Die Fürbitten der Fußballkapitalisten

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Fifa-Präsident Gianni Infantino lässt mit Reformplänen für eine WM mit 48 Teams ab 2026 aufhorchen. Das Vorhaben irritiert, aber es geht wie immer nur um den Profit.

Gianni Infantino ist in seinem Element. Der Präsident des Fußballweltverbandes Fifa strotzt vor Ideen. Der 46 Jahre alte Italo-Schweizer und Nachfolger von Sepp Blatter lässt mit Vorschlägen aufhorchen, die sein größtes und teuerstes Produkt, die Fußball-WM, ab 2026 von Grund auf revolutionieren sollen. 48 Teams statt 32, mit einer K.-o.-Runde drei Tage vor dem Turnierstart. Und, damit nicht genug, in Hinkunft sieht er ein Land allein nicht mehr dafür gewappnet, diese Bürde logistisch und finanziell zu meistern.

„Eine Fußball-WM ist ein gigantisches Ereignis geworden“, diktierte er der Nachrichtenagentur AFP bei einem seiner seltenen Interviews ins Mikrofon. „Es gibt nur sehr wenige Länder, die es sich leisten können, eine WM mit ihren Herausforderungen allein zu organisieren.“ 2002 teilten sich Japan und Korea erstmals eine WM, die EM 2008 in Österreich und der Schweiz nannte Infantino einen Erfolg. Die Euro 2020 ist ein Spießroutenlauf quer durch Europa, sie findet in 13 Nationen statt. In Hinkunft ist dieses EU-Modell also auch für eine WM denkbar?

Großereignisse sind unerschwinglich geworden, belasten Austragungsländer nicht nur ob der verlangten Investitionen in Milliardenhöhe, sie leiden mitunter noch Jahrzehnte nach Schlusspfiff unter der Schuldenlast. EM, WM und Olympia garantieren Aufsehen, doch nur Fifa, Uefa oder IOC streifen Milliardengewinne ein.


32, 40? Nein, 48! Infantino war im Februar mit dem Versprechen, die WM von 32 auf 40 Teilnehmer aufzustocken und vor allem viel mehr Geld in Afrika auszuschütten, überraschend zu Sepp Blatters Nachfolger aufgestiegen. Aus dem Uefa-General wurde der mächtigste Mann der Fußballwelt, mit Blatters Segen, dank Platinis Sperre.

Die Zahl 40 ist aber längst verschwunden, sie genügt den Ansprüchen nicht – 48 Länder müssen es sein. Geringer Widerstand regt sich freilich noch in Europas wohlhabenden Ligen und Nationen, die um Rang, Millionen aus der Champions League, TV- und Marketing-Einnahmen und ihr Kapital – die Spieler – bangen. Gegen Underdogs zu spielen, birgt stets das Risiko, dass sich Stars verletzen. Und bei der Aussicht, nur ein Spiel gewinnen zu müssen, um drei weitere WM-Partien spielen zu können, wird nicht mehr zimperlich attackiert. Doch der Zuspruch wächst, der Lockruf des Geldes ist weltweit lauter als jeder Abseitspfiff.

Die Verlierer fahren nach Hause, am Ende wird ein Weltmeister gefeiert – nach 80 statt bislang 64 Spielen, egal, zu welcher Jahreszeit, ob in der Wüste oder in einer Millionenstadt. Wer aber will solch eine Mammut-WM sehen?


Bloß Ablenkung? Aufzuhalten scheint diese Idee nicht, denn Infantino spielt Doppelpässe mit Funktionären, ohne dass sie bemerken, am Ball gewesen zu sein. Es ist der Aufgalopp in seiner ersten Amtszeit (läuft bis 2016), und diese offensiv-lächelnd vorgebrachte Verkaufspolitik lässt Probleme mit Russland, Katar, Korruption, FBI-Ermittlungen und deutschen Albträumen vergessen. Dennoch: Der Costaricaner Eduardo Li hat am Freitag in New York seine Beteiligung an Verschwörung und Korruption im großen Stil gestanden. Er gab zu, 600.000 Dollar als Schmiergeld von Sportmarketing-Funktionären angenommen zu haben.

Li war im Dezember 2015 von den Schweizer Behörden an die USA ausgeliefert worden. Das US-Justizministerium wirft ihm Geldwäsche, Überweisungsbetrug und organisierte Kriminalität vor. Er gehört zu den rund 20 Fifa-Funktionären, die von der US-Justiz wegen Korruption angeklagt sind.

Mehr Länder, mehr Chancen, mehr Finalspiele, mehr Marketing, Merchandising, TV-Stunden und noch mehr Geld – mit diesen Worten dürfte sich Infantino beim Fifa-Council am 13. und 14. Oktober in Zürich an seine Wegbegleiter wenden. Dann wird er seine Ideen präsentieren, 2017 werden sie abgesegnet. Er folgt den Spuren seiner Vorgänger, die Methodik ist die gleiche, nur ist sie an die XL-Anforderungen der Gegenwart adaptiert. João Havelange erweiterte die WM von 16 auf 24 Teams in den 1970er-Jahren. Der Brasilianer hielt sich bis 1998 im Amt, die WM wurde größer – 32 Teams sind bis dato dabei. Blatter pflegte diesen Rasen beharrlich mit der Goldsichel, nun düngt Infantino tüchtig nach.

Eine Veränderung müssen die Fifa-Funktionäre bereits jetzt hinnehmen. Die Kooperation mit dem Luxushotel Baur au Lac wurde beendet. Angeblich aus finanziellen Gründen, Fifa-Generälin Fatma Samoura fand die Hotelkosten für die 36 (früher nur 22) Council-Mitglieder zu hoch – die Suiten kosteten von 950 Euro aufwärts. Schenkt man diversen Berichten Glauben, hält sich der Abschiedsschmerz in dem Hotel aber in Grenzen. Nun hätten Gäste wieder die Gewissheit, dass Razzien beim Frühstücksbuffet wegen korrupter Funktionäre Geschichte sind . . .

DIE TEILNEHMER

Seit 1998 spielen 32 Nationen um den WM-Pokal. 2018 in Russland stellen Europa (Uefa) 13, Afrika (CAF) fünf, Asien/Australien (AFC) 4–5, Südamerika (Conmebol) 4–5, Nord- & Mittelamerika, Karibik (Concacaf) 3–4 und Ozeanien (OFC) 0–1 Teams.
Es sind acht Vierergruppen, 64 Spiele.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2016)

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