Gábor Király: "Die EM ist für uns ein Meilenstein"

 Torhüter-Legende Gábor Király: stets gut gelaunt und immer ein sicherer Rückhalt seiner Mannschaft.
Torhüter-Legende Gábor Király: stets gut gelaunt und immer ein sicherer Rückhalt seiner Mannschaft.imago sportfotodienst
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Ungarn ist erstmals seit 1972 wieder bei einer EM-Endrunde dabei und trifft in Gruppe F auf Österreich. Torhüter Gábor Király spricht über Träume, Idole, Rapid, das Alter – und Toni Polster.

Ungarn hat sich für die Europameisterschaft qualifiziert, ist erstmals seit 1972 wieder bei der Endrunde dabei und trifft prompt auf Österreich. Die Historie beider Länder ist lang, die Emotionen sind ähnlich. Ist es für Ungarn ein Wunder?

Gábor Király: Ich denke, es war ganz harte Arbeit, vom ganzen Volk. Die EM in Frankreich ist für uns aber keine Endstation, sondern ein sehr wichtiger Zwischenstopp. Wir müssen weiterarbeiten, müssen diese EM genießen und daraus lernen. Das sagt eigentlich alles. Wunder, nein, das wäre übertrieben. Wir glauben an unserer Stärke als Mannschaft, wir haben diesen Erfolg als Team geschafft. Das ist eine neue Generation, ein Meilenstein. Ich bin stolz, Teil dieser Mannschaft zu sein.

Wenn Großes geschafft wird, sucht man, wie auch im Misserfolg, immer nach den Gründen. Welchen Anteil hatten etwa die Trainer Bernd Storck oder Andreas Möller daran, welchen die Spieler?

Wir sind in diese Qualifikation schlecht gestartet, verloren daheim gegen Nordirland mit 1:2. Dann kam Pál Dárdai aus Berlin, hat die Mannschaft übernommen und neu geformt. Er brachte Stabilität und Erfolg mit, was er sagte, ist auf dem Platz passiert. Wir haben danach sieben Punkte geholt, die Medien und die Fans haben begonnen, an uns zu glauben, man schlug sich auf unsere Seite. Dann rief Hertha BSC Dárdai zurück, er empfahl Bernd Storck. Sie kannten sich von gemeinsamen Berliner Zeiten, auch ich kannte ihn als Co-Trainer der Berliner. Jeder wusste sofort, was der andere dachte. Und Storck hat vollendet, was Dárdai begonnen hat. Wir haben im Playoff gegen Norwegen (Anm.: 1:0, 2:1) gewonnen und sind jetzt dabei!

Im ÖFB-Team dominieren Legionäre, im ungarischen Team hingegen gibt es nur wenige bekannte Spieler. Warum?

Es gibt schon welche, nur spielen die nicht bei Topklubs! Der ungarische Fußball arbeitet aber daran, da kann die Euro sicherlich viel helfen. Gute Spiele öffnen schnell alle Tore, in jede Liga. Man kann sich zeigen. Daher ist es auch immens wichtig für jeden von uns, dass er bei der Euro dabei ist, als Stammspieler!

Sie sind jetzt 39, mit EM-Start werden Sie zum Rekordmann. Sie sind dann der älteste Euro-Spieler mit 40 Jahren und 70 Tagen. Ist es schmeichelhaft, Lothar Matthäus' Rekord zu löschen, und: Torhüter kennen doch kein Ablaufdatum?

Ja, das ist nur eine Zahl. Ich glaube immer an die Wahrheit: Erst arbeiten und aufgestellt werden, spielen – und dann kann man über Zahlen sprechen. Für mich ist das nicht so wichtig, andere Teams haben auch ältere Spieler. Rekorde, Statistik – ich will Leistung bringen, die muss stimmen. Nach der EM kann man sich aber darüber unterhalten, war ich gut, der Älteste – etc. Vorher mag ich darüber nicht spekulieren.

Dennoch, bleiben wir bei den Zahlen. Im März 1998 debütierten Sie im Nationalteam, und das erste Spiel war gegen . . .

. . . gegen Österreich. Es war wunderbar. Mich verbindet schon mein ganzes Leben lang so viel mit Österreich. Ich bin in Szombathely neben der Grenze aufgewachsen, und Österreichs Fußball war immer etwas Besonderes für uns. Mein Vater spielte auch in unteren Ligen bei euch. Und jetzt schließt sich für mich ein Kreis, bei meiner ersten EM spiele ich wieder mein erstes Spiel gegen Österreich. Das ist eine sehr schöne Geschichte. Damals hatten wir 3:2 gewonnen, ich habe einen Elfmeter gegen Toni Polster gehalten – es war eine Sensation. Unvergesslich, wie Toni. Er war damals noch in Köln, wir haben uns oft am Flughafen getroffen, und er hat mich immer laut begrüßt. Er rief: „Servuuus, Gabooooor.“

Und was passiert nun am 14. Juni? Für beide Teams ist das erste EM-Spiel womöglich schon vorentscheidend.

Bei der EM? So weit denke ich nicht. Wir müssen uns gut vorbereiten, und noch einmal: Ungarn muss diese EM genießen. Die vergangenen dreißig Jahre haben wir immer anderen die Daumen gedrückt, jetzt sind wir dabei! Nicht mehr England, Deutschland oder Italien wird gefeiert, sondern wir.

Sie kennen sicherlich auch einige österreichische Spieler.

György Garics natürlich, er kommt ja auch aus Szombathely! Sein Vater hat mit meinem gemeinsam bei Haladás gespielt, er war Kapitän. Er hat ungarische Wurzeln, wir haben gemeinsame Kindheitserinnerungen. Und natürlich, Rubin Okotie kenne ich auch. Wir spielten bei 1860 München.

Puskás, Nyilasi, Détári – bleiben Idole in Ungarn ebenso unvergessen wie in Österreich? Wer war denn Ihr Held?

Torwart Peter Hegedüs von Haladás, also übersetzt Peter Fiedler. Wegen ihm bin ich damals Torhüter geworden. Papa hatte 300 Profispiele absolviert, aber Hegedüs stand im Tor. Ein Held! Von beiden haben ich Disziplin, Vorbereitung, Emotion und das Gefühl für das Spiel gelernt.

Sie haben eine so lange, große Karriere, haben bei sehr vielen Klubs gespielt. Gibt es da besondere Highlights?

Lauter positive Erinnerungen, ich spielte in der deutschen Bundesliga, in der Champions League, im Uefa Cup. Ich war in der Premier League als erster ungarischer Torwart! Und mit dem Nationalteam habe ich viele tolle Spiele bestritten – und jetzt kommt noch die Euro, das ist wohl das Highlight.

Ich muss fragen, die Neugierde verlangt es. Gab es denn je ein Offert aus Österreich?

Nein. Als Kind habe ich immer Rapid geliebt, es gab aber auch GAK, Sturm Graz, Austria. Aber Rapid war Grünweiß – wie Haladás. Manchmal habe ich darüber nachgedacht, ja. Wir hatten ORF1 und ORF2, sahen also schwarz euer Fernsehen. Und da waren Rapid-Spiele immer super.

Farben, das ist das passende Stichwort. Es ranken sich so viele Mythen um die graue Jogginghose, in der Sie immer spielen. Was hat es mit dieser Hose denn auf sich?

Viele Torhüter tragen doch eine lange Hose heute, oder? Das war früher anders, es begann so: Ich hatte keine schwarze mehr, denn die war gerade in der Wäsche. Wir haben acht Spiele in Serie gewonnen, wegen dieser Hose! Wir schafften auch den Klassenerhalt. Dann ging ich zu Hertha und habe mit dieser grauen Hose weiter. Wir wurden Dritter, kamen in die Champions League, ich habe sie nicht mehr ausgezogen. Nicht nur aus Aberglaube! Sie ist bequem, muss sich gut anfühlen, deshalb eine lange Hose.

Torhüter werden zumeist an ihren Paraden gemessen, an Elfmetern. Wie sehen Sie das, halten Sie lieber einen Elfmeter von Cristiano Ronaldo oder Marko Arnautović?

Ach, nein. Ich will einfach nur noch dabei sein, mit 40 hast du doch schon so viel erlebt. Ich habe oft gegen Cristiano Ronaldo und alle anderen gespielt, auch genug Elfmeter gehalten. Ich möchte, dass Ungarn Erfolg hat.

Was geschieht nach der Euro, hängen Sie die Handschuhe dann an den Nagel?

Mein Vertrag läuft bis 30. Juni 2017. Mal sehen. 2003 habe ich ein Sportzentrum gebaut, ich habe meinen eigenen Verein seit 2006, eine eigene Torwartschule seit 2013, ich habe genug Arbeit. Meine Anwesenheit ist sehr wichtig im Sportzentrum, will jungen Spielern helfen, meine Erfahrung weitergeben. Dafür habe ich auch meine Karriere lang gearbeitet. Ich will helfen!

Steckbrief

Gábor Király
(*1. April 1976 in Szombathely) ist Ungarns Teamtorhüter, spielt aktuell bei Haladás Szombathely.

Karriere-Stationen
Haladás (1993–1997, 96 Spiele)
Hertha BSC (1997–2004, 198)
Crystal Palace (2004–2007, 114)
West Ham, Aston Villa, Burnley (2007–2009, 27)
1860 München (2009–2014, 168)
Fulham ('14–2015, 4)

Nationalteam
Király bestritt sein Debüt am 25. März 1998 – Ungarn besiegte Österreich mit 3:2.

40 Jahre, 70 Tage
wird der zweifache Familienvater mit Euro-Start alt sein – das ist Rekord.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2016)

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