Marcel Koller: "Ich denke niemals an Kritik"

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PK OeFB: KADERPRAeSENTATION / KOLLERAPA/HANS KLAUS TECHT
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Österreichs Fußballteamchef Marcel Koller will seine Mannschaft heuer zur EM-Endrunde führen. Seinen Weg wird er auch für dieses Unternehmen nicht verlassen.

Österreichs Fußball-Nationalmannschaft darf auf ein erfolgreiches Jahr zurückblicken und kann optimistisch den kommenden Aufgaben entgegenblicken. Hätten Sie gedacht, dass Sie das als Teamchef alles so gut hinbekommen?

Marcel Koller: Also es war ja nicht so, dass ich vom österreichischen Fußball nichts gewusst hätte. Da habe ich mir schon einige Spiele angeguckt. Und ich habe versucht zu analysieren, ob ich da meine Ideen umsetzen könnte. Ich habe Technik und Schnelligkeit gesehen, das sind wichtige Voraussetzungen. Aber zunächst einmal war das alles Theorie.

Aber Sie haben nach Ihrer ersten Amtsperiode offenbar Lust auf mehr bekommen...

Als Teamchef kannst du nicht von heute auf morgen Dinge verändern. Die Zeit, die wir zur Verfügung haben, ist kurz. natürlich geht es auch im Team um Fortschritt – aber es geht um den stetigen Fortschritt. Als mein erster Vertrag zu Ende war, habe ich viele Dinge nicht so gesehen, wie ich sie haben wollte. Auch, was die Defensivarbeit betrifft. Wir brauchten einfach mehr Zeit. Als Klubtrainer hast du es da leichter, du hast die Spieler jeden Tag. Ein halbes Jahr Klubarbeit entspricht wahrscheinlich so etwa drei Jahren beim Nationalteam. Und da stehen wir jetzt.

Wer hat Ihrer Meinung nach 2014 die größten Schritte nach vorn gemacht?

Also da fällt mir einmal Aleksandar Dragović ein. Er ist schon extrem ruhig geworden, sehr abgeklärt. Er ist ein Mann für Führungsaufgaben. Auch Florian Klein hat eine tolle Entwicklung in der deutschen Bundesliga erlebt. Er hat nicht nur einen großen Sprung gemacht, sondern er bringt auch konstant seine Leistungen. Julian Baumgartlinger möchte ich auch erwähnen, er ist noch besser geworden. Unter dem neuen Trainer hat er in Mainz auch die Rolle des Organisators übernommen. Und seine Laufarbeit ist ohnedies bekannt.

Ist das Team bald EM-reif?

Wer Erfolg haben will, der braucht ein laufstarkes Team. Und man braucht einen guten Teamgeist. Der herrscht bei uns absolut. Aber von der Euro reden wir dann, wenn es so weit ist. Man soll Gegner niemals unterschätzen. Und ich stelle auch keine Hochrechnungen an, ich will von den sechs Punkten gegen Liechtenstein und dem Heimsieg gegen die Republik Moldau nichts hören. Wir werden uns jedenfalls sehr intensiv auf das Auswärtsspiel in Liechtenstein vorbereiten. Die Ergebnisse dieses Gegners bisher in der EM-Qualifikation sind Warnung genug.

Sie agieren als Teamchef relativ konservativ. So gar nicht experimentierfreudig?

Es geht um Regelmäßigkeit. Das ist auch der Grund dafür, dass ich eigentlich relativ wenig wechsle. Die Mannschaft, die hat sich so entwickelt. Und für mich ist wichtig, dass alle gern kommen. Sie haben eine riesige Freude und fühlen sich in der Nationalmannschaft wohl.

Sie haben lang an Spielern festgehalten, die bei ihren Vereinen nicht erste Wahl waren. Und damit eigentlich auch immer recht behalten. Haben Sie nie Angst davor gehabt, ins Kreuzfeuer der Kritik zu geraten?

Ich glaube, ich bin bekannt dafür, dass ich nicht links oder rechts schaue, wenn ich eine Entscheidung treffe. Als man mich als Teamchef geholt hat, da waren auch nicht alle begeistert von dieser Entscheidung. Aber wer hat mich hier schon gekannt? Ich denke doch nicht schon im Vorhinein an Kritik. Und die Vergangenheit interessiert mich nicht. Wenn ein Spieler einen Fehler macht, dann passiert er eben. Das kann auch Stammspielern passieren. Ich denke erst daran, ein Problem zu lösen, wenn es eines gibt. Und dann muss man eh darüber nachdenken. In Deutschland sind es ein bisschen mehr – in Österreich sind es eben acht Millionen Teamchefs.

Bei Länderspielen gibt es immer wieder auch Koller-Fanrufe. Wie wichtig ist es Ihnen, beliebt zu sein?

Es geht nicht darum, beliebt zu sein. Es geht darum, erfolgreich zu sein.

Wie würden Sie sich selbst beschreiben?

Ich muss mich nicht selbst beschreiben. Das überlasse ich lieber den anderen.

Sie verbringen die Feiertage daheim in der Schweiz. Bleibt Ihnen da auch Zeit für das eine oder andere Buch?

Ja, ich lese derzeit drei Bücher. Aber ich habe keinen Lieblingsautor. Und ich lese gerne psychologische Zeitschriften.

Sie sind bekannt dafür, dass Sie nicht gern über Ihr Privatleben sprechen. Aus Selbstschutz?

Ich bin ein offener Mensch. Ich liebe den Kontakt mit den Menschen. Ich lasse mich auch von Mann und Frau von der Straße anquatschen, damit habe ich kein Problem.

Sie gehören zu den Trainern, die sich über Facebook mitteilen. Macht Ihnen das Spaß?

Anfangs war ich mir nicht sicher. Aber ich mache das für die Fans. Da ergeben sich nette Kontakte, man bekommt mehr Beziehung. Und man bekommt besser mit, was in der Fußballgemeinde so abgeht. Ich halte das mittlerweile für eine gute Sache.

Gibt es eine Persönlichkeit, die Sie gern einmal treffen würden?

Mich fasziniert der Dalai-Lama. Das fände ich schon sehr interessant.

Zurück zum Fußball. Bald steht die Wahl zum Weltfußballer an. Wer bekommt Ihre Stimme?

Die drei Nominierten kann man nicht vergleichen. Manuel Neuer ist ein Weltklassetorhüter. Aber er bekommt nicht viel zu tun. Und wenn, dann riskiert er viel. Lionel Messi ist extrem, er gefällt mir wahnsinnig gut. Und Cristiano Ronaldo ist auch extrem auf Fußball fokussiert, obendrein irrsinnig schnell. Also Geschmacksfrage.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2015)

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