Chapecoense: Der erste Anpfiff nach dem Absturz

Chapecoense spielt wieder Fußball in der Arena Cond´a. Trainer V´agner Mancini gibt finale Anweisungen.
Chapecoense spielt wieder Fußball in der Arena Cond´a. Trainer V´agner Mancini gibt finale Anweisungen.(c) APA/AFP/NELSON ALMEIDA (NELSON ALMEIDA)
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Bei einem Flugzeugunglück verlor der brasilianische Verein Chapecoense fast die ganze Mannschaft, 19 Spieler starben. Vor dem Ligastart sorgen nun US-Filmemacher gehörig für Unmut.

Chapecó. Vor sechs Wochen standen auf dem Spielfeld der Arena Condá noch über 50 Särge. Es waren die der Spieler, Betreuer und Berichterstatter des AF Chapecoense. Eines kleines Fußballklubs aus Brasilien, der all seine Spieler verlor. Gestorben auf dem Weg zum größten Spiel des Provinzklubs, dem Finalhinspiel um die Copa Sudaméricana in Medellín. Das Unglück geschah, weil das Flugzeug zu wenig Kerosin getankt hatte, der Chef der Charterfluggesellschaft „LaMia“ sitzt seither in Haft. Eine Stadt weinte, Nation und Liga trauerten, die Luftwaffe flog die Särge aus Kolumbien ein.

Es gab weltweite Hilfsangebote, Freundschaftsspiele gegen den FC Barcelona wurden fixiert, auch schickten viele Ligaklubs junge Leihspieler kostenlos in die Provinz. Nur all die Zusagen vieler Altstars, für Chapecoense zu spielen, blieben aus. Das wird Brasilien bald bemerken, nun nimmt der Alltag wieder den gewohnten Lauf, die Meisterschaft startet.

Wieder gegen Palmeiras

In der Arena Condá von Chapecó steht das erste Spiel nach dem Absturz an, bei dem 71 Menschen ihr Leben verloren, darunter 19 Fußballer. Gegner ist ausgerechnet Palmeiras aus São Paulo, mit Ex-Bayern-Spieler Zé Roberto, der mit 42 Jahren eigentlich seine Karriere beenden wollte, Chapecoense seine Dienste antrug und nun doch weiter für den Gegner spielt. Gegen Titelverteidiger Palmeiras spielte „Chape“ auch das letzte Spiel vor dem Flug nach Medellín.

Heute erfolgt der Anpfiff, es ist ein Neustart in einem zerrütteten, von wirtschaftlichen und politischen Problemen geplagten Land. Nach der WM 2014 und den Sommerspielen 2016 hat Brasilien kaum noch Geld, um Institutionen wie das legendäre Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro zu erhalten. Der Rasen verrottet, Sitze und Kupferkabeln werden herausgerissen, es ist derzeit ein Heim für streunende Katzen. Im Bundesstaat Santa Catarina liest man davon nur in der Zeitung „O'Globo“, es interessieren ohnehin andere Angelegenheiten, vor allem, wie es nun mit dem Klub, den neuen Spielern weitergeht. Vor allem, wie man zu Geld kommt. Tickets für den Auftakt kosten bis zu 43 Euro, Palmeiras verzichtet auf eine Beteiligung. Die Einnahmen sollen den Familien der Opfer helfen.

Das Geschäft mit dem Leid

Hilfreich ist, dass der Klub zum Sieger der Copa Sudamericana 2016, vergleichbar mit der Europa League, erklärt worden ist. Dadurch darf Chape an Südamerikas wichtigstem Klubwettbewerb, der Copa Libertadores (quasi die Champions League), teilnehmen.

Die neue Mannschaft besteht aus neun Neuzugängen, Nachwuchsspielern und den Profis, die nicht mit nach Kolumbien geflogen sind. Bei der Präsentation war auch der bei dem Unglück schwer verletzte Verteidiger Helio Neto dabei, der erst nach Stunden aus dem Wrack geborgen werden konnte. Er hofft, noch dieses Jahr wieder spielen zu können. Die Rückkehr gebe ihm Kraft. „Ich muss mich erholen. Allein hier zu sein, gibt mir die Stärke dafür.“

Dass dieses Ereignis US-Filmemacher auf den Plan gerufen hat, die ein gutes Geschäft wittern, missfällt dem Klub. „Wir werden keineswegs akzeptieren, dass aus dieser Tragödie ein Entertainment gemacht wird“, steht auf der Homepage. Der Absturz und seine Folgen werden den Klub noch sehr lang begleiten. (fin)

AUF EINEN BLICK

19 Spieler des AF Chapecoense starben beim Flugzeugabsturz im vergangenen November, insgesamt kamen 71 Menschen ums Leben.

Heute startet Brasiliens Série A (20 Klubs, 752 Spieler, 818 Millionen Euro Marktwert) in die neue Saison. Titelverteidiger Palmeiras spielt in Chapecó.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2017)

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