Tauwetter auf dem Fußballplatz

A man walks with a soccer ball in front of the stage to be used for the Rolling Stones´ free outdoor concert on March 25 at Ciudad Deportiva de la Habana sports complex, Havana
A man walks with a soccer ball in front of the stage to be used for the Rolling Stones´ free outdoor concert on March 25 at Ciudad Deportiva de la Habana sports complex, Havana(c) REUTERS (ENRIQUE DE LA OSA)
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Erstmals seit fast 70 Jahren bestreitet das US-Nationalteam ein Freundschaftsspiel in Kuba. Im Schatten von Baseball wollen die Inselkicker den Aufschwung schaffen, Legionäre machen Mut.

Havanna/Wien. Manchmal ist Fußball doch mehr als nur ein Spiel. Die Begegnung, die heute (22 Uhr MESZ) im Stadion Pedro Marrero in der kubanischen Hauptstadt Havanna angepfiffen wird, steht sinnbildlich für den Begriff Freundschaftsspiel. Zum ersten Mal seit fast 70 Jahren stehen sich die Nationalteams der USA und Kubas außerhalb eines Wettbewerbs wieder auf der Karibikinsel gegenüber. „Wir sind sehr froh darüber, mit unserer Mannschaft nach Kuba kommen zu können“, erklärte Teamchef Jürgen Klinsmann. „Wir versuchen immer, unserem Team neue Erfahrungen zu ermöglichen. Das ist eine einmalige Gelegenheit. Außerdem ist es ein guter Test.“

US-Präsident Barack Obama hat 2014 das politische Tauwetter zwischen den ehemals verfeindeten Regimes eingeleitet, auch im Sport ist die Annäherung angekommen. „Mehr als auf ein gutes Ergebnis hoffen wir, dass wir ein gutes Spiel zeigen, sodass die Fans zufrieden aus dem Stadion gehen können“, sagte Kubas Trainer Raul Mederos vor dem ersten Kräftemessen in der Heimat seit 2008. Die Statistik verheißt nichts Gutes für die Inselkicker, in zwölf Spielen wurde nur ein Sieg gefeiert – 1947 in Havanna. Der zweite Vergleich endete remis, seither gingen stets die US-Amerikaner als Gewinner vom Platz, zuletzt im Viertelfinale des Gold Cup im Vorjahr.

Noch regiert König Béisbol

Das Herz der Kubaner gehört ohnehin dem Volkssport Baseball, im Spiel mit Ball und Schläger mischt die Karibikinsel in der Weltspitze mit. Als Barack Obama als erster US-Präsident seit 88 Jahren im März Kuba einen Besuch abstattete, wohnte er gemeinsam mit Staatschef Raul Castro einem Freundschaftsspiel zwischen dem MLB-Team Tampa Bay Rays und der kubanischen Nationalmannschaft bei. Seither fluten Stars aus den USA und dem Rest der Welt die Insel, Madonna, Rihanna oder die Rolling Stones waren schon da.

Dem Fußball macht die lange politische Isolation hingegen zu schaffen. Kubas erste und einzige WM-Teilnahme (1938) liegt lang zurück, derzeit rangiert das Nationalteam nur auf Rang 139. Im Gegensatz zum Baseball fristet die nationale Liga ein Schattendasein, doch ein Engagement ins Ausland war strengstens verboten. Immer wieder nutzten Fußballer – aber auch andere Sportler – Auswärtsspiele zur Flucht, derartige Nachrichten gingen in der Vergangenheit regelmäßig um die Welt.

Inzwischen aber öffnet sich die Regierung auch in dieser Beziehung, im Jänner dieses Jahres durften die Teamspieler Maikel Reyes und Abel Martinez mit offizieller Genehmigung des Sportministeriums beim mexikanischen Erstligisten Cruz Azul anheuern. „Wir hoffen, dass wir uns nicht nur persönlich, sondern dass wir auch den kubanischen Fußball verbessern können“, sagte Martinez bei seiner Vorstellung.

Für die Partie gegen die USA steht mit Reyes nur einer der beiden Legionäre im Kader, den einige Talente der hoffnungsvollen U20-Mannschaft, die Ende Oktober um die Qualifikation für die Concacaf-Endrunde spielt, verstärken. „Wir müssen realistisch bleiben. Die USA sind eine etablierte Mannschaft, für uns wäre schon ein Remis ein gutes Resultat“, sagte Teamchef Mederos. „Aber wir wollen und werden uns nicht verstecken, sondern rausgehen und kämpfen.“

USA proben für Mexiko

Während sich Kuba in der Qualifikation für die WM 2018 bereits in der zweiten Runde gegen Curaçao verabschiedet hat, steht dem von Klinsmann und Andreas Herzog betreuten US-Team am 11. November das wichtige Spiel gegen Mexiko bevor. Die Partien gegen Kuba und eine Woche später in Washington gegen Neuseeland sollen als Tests fungieren. „Worum es in den nächsten zehn Tagen geht, ist klar: Vorbereitung auf Mexiko“, betonte der deutsche Teamchef, der auch jüngeren Profis eine Chance geben will. „Für die Spieler geht es um viel. Sie können uns zeigen, wo sie gerade stehen.“ (swi)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2016)

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