Atlético Madrid: Das gefürchtetste Team Europas

(c) APA/AFP/GERARD JULIEN
  • Drucken

Atlético Madrid besiegt Barcelona und steht im Halbfinale. Vom schönen Spiel hält die Mannschaft nichts, sie kämpft mit kompromissloser Defensive und „ehrlicher Arbeit“.

Wien. Der große FC Bayern, die Königlichen von Real Madrid, das Starensemble von Manchester City – drei Topklubs stehen im Halbfinale der Champions League und sie alle fürchten sich vor Atlético Madrid. Nur 28 Prozent Ballbesitz hat Atletico gereicht, um den FC Barcelona mit einem 2:0 im Viertelfinalrückspiel aus dem Bewerb zu verabschieden. Und das, obwohl der Triple-Gewinner des Vorjahres mit einer 2:1-Führung aus dem Hinspiel nach Madrid gekommen war. Das Vicente Calderón präsentierte sich aber einmal mehr als Festung, in den jüngsten 29 Europacuppartien haben die Hausherren hier nur zweimal verloren. Atlético ist derzeit wohl der unangenehmste Gegner in Europa, keine Mannschaft ist bei der heutigen Halbfinalauslosung (11.30 Uhr, live Eurosport) gefürchteter.

Gegen Barcelona war Torjäger Griezmann mit einem Doppelpack (36., 88./Elfer) der gefeierte Held, doch es waren Gabi, Koke, Fernández und Saúl, die den katalanischen Ballkünstlern im Mittelfeld weder Zeit noch Räume gaben. Hat der Ball dennoch das Dreigestirn Messi-Neymar-Suárez erreicht, waren die Außenverteidiger Juanfran und Felipe Luís sowie Kapitän Godín und Hernández im Abwehrzentrum zur Stelle. Allesamt beinharte, kompromisslose Verteidiger, die regelmäßig gegen die Stars der spanischen Liga – Stadtrivale Real gewann zuletzt 2013 bei Atlético – aufräumen. Und sie beherrschen alle Tricks, auch die weniger schönen. Beim jüngsten Sieg begingen sie doppelt so viele Fouls wie Barcelona (20:10). Am Ende ließen die Defensivexperten nur vier Torschüsse zu, wenig Gefahr für den mit 23 Jahren schon sehr abgeklärten Schlussmann Jan Oblak.

Das Rumpelstilzchen

Dirigiert wird der Abwehrriegel von Diego Simeone. Der Argentinier besticht weder mit Eleganz wie Real-Trainer Zinedine Zidane noch ist er ein Verfechter des schönen Spiels wie Bayern-Coach Pep Guardiola. Im Gegenteil: Simeone, stets in Schwarz gekleidet, tobt und brüllt, in der Coaching-Zone gibt er das Rumpelstilzchen, sein Auftritt ist Sinnbild des Atlético-Spiels. Dazu gehören auch die von ihm gepriesenen Tugenden. „Es gibt immer weniger Werte in der Gesellschaft, aber wir sind alle ehrliche Arbeiter, die gewinnen oder verlieren können. Wir machen uns selbst durch unsere Mittel stark“, erklärt der 45-Jährige.

Seit 2011 spielt er mit Atlético auf Topniveau. Champions-League-Finale 2014, Europa-League-Triumph 2012, spanischer Meister 2014, Pokalsieger 2013 – immer wieder findet Simeone Mittel und Wege, obwohl nach jeder erfolgreichen Saison Leistungsträger wie Falcao, Diego Costa oder zuletzt Arda Turan (nach Barcelona) abwandern. „Wir haben nie aufgehört, an uns zu glauben, wir geben nie auf“, sagt der Coach.

Barcelona will nun zumindest Cup (Finale gegen Sevilla) und Meistertitel ins Trockene bringen. Nach zwei Ligapleiten in Folge ist Atlético auf drei Punkte herangerückt. „Es ist augenscheinlich, dass wir in ein Loch gefallen sind. Wir sind nicht in Topform, uns fehlt die Effizienz, vor allem wenn bedenkt, auf welchem Niveau wir heuer schon gespielt haben“, erklärte Trainer Luis Enrique.

Alaba in der Kritik

Der FC Bayern steht nach einem 2:2 bei Benfica Lissabon (Gesamt 3:2) nun zum fünften Mal in Folge im Halbfinale. Deutsche Medien gingen mit David Alaba allerdings hart ins Gericht. Sein Auftritt in Lissabon sei exemplarisch für die wackelige Abwehr der Bayern gewesen, der ÖFB-Star trage zudem Mitschuld am ersten Gegentreffer. „Vielleicht waren wir nicht ganz auf unserem Toplevel, aber wir haben Siegermentalität“, meinte Sportvorstand Matthias Sammer.

Auf einen Blick

Atlético Madrid machte zu Hause gegen Barcelona einen 1:2-Rückstand aus dem Hinspiel wett, gewann 2:0 und steht nun im Halbfinale der Champions League. Weil sich die Atlético-Defensive von ihrer besten Seite gezeigt hat, sind die Madrilenen vor der Halbfinalauslosung in Nyon (11.30 Uhr, live Eurosport) bei den übrigen Semifinalisten Bayern München, Real Madrid und Manchester City der gefürchtetste Gegner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Antoine Griezmann
Fußball-International

Champions League: Barcelona ereilt Titelverteidiger-Fluch

Die Katalanen verloren das Viertelfinal-Rückspiel gegen Atletico Madrid 0:2 und schieden aus. Bayern genügte ein 2:2 bei Benfica zum Aufstieg.
Der Hauptdarsteller und sein Theater: Cristiano Ronaldo lässt sich im Estadio Santiago Bernabeu von 80.000 frenetischen Fans feiern.
Fußball-International

Champions League: Die DNA eines Torjägers

Cristiano Ronaldo strafte im Viertelfinale gegen Wolfsburg Kritiker Lügen und stellte seine Hochform eindrucksvoll unter Beweis. Zidane: „Er hat demonstriert, wie gut er ist.“
Real Madrid v VfL Wolfsburg - UEFA Champions League Quarter Final Second Leg
Fußball-International

Champions League: Die Magie des Cristiano Ronaldo

Cristiano Ronaldo sichert Real Madrid beim 3:0 gegen Wolfsburg den Halbfinal-Einzug im Alleingang.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.