Bibiana Steinhaus – Die Fußballwelt hört auf ihre Pfeife

Der einzige Unterschied zwischen ihr und allen anderen Unparteiischen sei ihr blonder Pferdeschwanz, sagt Bibiana Steinhaus.
Der einzige Unterschied zwischen ihr und allen anderen Unparteiischen sei ihr blonder Pferdeschwanz, sagt Bibiana Steinhaus.(c) imago/Eibner (Langer/Eibner-Pressefoto)
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Die 38-Jährige leitet als erste Frau ein deutsches Bundesligaspiel. Alle Augen der Branche sind auf sie gerichtet.

Berlin/Wien. „Frauen haben im Männerfußball nichts zu suchen.“ Das hatte Kerem Demirbay sinngemäß gesagt, als Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus ihn mit Gelb-Rot vom Platz stellte. Die Folge für den damaligen Profi von Fortuna Düsseldorf (inzwischen deutscher Nationalspieler): Er blamierte sich, fasste fünf Spiele Sperre aus und musste eine Mädchen-Partie pfeifen.

„Mein Ziel ist es, dass Schiedsrichterinnen im Profifußball zur Normalität werden und sie zum Spiel einfach dazugehören“, sagt hingegen Steinhaus. Am Sonntag macht die 38-Jährige längst nicht ihren ersten, aber den bisher bedeutsamsten Schritt in diese Richtung. Die Polizistin aus Hannover wird im Berliner Olympiastadion die Partie Hertha BSC gegen Werder Bremen pfeifen, als erste Frau also ein Spiel in einer der großen Profiligen leiten.

Die Aufmerksamkeit der gesamten Branche ist ihr dabei sicher. Claudia Neumann, die erste TV-Kommentatorin bei einem Männerturnier, musste bei der EM 2016 noch einen Shitstorm über sich ergehen lassen. Steinhaus aber will sich nicht verrückt machen lassen, zu lange hat sie außerdem auf diese Gelegenheit gewartet. Erst nach zehn Jahren in der zweiten deutschen Liga war die Lebensgefährtin des früheren englischen Spitzen-Referees Howard Webb im Mai in den Kreis der 24 Erstliga-Spielleiter befördert worden (damit einher geht ein Grundgehalt ab 50.000 Euro jährlich sowie 3800 Euro pro Partie als Spielleiter).

Ribéry und Guardiola im Blick

Die Gründe für die lange Wartezeit sehen viele im sexistischen Denken der Funktionäre. Denn Souveränität und Können hat Steinhaus längst bewiesen: Bei der Frauen-WM 2011, 2015 und 2017, Olympia 2012 und vor allem in 80 Partien der zweiten deutschen Liga. Schon vor zwei Spielzeiten war sie dort Notenbeste, ihr Aufstieg in die Eliteklasse erfolgte aber erst, als Lutz Michael Fröhlich Schiedsrichter-Chef im DFB wurde. „Sie ist keine Reizfigur, das ist wichtig“, lobt er die sechsfache Schiedsrichterin des Jahres.

Auf dem Platz haben die Profis in der Regel keine Probleme mit der 1,81 Meter großen Schiedsrichterin. Auch aufbrausende Trainer ließen sich von Steinhaus oft leichter beruhigen als von anderen Unparteiischen. Schlagzeilen schrieb sie nur dann, wenn sie Pannen und Peinlichkeiten in der Männerwelt an sich abperlen ließ. So zum Beispiel, als Franck Ribéry erst kürzlich beim Pokalspiel des FC Bayern in Chemnitz der Spielleiterin die Schuhbänder aufzupfte und ohne Verwarnung davon kam. Wie eine lästige Fliege wischte Steinhaus einst an der Seitenlinie die Hand von Pep Guardiola ab: Der Bayern-Startrainer hatte nach einem Streit mit der Assistentin den Arm versöhnlich um sie gelegt. Auch bei der Hertha, wo sie am Sonntag ihre Oberhaus-Premiere gibt, stand Steinhaus schon 2010 im Mittelpunkt, damals noch nach einem Zweitliga-Spiel: Berlins Profi Peter Niemeyer hatte der Schiedsrichterin auf die Schulter klopfen wollen, erwischte sie aber ungewollt an der Brust. Steinhaus nahm es gelassen.

Ihr Stil zeichne sich durch „intensive Kommunikation“ aus, erklärte sie. „Gegenseitige Erwartungshaltungen frühzeitig auszutauschen gibt allen Beteiligten eine gute Richtschnur. Empathisch auf meine Gesprächspartner zuzugehen und somit eine Begegnung auf Augenhöhe zu schaffen – auch das gehört zu der Arbeit eines Schiedsrichters.“ Zusätzlich zu den etwa elf Kilometern, die Referees in den 90 Minuten auf Bundesliganiveau laufen müssen.

Höhere Liga, höheres Tempo

Fast wäre Steinhaus die Zeit davongelaufen. Jetzt, doch noch ganz oben angekommen, spricht sie von einer „tollen Aufgabe und riesigen Herausforderung“. Sie weiß auch, dass der Aufstieg noch einmal „ein anderer Schritt“ ist. Je höher die Liga, desto technisch versierter die Spieler, das Spiel in der Bundesliga ist schneller und hat weniger Unterbrechungen als in der kampfbetonteren zweiten Liga. Akribisch hat sich Steinhaus durch Analysen der Mannschaften und ihrer Systeme auf das Tempo vorbereitet.

Am Ende müssen schlichtweg die Entscheidungen stimmen. Einziger Unterschied zu anderen Referees sei ihr blonder Pferdeschwanz, meinte Steinhaus. Und der deutsche Nationalspieler İlkay Gündoğan fragte: „Es haben also alle Angst, dass eine Frau ihre Sache nicht so gut macht wie die Männer, über die sie sich jede Woche aufregen?“ (joe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2017)

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