Fußball: Deutschland verliert den Anschluss

Auch Peter Stöger und der 1. FC Köln waren bei Deutschlands Europacup-Nullnummer beteiligt.
Auch Peter Stöger und der 1. FC Köln waren bei Deutschlands Europacup-Nullnummer beteiligt. (c) REUTERS (THILO SCHMUELGEN)
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Die deutsche Bundesliga hat eine schwarze Woche hinter sich: Sechs Niederlagen in Folge in drei Tagen sind noch keinem Europacup-Teilnehmerland unterlaufen. Die Gründe.

Wien. Es ist ein bemerkenswerter Abstieg, den der deutsche Fußball und damit immerhin die amtierende Weltmeisternation hingelegt hat: 2013 bestritten Bayern München und Borussia Dortmund noch das Champions-League–Finale (2:1), seither stand kein deutscher Verein mehr in einem Europacup-Endspiel. Der FC Bayern als noch bester Vertreter scheiterte nach 2013 dreimal in Folge im Halbfinale der Champions League, zuletzt 2016/17 schon im Viertelfinale, stets war gegen spanische Mannschaften Endstation (2014 und 2017 Real Madrid, 2015 Barcelona, 2016 Atlético Madrid). Vor allem aber die zweite deutsche Garde ist international nicht mehr konkurrenzfähig, in der Europa League war seit 2010 das Viertelfinale das Höchste der Gefühle für Klubs aus der Bundesliga.

Heuer kommt es noch schlimmer: Schon nach dem ersten Spieltag der Europacup-Gruppenphase hatte Deutschland den zweiten Platz in der Uefa-Fünfjahreswertung an England abtreten müssen. Nun, nach dem historischen zweiten Spieltag mit sechs Niederlagen in sechs Partien ist die deutsche Bundesliga auf Platz vier hinter Italien zurückgefallen. Zumindest der Vorsprung auf das fünftplatzierte Frankreich ist noch ein beruhigender, obwohl die Franzosen aufholen und 2017/18 schon weit mehr Punkte gesammelt haben als Deutschland. In der Saisonwertung liegt die Bundesliga als 27. sogar hinter Zypern oder Kasachstan. Sechs Niederlagen in Folge in drei Tagen sind außerdem noch keinem Teilnehmerland in einem europäischen Wettbewerb unterlaufen.

Die Gründe für die schlechte Ausbeute sind vielfältig. Finanzstarke und europacuperfahrene Klubs wie Schalke 04, Bayer Leverkusen oder Wolfsburg haben die Teilnahme überhaupt verpasst. Dafür sind Neulinge wie Leipzig und Hoffenheim sowie Rückkehrer mit unerfahrenen Mannschaften wie Hertha Berlin oder der 1. FC Köln mit dabei. Die Konstanten Bayern München (0:3 bei Paris St. Germain) und Borussia Dortmund (1:3 gegen Real Madrid) erwischten zudem hochklassige Gegner. Auf diesem Niveau fällt das Mithalten schwer, weil sich die Bundesligaklubs im Wettbieten auf dem Transfermarkt zurückhalten und nicht bereit sind, Ablösesummen jenseits der 100 Millionen Euro auszugeben.

Nothelfer-Mission in München

Sorgen um die internationale Konkurrenzfähigkeit ihrer Klubs machen sich die deutschen Vereinschefs ohnehin schon länger. Bisher lag das an der spanischen Dominanz im Europacup und dem Geldregen in der englischen Premier League. Inzwischen aber häufen sich auch Niederlagen gegen Mannschaften aus Ländern mit weit geringeren finanziellen Möglichkeiten. Die Uefa allerdings kommt den Deutschen zu Hilfe: Eine Europacup-Reform garantiert den besten vier Ligen ab der kommenden Saison vier Startplätze für die Champions League.

Dort haben Dortmund, Leipzig und Bayern an diesem Spieltag die deutsche Nullnummer eingeleitet. In München musste Trainer Carlo Ancelotti seinen Posten räumen, schon vor der Abfuhr in Paris hatte der Italiener das launische Münchner Starensemble gegen sich aufgebracht. Interimscoach Willy Sagnol hat seine Mission als Nothelfer beim FC Bayern bereits begonnen, der Franzose soll bis zur Ligapartie bei Hertha Berlin am Sonntag wieder für Ruhe an der Säbener Straße sorgen und der Chefetage Luft für die endgültige Klärung der Trainerfrage verschaffen. Bayern-Präsident Uli Hoeneß will bis Mitte Oktober, also nach der Länderspielpause, einen Namen präsentieren. Spekulationen um Thomas Tuchel, der trotz des DFB-Pokalsiegs im Sommer bei Dortmund gehen musste, und Julian Nagelsmann, der jüngst öffentlich vom Trainerjob bei Bayern träumte, halten sich hartnäckig.

Dabei war es Nagelsmann, der in der Europa League die Niederlagenserie der deutschen Klubs mit Hoffenheims 1:2 bei Ludogorez Rasgrad vollendet hat. Zuvor hatte sich Hertha in Schweden bei Östersunds FK blamiert und Peter Stöger mit Köln zu Hause gegen Roter Stern Belgrad ein 0:1 kassiert. Die Krise des Tabellenletzten der Bundesliga (ein Punkt aus sechs Runden) setzte sich damit auch international fort.

Ausgerechnet der fast 39-jährige Stürmer Claudio Pizarro soll nun für jene Kölner Tore sorgen, die nach dem Abgang von Anthony Modeste ausgeblieben sind. Der Peruaner war nach seinem Abschied von Bremen ablösefrei zu haben, insgesamt 191-mal traf er für Werder und die Bayern, kein Legionär hat in der deutschen Bundesliga mehr Tore erzielt. (joe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2017)

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