Analyse

Das Setzen des letzten Schrittes

ÖFB-Teamchef Marcel Koller prüft seine Optionen, der Abgang des Schweizers ist eine davon.
ÖFB-Teamchef Marcel Koller prüft seine Optionen, der Abgang des Schweizers ist eine davon.(c) REUTERS
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Dem WM-Qualifikationsspiel am Dienstag gegen Georgien wird weniger Bedeutung zuteil denn der Diskussion, ob Marcel Koller Teamchef bleibt, bleiben soll oder längst hätte gehen müssen.

Wien. Es war eine eigenartige, beklemmende Fragestunde im Presseraum des Happel-Stadions. Es hatte tatsächlich den Anschein, als ob das am Dienstag in Wien anstehende Spiel der WM-Qualifikation gegen Georgien (20.45 Uhr, live ORF eins) kaum noch von Belang wäre. Das Gros der Fragen drehte sich nur um Marcel Koller. Bleibt der Schweizer Teamchef, hat er sich entschieden? Sieht er noch eine Chance, glaubt er sogar noch an eine Zukunft in Österreich? Was sagt der Fußballverband, hat Präsident Leo Windtner überhaupt Alternativen erwogen? Wann übernimmt der Nachfolger?

Bis auf Vertröstungen, leere Worthülsen oder Spekulationen war auch 72 Stunden nach dem so ernüchternden 0:1 in Cardiff und dem damit (theoretisch) geplatzten Traum, sich nach 1998 wieder für eine Fußball-WM zu qualifizieren, nichts zu hören. Koller, 56, hielt sich bedeckt und sagte, dass er „gegen Georgien noch an der Linie stehen“ werde. „Noch“, diese Anspielung öffnete prompt Raum für Offensiven, die in so einem Tempo und derart schonungsloser Präzision auf ihn niederprasselten, wie man sich das eigentlich in jedem Länderspiel von den ÖFB-Akteuren gewünscht hätte.

Koller will Vertrag erfüllen

Koller parierte selbst Suggestivfragen gekonnt, er ließ sich nichts entlocken. Der Schweizer, seit sechs Jahren beim ÖFB („Mein längster Job“), habe nach dem Wales-Spiel nebst Analysen, Videostudium des heutigen Gegners und der medialen Nachbetrachtung „keine Zeit gehabt“, nachzudenken. Er müsse sich allerdings „Gedanken machen“, beraten, prüfen, abwägen. Das 0:1 habe ihn schwer getroffen, dass nun alles infrage gestellt werde, sei vollkommen normal im Trainergeschäft.

Dass die Spieler für seinen Verbleib stimmten, macht Koller stolz. Sein Vertrag läuft mit Jahresende aus, „Presse“-Informationen zufolge sei ihm auch besonders daran gelegen, diesen zu erfüllen. Es sei schlichtweg nicht seine Art, so der Tipp, „alles hinzuwerfen und davonzulaufen“, das habe er doch schon bei der Vertragsverlängerung bewiesen. Dennoch, jetzt deute alles auf den Abschied hin, weil ÖFB-intern zu viel gegen Kollers Wunsch passierte, vor allem ihm jedoch auf dem Platz die nötigen Argumente in Form von Siegen und der nächsten Qualifikation abhanden gekommen sind.

Dass Koller am Dienstag zurücktritt, schließen Beobachter kategorisch aus, Form und Zeitpunkt der Trennung obliegen dem ÖFB. Wie stark Präsident Leo Windtner auf den Zuspruch seiner vier neuinstallierten Vizepräsidenten zurückgreifen wird respektive muss? Lebt die Minimalchance nach dem Georgien-Spiel weiter, wird die anberaumte Unterredung mit Koller aufgeschoben. Ist selbst die allerletzte Theorie verspielt, müsste der Funktionär den Teamchef freistellen; alles andere wäre skurril. Die in diesem Fall dringende Klarheit vor den Oktober-Terminen ist unerlässlich, damit die „Profilerstellung“ mitsamt der Suche nach dem neuen ÖFB-Teamchef beginnen kann.

Klarheit vor Oktober ein Muss

In diesem Punkt sollen sich beide Seiten einig sein, Koller sprach sogar davon, dass es „sinnvoll“ wäre, würde man die Weichen nach dem Lehrgang doch so früh wie möglich stellen.

Ob der Schweizer womöglich doch bleibt, wer ihm folgen könnte – die Palette reicht von Franco Foda bis Andreas Herzog –, ob der selbst im ÖFB-Vorstand nicht unumstrittene Sportdirektor Willibald Ruttensteiner erneut als Interimslösung einspringt: Es sind vorerst bloß weitere Spekulationen, die dazu geführt haben, dass dem Georgien-Spiel kaum noch Bedeutung zuteil wird.

Spiele, in denen es letztendlich um nichts mehr geht, hätten jedoch höchsten Wert für Fußball-Österreich. Der so dringend benötigte Umbruch in der Mannschaft mit einem nicht nur experimentellen Aufgebot neuer Spieler könnte sinnvoll gelingen, wäre die plagende Teamcheffrage längst geklärt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2017)

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