Interview

Joan Vilà Bosch: „Wir wollen Fußball gestalten, nicht zerstören“

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Argentina Iceland Soccer Moscow June 16 2018 Lionel MESSI Argentina 10 sad disappointed angrimago/ActionPictures
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Joan Vilà Bosch ist Methodik-Direktor des FC Barcelona. Er spielte selbst mit Hans Krankl oder Johan Cruyff und förderte die Nachwuchsgeneration um Lionel Messi. Ein Gespräch über das Spiel, Philosophie, Tore – und die Fußball-WM.

Die Presse: Spanien galt als Mitfavorit bei dieser WM. Dann kam die kuriose Entlassung Teamchef von Julen Lopetegui. Ist Spanien so stark, dass das wegsteckt?

Joan Vilà Bosch: Sie werden verstehen, dass ich das nicht kommentieren kann. Ich glaube aber an den Professionalismus in unserem Team und dessen Fähigkeit, sodass diese außergewöhnliche Situation keinen weiteren Einfluss auf die WM haben wird.

Wer wird Weltmeister?

Nach den ersten Tagen lässt sich sagen, dass es die Favoriten schwer haben aufgrund der großen Weiterentwicklungen der vermeintlich kleinen Nationen. Aber trotzdem glaube ich, dass der WM-Titel unter den großen Nationen Deutschland, Brasilien, Frankreich – und Spanien vergeben wird. Belgien und auch Kroatien weit kommen.

Sie sind seit den 1980er-Jahren Teil des FC Barcelona. Was unterscheidet die Vereinsphilosophie von anderen Klubs?

Schon in der Zeit von Johann Cruyff haben wir ein Konzept entwickelt, um junge Spieler individuell zu fördern, das Spiel mit dem Ball in den Vordergrund zu stellen. Während zum Beispiel ein Läufer nur seine Strecke als Vorgabe hat, ist Fußball komplexer. Du hast den Ball, dein Team, die Gegner. Umso wichtiger ist es, als Kollektiv aufzutreten, das Spiel zu genießen.

Pardon, aber was macht ein Methodik-Direktor eigentlich?

Wir bieten Spielern ganzheitliche Betreuung an. Meine Aufgabe ist es, darauf zu achten, dass unser Spielstil durchgängig durch alle Altersklassen praktiziert und erlernt wird. Ich plane Trainingseinheiten für die Akademie und unterstütze Coaches in ihrer Weiterbildung. Natürlich bin ich eine Art Klubbotschafter, nehme bei Konferenzen teil oder gebe Seminare, wie eben hier jetzt bei meinem Besuch in Österreich.

Sie haben viele Spielergenerationen ausgebildet, unter anderem jene um Lionel Messi. Was hat ihn so besonders gemacht?

Als er zum Verein kam, war der erste Eindruck sensationell. Er war schon mit zwölf, 13 Jahren anders als alle anderen. Trotzdem gab es zu Beginn Bedenken aufgrund seiner Körpergröße, obwohl uns klar war, dass er ein Star werden kann. Dadurch, dass der Verein seit über dreißig Jahren seine gleiche Spielphilosophie verfolgt, hat das Team seine Entwicklung sehr gefördert.

Barcelona ist also auch die beste Fußballschule der Welt?

Schon im Training geben wir den Spielern wichtige Ansätze mit: Wir möchten den Ball halten, um das Spiel zu genießen – wer den Ball hat, leitet das Spiel. Über das Verteidigen reden wir nicht wie über einen Krieg, sondern wie über ein Spiel. Wir wollen gestalten anstatt zu zerstören. Solche Sätze stehen für unsere Idee und so entwickeln wir sie weiter. Dabei helfen uns neue Technologien, die den größten Unterschied zur Förderung vor dreißig Jahren ausmachen. Wir kooperieren derzeit deshalb auch mit der University of Connecticut, um das Spiel zu analysieren.

Im Spiel selbst geht es doch nur um das Toreschießen.

Das Toreschießen ist die letzte Phase des Spielprozesses. In Wirklichkeit ist es nicht das Schönste, wenn ein Spieler perfekt das Feld durchquert, sondern wenn alle gemeinsam den Erfolg ermöglichen. Wenn der Ball verloren geht, muss man als Team reagieren. Es geht nicht nur darum, wie man vor dem Tor agiert, sondern um den Prozess dazwischen.

Sie haben auch mit Hans Krankl gespielt. Wie war er so als Typ?

Es war ein Vergnügen, mit ihm zu spielen. Ein exzellenter Fußballer, top-professionell. Hans war zweifellos einer der besten Stürmer mit großartigem Torriecher, den ich je getroffen habe.

Zur Person

Joan Vilà Bosch (* 26. April 1954) war Fußballer und Trainer. 1979 gewann er mit Barcelona (Klubkollege Hans Krankl) den Cup der Cupsieger. 1987 begann er als Nachwuchstrainer bei Barcelona, war 2009 technischer Direktor des spanischen Verbandes. Seit 2011 ist er Methodik-Direktor und besuchte zuletzt das Finale des Coca-Cola-Cups in Mattersburg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2018)

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