhause. Die Anfahrtswege sind kurz, den Flughafen von Marseille erreicht man in 40 Minuten. Koller ist zufrieden: „Dort können wir genug Energie tanken, es ist ein Ort der Regeneration und der Ruhe.“ Die Anreise soll am 8. Juni erfolgen und damit zwei Tage vor dem EM-Start und sechs Tage vor dem Auftaktspiel gegen Ungarn (siehe Exklusiv-Interview unten).

EM-Favoriten zu nennen, ist diesmal so richtig schwierig. Titelverteidiger Spanien (2012 – 4:0 im Finale gegen Italien) könnte einer sein, aber auch Deutschland sieht sich gegen Ukraine, Polen und Nordirland in der Gruppenphase als Favorit. Teamchef Joachim Löw sagt: „Wer Europameister werden will, muss früher oder später so und so jeden schlagen.“ Man freut sich, es vorerst nicht mit Angstgegner Italien zu tun zu bekommen. „Wir haben Glück“, sagt Löw, „aber irgendwann will ich wieder gegen die Italiener spielen. Und dann will ich sie schlagen.“ Zur Erinnerung: Im WM-Halbfinale 2006 unterlag Deutschland 0:2 nach Verlängerung. Im EM-Semifinale 2012 schoss Mario Balotelli die Squadra Azzurra zum 2:1-Triumph. In Frankreich 2016 könnte es bereits im Viertelfinale soweit sein, so beide als Gruppenerster aus der Vorrunde hervorgehen.

Zwerge, Stars und Störenfriede

Insgesamt stehen vom 10. Juni bis 10. Juli 51 Partien in zehn Spielorten (zweimal Paris, Marseille, Lyon, Lille, Bordeaux, Lens, St. Etienne, Toulouse, Nizza) auf dem Programm. Das Finale ist St. Denis geplant. Das Eröffnungsspiel ebenfalls.

Interessant zu beobachten werden „Zwerge“ wie Albanien oder Island sein. Aber, wer wird der Star dieser Euro? Rooney, Özil oder Hazard? Österreichs Gegner Portugal steht und fällt mit Megastar Cristiano Ronaldo, er kann dem Turnier seinen Stempel aufdrücken. Die Schweden klammern sich an Zlatan Ibrahimović.

Eines der beherrschenden Themen dieser Europameisterschaft wird jedenfalls auch das Kapitel Sicherheit sein. Nach den Terroranschlägen in Paris im vergangenen November wird jedes teilnehmende Land auch eigene Verbindungsbeamte nach Frankreich schicken. Geht es um mögliche Attacken, stehen jene Länder im Fokus, die sich massiv im Kampf gegen den IS beteiligen. Erhöhte Vorkehrungen bei Stadien, Flughäfen und öffentlichen Plätzen sind gewiss. Dem Sportfest wird das aber keine Grenzen setzen.

EURO 2016: Gruppen

A: Frankreich, Schweiz, Rumänien, Albanien

B: England, Russland, Slowakei, Wales

C: Deutschland, Ukraine, Polen, Nordirland

D: Spanien, Kroatien, Tschechien, Türkei

E: Belgien, Italien, Schweden, Irland

F: Portugal, Österreich, Ungarn, Island

Österreichs Bilanz gegen die Gruppengegner:

ÖFB gegen Island: 3 Spiele, 1 Sieg, 2 Unentschieden (Torverhältnis 3:2). 14. Juni, 18 Uhr, Bordeaux.

ÖFB gegen Portugal: 10 Spiele, 3 Siege, 5 Remis, 2 Niederlagen (Torverhältnis 19:11). 18. Juni, 21 Uhr, Paris (Parc des Princes).

ÖFB gegen Ungarn: 136 Spiele, 40 Siege, 30 Unentschieden, 66 Niederlagen (Torverhältnis 252:297). 22. Juni, 18 Uhr, Paris Saint-Denis.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.01.2016)

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